"Die Schandtaten wurden nicht im Geheimen begangen"

Auf dem Platz der ehemaligen Synagoge wurde der Reichspogromnacht gedacht. In jener Nacht wurden im Jahr 1938 deutschlandweit 1400 Synagogen in Brand gesteckt. | Foto: Alle Bilder: Tim Tripp
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  • Auf dem Platz der ehemaligen Synagoge wurde der Reichspogromnacht gedacht. In jener Nacht wurden im Jahr 1938 deutschlandweit 1400 Synagogen in Brand gesteckt.
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"Heute vor 25 Jahren fiel die Mauer - ein Triumph der Freiheit. Wir wollen uns heute allerdings der Unfreiheit erinnern, einer Zeit, in der das Recht auf Leben mit Füßen getreten wurde", sagte Maria Diedenhofen, Verein Nachbarn ohne Grenzen, zu Beginn der Gedenkveranstaltung auf dem Platz der ehemailgen Synagoge. Die Erinnerung und das Gedenken galten jenen Schandtaten, die spätestens in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 offenbar wurden, als deutschlandweit die Synagogen brannten.

"Wir können sie nicht zurückholen - die Mitbürger, deren Namen auf diesen Stein geschrieben sind - aber wir können anregen zu verantwortlichem Tun", so Diedenhofen.

Theo Brauer, Bürgermeister der Stadt Kleve, griff die historischen Bezüge des Jahres 2014 auf, erinnerte an die Jahrestage des 1. und 2. Weltkrieges, und auch an den Oktober 1944, als die Stadt Kleve zerstört wurde. "Viele dieser Daten stehen in kausalem Zusammenhang", sagte Brauer. "Vor 76 Jahren begann eine Nacht nicht enden wollender Schrecken." Auch in dieser Stadt hätte die Synagoge gebrannt, so, wie 1400 andere in Deutschland. Tausende Praxen, Wohn- und Geschäftshäuser jüdischer Mitbürger seien in dieser Nacht zerstört, mehr als 30 000 Männer in Konzentrationslager verschleppt worden. "Diese Untaten erfüllen uns mit Trauer und Scham und werfen Fragen auf. Wie hat es dazu kommen können? Wie hätten wir uns verhalten?" In der Naziprpaganda seien die vorab geplanten Gräueltaten als spontane Aktion ausgewiesen worden. "Diese Schandtaten wurden nicht im Geheimen begangen, die Befehle kamen von ganz oben. Sie waren zu hören und zu sehen." Die Allermeisten aber hätten geschwiegen, die Wenigsten seien den Bedrängten beigesprungen. Gedenken, erinnern, nachdenken: Nachdenken über das, was die Geschichte uns zu sagen habe, mahnte Theo Brauer an. Er griff die Anzeichen eines neu aufbrechenden Antismitismus auf: "Es ist beschämend, dass anisemitische Vorurteile nicht überwunden sind", so Brauer. Jeder sei jederzeit gefordert, sich aufflammendem Antisemitismus und Rechtsradikalismus entgegengzustellen. Alle Menschen hätten das Recht, Achtung, Freiheit und Sicherheit zu finden.

Schülerinnen und Schüler des Berufskollegs hatten sich gemeinsam mit Dr. Hedwig Meyer-Wilmes auf diesen Tag vorbereitet. Mit Musik- und Wortbeiträgen machten die Schüler deutlich, dass auch ihnen das Erinnern an jene Zeit wichtiges Anliegen ist. Meyer-Wilmes: "Erinnerungsräume sind notwendig - im Alltag ist dieser Platz leer, aber heute ist er ein Platz der Erinnerung." Die Schülerinnen und Schüler hatten sich mit vermeintlichen Gewissheiten befasst, mit dem Kind, das an den starken Vater glaubt, dem Mann, der sich Familie wünscht, der Frau, die an den Mann glaubt, den Mann, der die Rente sicher wähnt. Wunsch und Glauben wurden in Frage gestellt, zerplatzte Träume hörbar gemacht.

Fritz Gies, Nachbarn ohne Grenzen, erinnerte an den Tag seiner Befreiung. Erinnerte an den Zug als das, was er damals für jüdische Menschen bedeutete, die Verschleppung in Konzentrationslager, das Zusammengepferchtsein, die Unmenschlichkeit, die Einbahnstraße.

Das Kaddisch, das jüdische Totengebet wurde gebetet, ein Friedengebet gesprochen. Die dieisjährige Gedenkveranstaltung zum 9. November war sowohl für Maria Diedenhofen als auch für Theo Brauer die letzte, die sie ausrichteten. Anke Grünspek übernimmt von Maria Diedenhofen.

Autor:

Annette Henseler aus Kleve

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