Vom Sensenmann und dem Fröschlein
Neulich auf dem Melatenfriedhof

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Der Sensenmann...

Schon seit einigen Jahren zieht mich dieses düster-geheimnisvolle Motiv wie magisch an. Auf dem Melaten-Friedhof in Köln soll es ihn leibhaftig geben - den Sensenmann. Und ja, wie gerne möchte ich ihm auch einmal vis-a-vis in sein beeindruckendes Gesicht blicken! Die Gelegenheit bietet sich auf der Rückfahrt aus unserem Eifel-Urlaub, wo wir auch an Köln vorbeikommen. Früher einmal war es für Besucher*innen und Fotograf*innen die Suche nach der Nadel im Heuhaufen auf Kölns größtem Friedhof. Heute einmal den "Gockel" bemüht, findet man jedoch recht schnell seinen Standort heraus. 

Um den Sensenmann rankt sich eine wunderschön-berührende Geschichte, die ich Euch / Ihnen gerne erzählen möchte. Das Grab, auf dem er sich befindet, ist bereits sehr alt. Da der Friedhof seit Jahren an die Grenzen seiner Kapazität stößt, wurde für alte Gräber, deren Nutzungsdauer abgelaufen ist, die Möglichkeit einer Grabpatenschaft eingeführt. Interessierte Menschen übernehmen diese und somit die Pflege, dürfen dafür eigene Angehörige dort bestatten lassen. So hielt es auch eine Kölner Steinmetz-Familie mit diesem Grab. Sehr wichtig, in dieser Familie wurde schon zu Lebzeiten auch über den Tod gesprochen. Und, so stellte sich heraus, wollte einer der Söhne gerne zu Füßen des Sensenmannes begraben werden.

...und das Fröschlein

Leider wurde dieser Sohn im zarten Alter von nur 11 Jahren Opfer eines tragischen Unfalls. Die Familie kam seinem Wunsch nach und beerdigte ihn hier. Auf seinem Grabstein befindet sich ein kleiner Frosch, der es sich dort anschaulich bequem gemacht hat. Mit gespreizten Froschschenkeln, ein Ärmchen unter dem Kopf, das andere auf dem Bauch, wirkt er äußerst zufrieden, in sich ruhend. Als ich lese, dass der Spitzname des Jungen "Fröschlein" war, blinzele ich eine Träne der Rührung hinfort. Ja, genauso soll es sein, das Fröschlein und der Sensenmann. 

Ein Friedhof für die Sinne

Wir schlendern an diesem drückenden Frühsommertag gemächlich über die Wege des alten Teils des Friedhofs. Auch der einsetzende Regen stört uns dabei nicht. Die Luft ist erfüllt von Frische, erstaunlich starkem Blütenduft und dem unnachahmlichen Geruch von warmem Sommerregen. Gepflegte, imposante Gräber und Gruften wechseln sich ab mit komplett von Efeu oder Brombeeren überwucherten Grabstellen. Und alles fügt sich ineinander, es macht zu keiner Zeit einen Eindruck des Ungepflegten. Ein Eichhörnchen begleitet uns ein kurzes Stück, es hofft wohl auf ein paar Nüsse, die wir leider nicht dabei haben. Und schon flitzt es weiter in die großen Bäume und durchs hohe Gras. Ungewohnte exotische Laute über unserem Kopf - irgendetwas kreischt und bewegt sich in den Bäumen über uns. Ach ja, fällt es mir wieder ein, Kölns grüne Sittiche begrüßen uns lautstark...

Wer Engel mag, wird den Melatenfriedhof lieben! Große, kleine, alte, junge Engel aller Kunstepochen findet man hier. Ich bevorzuge die mit grüner Patina, besonders hat es mir der Engel mit nur einem Flügel angetan. Und der Engel, der seinen Menschen zu beschützen scheint. Einen Flügel um ihn geschlungen erhebt er die Hand in die Höhe, als möchte er Fürbitte leisten für seinen irdischen Freund...

Der Begriff Melatenfriedhof, so habe ich mich informiert, kommt aus der Zeit der französischen Besatzung von dem Begriff "malade" - krank. Denn bevor sich hier der Friedhof gründete, lebten hier die Leprakranken von Köln. Ein durch und durch geschichtsträchtiger Ort also... 

Kurioses auf Melaten

Auf einem der größeren Wege nähern wir uns dem modernen Teil des Friedhofs. Hier liegen bekannte Kölner Größen bestattet, Willy Millowitsch, Guido Westerwelle, Dirk Bach, Familie Deichmann und ganz viele mehr. Mich reizen jedoch eher die amüsanten Geschichten, das Kuriose, von dem es hier mehr als genug gibt. Leider haben wir das entsprechende Grab zu dieser Anekdote nicht gefunden: Ein Kölner war zu Lebzeiten häufig und gerne in seiner Stammkneipe anzutreffen, wo er sich am liebsten gleich neben einem Säulenofen niederließ. Als er verstarb, schenkte der Wirt seiner Familie diesen Ofen, der auf irgendwelchen Wegen schließlich zu des Mannes Grabstein wurde. Ja, genau so etwas zu erfahren, mag ich sehr :-) 

Auch ein feines Döntje: die Sense des Sensenmannes. Früher wurde sie ihm öfter mal entwendet, stibitzt - und ihm dafür ein Ersatz in die Hand gegeben. Vom Regenschirm bis hin zur Fahne des Kölner Fußballvereins soll alles vorgekommen sein! Nun wurde die Sense jedoch fest in seiner Hand verankert und dies ist nicht mehr möglich. 

Ich könnte noch endlos weiterflanieren über diesen wunderbaren Ort - doch die Zeit des Berufsverkehrs naht und vorher wollen wir Köln ein Stück weit hinter uns gelassen haben. Langsam kehre ich in die Wirklichkeit zurück und weiß - hier war ich nicht zum letzten Mal.

Autor:

Christiane Bienemann aus Kleve

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