Meine Weihnachtsgeschichte 2023
Augenblick in die Seele

Ich starte heute mit der Veröffentlichung einer brandneuen Weihnachtsgeschichte 2023. Wer hat Lust, auch eine zu schreiben? Wir könnten sie sammeln unter dem Schlagwort ("Tag")
Weihnachtsgeschichte 2023 

Es ist einer dieser kalten, klaren Wintertage, die man am liebsten mit einem langen Spaziergang durch die sonnengeflutete Landschaft verbringen würde. Und mit einer herrlich heißen Schokolade oder einen süßen Punsch im Lichterfunkeln auf dem Weihnachtsmarkt beendet. Doch Anna und Hannes sitzen Händchen haltend im Foyer des Krankenhauses der Kleinstadt und beobachten das Kommen und Gehen der Patienten in die Raucherecke oder zu der bunt geschmückten Weihnachtstanne vor der Tür. Die Glücklichen unter ihnen streben mit gepackter Tasche zum Ausgang, meist in Begleitung eines freudestrahlenden Angehörigen. Doch soweit ist Anna noch nicht. In der letzten Woche operiert ist sie froh, trotz einiger Schläuche und Drainagen das allmählich abebbende Treiben mit ihrem Mann beobachten zu können.

Plötzlich betritt ein alter Mann das Krankenhaus durch die ächzende Automatiktür. In lange, dicke Montur gehüllt, mit schleppenden, ganz schweren Schritten. Ein Bauarbeiter, schießt es Anna durch den Kopf. Der sich irgendwo nicht unwesentlich verletzt haben muss. Mit einem leisen Ächzen entledigt er sich eines scheinbar schweren Rucksacks, der übergangslos zu Boden poltert. Dann die Überraschung - groß und fett steht "Notarzt" auf seinem Rücken. "Und ich dachte schon, es wär ein Bauarbeiter ", spiegelt Hannes Annas Gedanken wieder. Beide lachen leise vor sich hin, während der Notarzt ein kurzes Gespräch mit dem Pförtner beginnt.

Auf einmal dreht er sich um, der Notarzt. Anna entdeckt ein fein geschnittenes Gesicht über der schweren Dienstkleidung, kurz geschnittenes, grau meliertes Haar und - ein sanftes Lächeln. Er kommt auf Anna zu und dann passiert es. Anna sieht in seine Augen und unwillkürlich überläuft sie ein warmer Schauer. Es ist ein uralter Blick - nicht in Bezug auf das wirkliche Alter des Mannes. Ein Blick voll Weisheit, Erfahrung, Schmerz - und auch Liebe. Nächstenliebe vielleicht, wie es Anna erst viel später durch den Kopf geht. Anna fühlt sich auf der Stelle erkannt mit all den kleinen und großen Freuden in ihrem Leben, aber auch mit dem Ballast, den sie mit sich herumschleppt. Erkannt und für einen Moment ganz wunderbar geborgen. In diesem kurzen Augenblick wird in Anna ein kleines Kopfkino losgetreten.

So stellt sie sich die Begegnung mit einer alten Seele vor. 

"Wie geht es Ihnen?" spricht er sie plötzlich an. Es ist so unwirklich, dass Anna sich unwillkürlich umblickt, ob auch wirklich sie gemeint ist. "Danke, ich hoffe, das Schlimmste ist geschafft ", erwidert sie mit einem Lächeln, das von Herzen kommt. Er murmelt etwas vor sich hin, was Anna nicht versteht. Er mustert sie sekundenlang mit eindringlichem Blick. Dann, als wären alle drei aus einem kurzen Traum erwacht, wünschen sie sich einen schönen Advent. "Was war das denn?" Ein sonderbares Glücksgefühl durchströmt Anna, die sich ihrem Mann zuwendet. "Kennst du ihn von irgendwoher?" fragt Hannes sie. Sie überlegen beide hin und her und sind sich sicher, dass nicht.

Für Anna ist diese Begegnung etwas kostbares. Bestätigt sich für sie doch wieder einmal, dass es sie gibt, diese kleinen Weihnachtswunder und magischen Momente zwischen Himmel und Erde...

Autor:

Christiane Bienemann aus Kleve

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