Wenn sich die Schlange windet
Die Mädels sprühen Sidolin auf, putzen und wienern die Stangen blank. Nein, es handelt sich nicht um einen Lehrgang für reinliche Hausfrauen; hier werden Vorbereitungen getroffen für Pole Dance, bei dem attraktive Damen sich erotisch an eben diesen Stangen drehen und winden. Das zu lernen, ist nicht leicht, hat durchaus ein wenig mit Akrobatik zu tun.
Dazu braucht frau eine professionelle Lehrerin wie Arzo-Carina Renz, die an der Bahnhofstraße das Tanzstudio „Le serpent blanc“ („Die weiße Schlange“) betreibt. „Die Stangen“, verrät sie lächelnd, „werden natürlich nicht aus Sauberkeitswahn geputzt. Sie sind meist schweißnaß und müssen trockengerieben werden, damit die Hände einen sicheren Halt finden.“
Eine Hand greift möglichst weit oben an die etwa 2,70 Meter hohe, an Boden und Decke fest verankerte, Stange und hält das Gewicht. Die zweite Hand dient eigentlich „nur“ dazu, den Abstand zwischen Körper und Metall zu halten, damit frau nicht schmerzhaft gegen die Stange knallt. Die sechs Teilnehmerinnen an diesem Abend versuchen, möglichst hoch zu springen und sich in langsamen Drehbewegungen nach unten zu winden. Manchmal gelingt es, mitunter landet auch jemand etwas unsanft auf dem Po. „Etwa zehn Drehbewegungen sind maximal möglich“, gibt die Studio-Chefin zu verstehen.
Warum fühlen sich junge Frauen zwischen 16 und 25 Jahren ausgerechnet zu Pole Dance hingezogen, der früher eher in Strip-Clubs angesiedelt war? „Es macht ihnen einfach Spaß, ihren Körper zu erproben“, sagt Arzo-Carina Renz, „einige machen das nur hier im Studio, andere auch zu Hause, ein paar holen sich hier das Rüstzeug für bezahlte Auftritte in Discos.“
Der Besucher atmet den Duft von aromatischem Tee ein, betrachtet die Spiegelbilder der Tänzerinnen an den Wänden und stellt das Teeglas auf einem Tisch ab, dessen Glasplatte von einer Frauenskulptur getragen wird. Darauf ein Katalog voller Zubehör: Profi-Tanzstangen, Pole Handschuhe, High Heels, Sandaletten mit blauem oder rotem Licht in der Sohle. Plötzlich die Stimme der 30-jährigen Lehrerin: „Hattet ihr beim letzten Mal Muskelkater oder ging’s?“ Auch hier hilft in jedem Fall regelmäßiges, ausgewogenes Training, das stets mit Aufwärm-Übungen beginnt. Wenn die Chefin selber an der Stange tanzt, sieht man, wie perfekt ihre Tattoos auf die Bewegungen abgestimmt sind.
Arzo-Carina Renz erlebt man als ein wahres Multitalent: Sie ist nicht nur eine Profi-Tänzerin, die regelmäßig Einladungen zu Festivals und Veranstaltungen erhält. In dieser Woche tritt sie beim „Endzeit-Festival“ in Mahlwinkel auf – nicht sonderlich weit von Berlin. Sie hat zudem Kulturarbeit und Kreativ-Wirtschaft studiert, ist ausgebildete Grafikdesignerin – und Autorin eines wunderschön aufgemachten, höchst informativen Buches über „Tribal Signs“ von 2008, das gerade neu aufgelegt wird.
„Tribal Dance“, erklärt sie, „ist ein Phantasietanz, den Amerikanerinnen entwickelt haben; eine Mischung aus Bauchtanz, Flamenco, indischem Tempeltanz, Funkstyle, Breakdance und Hip-Hop.“
Zum Thema Bauchtanz, den man bei ihr auch lernen kann, hat sie übrigens eine klare Meinung: „Die Frauen, die sagen, man müsse dafür einen Bauch haben, schaffen bloß die Diäten nicht.“ Vielleicht sollten die sich dann eher auf „Die Kunst des Räkelns“ (Chair Dance) oder „Verführung auf dem Schoss“ (Lap Dance) verlegen. „Die weiße Schlange“ bietet Workshops an. Aber erst einmal verschwindet Arzo-Carina Renz im Fitness-Studio, nachdem sie den ganzen Tag unterrichtet hat. Die Frau verfügt über unerschöpfliche Energie! (www.serpent-blanc.com)
Autor:Bernhard W. Pleuser aus Essen-Kettwig |
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