Von Rädern und Prothesen
„26 Euro, zum Ersten, zum Zweiten und zum Dritten!“ Der Hammer knallt auf den Tisch, und schon haben gleich vier Armbanduhren einen neuen Besitzer. Der Bürgersaal der Akademie Mont-Cenis ist gut gefüllt, denn es ist Zeit für eine Versteigerung.
Schnäppchenjäger fühlen sich hier pudelwohl. Zwei Mal im Jahr führt die Stadt diese Veranstaltung durch, bei der die Gegenstände unter den Hammer kommen, die im Fundbüro abgegeben wurden und die niemand für sich beansprucht hat.
„Ich bin regelmäßig hier, es gibt immer einige gute Sachen“, lässt Werner Meyer wissen. Einen guten Tipp hat er auch. „Man darf sich nicht zu sehr mitreißen lassen.“ Denn dann bezahlt man viel mehr, als man wollte. „Es finden sich oft Zwei, die sich dann gegenseitig reinsteigern“, weiß auch Auktionator Bernhard Pieper, der sonst als Lebensmittelkontrolleur seine Brötchen verdient.
Diese Aufregung empfindet gerade eine blonde Dame: Für über 60 Euro gehört ihr am Ende eines Bietduells ein Fahrrad mit zwei Einkaufskörben, und sie schlägt lachend die Hände vors Gesicht, als könnte sie selbst kaum glauben, was gerade passiert ist. Das geht schließlich auch billiger, ein anderes Damenrad findet für grade mal einen Euro eine neue Besitzerin.
Neben etwa 50 Drahteseln gibt es Sonnenbrillen, Schmuck, Uhren, eine Digitalkamera und natürlich Handys. Besonderer Beliebtheit erfreuen sich zwei i-phones. Einer der Höchstbietenden hat allerdings Pech. Denn bei dieser Auktion gilt das Motto Nur Bares ist Wahres. Mit seinem Wunsch nach Kartenzahlung kommt er hier nicht weit. Und so freut sich ein anderer über das schicke Telefon.
Ein halbes Jahr werden die Gegenstände im Fundbüro aufbewahrt. Wenn sich dann weder Besitzer noch der Finder melden, wird das Fundstück so unter die Leute gebracht. Warum sich bei manchen Dingen niemand frühzeitig meldet, kann sich auch Bernhard Pieper nicht wirklich erklären. „Vielleicht vergessen es die Leute einfach“, vermutet er. So gelangen eben auch neue Räder und teure i-phones in den Bürgersaal.
Dabei finden sich aber nicht nur Privatleute ein, der eine oder andere Anwesende macht einen recht profihaften Eindruck. Zwei junge Herren ersteigern gleich eine ganze Reihe von Jugendrädern, doch bei ihnen geht es nicht um einen lukrativen Weiterverkauf. „Wir kommen von der Jugendhilfe. Das ist eine gute Gelegenheit, preiswert an Räder für die Kinder zu kommen“, erklären sie zufrieden.
Wer hier etwas erwirbt, kauft übrigens buchstäblich die Katze im Sack. „Wir übernehmen keine Garantie für die Funktionstüchtigkeit“, macht Pieper deutlich. Doch das stört die Anwesenden nicht. Auch ein Fahrrad ohne Sattel findet problemlos seinen Abnehmer. Der Erlös fließt ins Stadtsäckel.
Bernhard Pieper ist seit über 15 Jahren dabei und hat schon so einiges erlebt. Doch manchmal muss er selbst den Kopf schütteln, was so auf diesem Auktionstisch landest. „Das skurrilste war eine Unterschenkelprothese mit anhängendem Schuh“, berichtet er lächelnd. Doch auch ein Ruderboot und ein Spielautomat fanden auf diesem Wege schon neue Besitzer. Mal schauen, was beim nächsten Termin im April 2013 auf die fleißigen Bieter wartet.
Autor:Dirk Marschke aus Herne |
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