Klever Theater im Fluss klagt vor imaginärem Gericht
Plädoyer für offene Bühnen

Vielleicht hat Justitia ja ein Einsehen? | Foto: Lokalkompass
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Aus dem Theater im Fluss hat der Lockdown ein Theater im Verdruss gemacht. Die existenzbedrohende Lage veranlasste die Kulturschaffenden, eine Klageschrift einzureichen. Ihr Plädoyer für offene Bühnen:

"Innerhalb eines Jahres hat keine nachweisbare Corona-Übertragung in unserem Theater stattgefunden. Die getroffenen Hygienemaßnahmen lassen dies kaum zu. Wir haben in dieser Hinsicht planvoll investiert. Genauso wie andere möchten wir unsere Tätigkeit ausüben; denn wir sind von großer Wichtigkeit für dieses Gesellschaftssystem. Und da wir uns als Rädchen im Getriebe desselben verstehen, sind wir in die Verantwortung genommen, zu klagen. Als Theater müssen wir mindestens auf ein Jahr hinaus planen und können nicht von Monat zu Monat hingehalten werden. Wir haben wenig Vertrauen in diese unverhältnismäßige Regierungsmaßnahme.

Theater ist lebensrelevant

Wir sind mehr als systemrelevant: Wir sind lebensrelevant über dysfunktionale Strukturen des Systems hinaus. Theater ist ein Ort der Heilung. Das wussten schon die alten Griechen, die Theater in Heilprozesse einbetteten. Die kathartische (reinigende) Wirkung gilt gleichermaßen für Schauspieler*innen und Publikum. Wir knüpfen genauso wie Therapieformen an diesen heilenden Aspekt an. Zudem sind Stimm-, Körper- und Ausdruckstraining der Elemente wirkungsvoller Gesundheitsprävention. Lachen ist ansteckend und soll auch gesund sein.

Rose oder Eintrittskarte?

Theater ist genauso ein Ort des Verkaufes, der Wirtschaft des Gebens und Nehmens: Wieso kann der Einkauf einer Rose stattfinden, während der Kauf einer Eintrittskarte, mit dem sich ein*e Besucher*in Zutritt zum Seelenleben verschafft, verboten ist? Ist das „Materielle“ mehr wert? Wir haben sogar erfahren: Theater kann extremen Wirrköpfen den Kopf waschen, Dummheiten beschneiden und das was überbleibt, ästhetisch in die beste Richtung frisieren. Theater ist ein prädestinierter Ort der Forschung und stellt sich als solche existentielle Sinnfragen. Wie können wir mit Krisen umgehen? Welche Werte möchten wir schützen? Wie können wir Vertrauen bilden und Angst in ihre zugewiesenen Grenzen verweisen? Zurzeit steht das Geistige auf der roten Liste. Als Theater stellen wir es auf den Prüfstand und experimentieren mit Versuchsreihen, in denen unsere Katalysator-Funktion dem Geist das Überleben zu sichert.

Garant für Toleranz

Theater schafft durch Einüben in andere Rollen und Perspektivwechsel demokratische Grundstrukturen und ist als politischer Ort ein Garant für Toleranz und Respekt. Theater kann in seiner Kreativität sogar Lösungen anbieten, die stundenlange rationelle Überlegungen überflüssig macht. Möchte man allerdings Herdenservilität, sollte man das Arbeitsverbot des Theaters aufrechterhalten Theater pflegt Kontakte mit alten, einsamen, verwirrten, behinderten und depressiven Menschen. Im Moment wankt jedoch auch die Idee der Inklusion
Theater ist ein öffentliches Verkehrsmittel. Man reist in einem phantastischen Vehikel an einen anderen (fiktiven) Ort. Und diese Reise selbst verbraucht noch nicht einmal Energie. Und mit der Fahrkarte für diesen Trip bekommt man auch noch echten Verkehr in Form von Kommunikation anstelle nicht sichtbarer gestresster Gesichter in Bus und Bahn.

Kein beliebiger Zeitvertreib

Theater-Kultur ist kein beliebiger Freizeitvertreib, sondern ein Instrument der Bildung, so auch in der Erziehung und dem formenden Wachstum von Persönlichkeiten. Dies betreiben wir im Treibhaus der Kinder- und Jugendarbeit. Und siehe: Auch hier findet Prävention statt, wenn das Kind noch nicht in den Brunnen gefallen ist. Schwer gemacht wird uns die Aufgabe, die verbreiteten Ängste, ja Panik zu lösen. Wie sollen wir kommunikative Werte wie Geborgenheit, Zuverlässigkeit und (Selbst)Vertrauen vermitteln, wenn Kinder und Jugendliche zum zweiten oder dritten Mal zum Abbruch einer Produktion und Aufführung gezwungen werden? Wenn ein Schiff untergeht, werden als erstes die Kinder gerettet.

Rette uns, wer kann

Ein „hohes“ Gericht möge beschließen: Wir veranlassen die sofortige Öffnung aller Jugendkunstschulen, der Jugendzentren und Theater. Alle Aufführungen sind erlaubt.“ Es reicht. Rette uns, wer kann!"

Autor:

Lokalkompass Kleve aus Kleve

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