Trinken bis zur Besinnlichkeit: Warum geht es nicht ohne Alkohol?

"Meine Definition von Glück? Keine Termine und leicht einen sitzen." Harald Juhnke gilt bis heute als Vorzeigetrinker.
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  • hochgeladen von Jens Steinmann

Wir Menschen und der Alkohol haben eine lange gemeinsame Geschichte. Wenn wir nur wollen, können wir ganz bezaubernde und intelligente Wesen sein: vernünftig, zuvorkommend, sogar friedlich. Und clever natürlich auch, immerhin sind wir wahrscheinlich die intelligentesten Bewohner der Erde. Im Laufe der Jahrtausende haben wir – das kann man wirklich sagen – die Welt untertan gemacht: Wir haben uns das Rad ausgedacht, sind auf den Mond geflogen und haben künstliche Gehirne entwickelt. Wo immer wir uns in der Geschichte umblicken, ist unsere Pfiffigkeit beispiellos. Irgendetwas klappt nicht? – Schon rennt irgendwo auf der Welt ein Mensch los, um es doch noch hinzukriegen. Ja, man könnte meinen, die Menschheit entwickelt sich immer weiter.

Stimmt aber nicht ganz. Dass wir uns in mancherlei Hinsicht überhaupt nicht verändern, merken viele von uns zum Beispiel am Morgen nach der Silvesternacht. Noch bevor auch nur daran zu denken ist, die Augen aufzumachen, zeigt sich das neue Jahr von seiner schlimmsten Seite: Übelkeit, Schwindel, Kopfschmerzen – der gute alte Kater, von dem wir eigentlich gehofft hatten, ihn nie mehr ertragen zu müssen. Aber, könnte man einwenden, wir sind ja lernfähige Menschen. Wir entschlüsseln unser eigenes Genom und haben das deutsche Steuersystem aus dem Nichts erschaffen, da sollten wir uns auch merken können, was Alkohol mit unserem Körper anstellt. Bei vielen klappt das auch, keine Frage. Aber mit Blick auf die Spezies Mensch und ihre Geschichte muss es korrekt heißen: Nein, wir merken uns das nicht, und es interessiert uns auch nicht besonders. Ab und an sind wir einfach daran interessiert, all unsere Cleverness für eine Weile ruhen zu lassen, um uns wahrhaftig zu betrinken.

Alkohol und Mythos

Trinken bis zur Besinnlichkeit hat nämlich nicht nur zu Weihnachten und Silvester, sondern auch in der jüdischen Kultur einen hohen Stellenwert, allerdings nur zum jährlichen Purimfest. Um der Rettung aller in Persien lebenden Juden vor dem blutrünstigen Hofbeamten Haman zu gedenken, sollen Gläubige den Feiertag mit (sehr viel) Alkohol begießen und sich dabei möglichst verkleiden. Fasten und Trauerreden hingegen sind verboten. Und auch in der germanischen Mythologie kommt das feierliche Trinken nicht zu kurz: Wer im Leben besonders tapfer war, dem winkt im jenseitigen Walhall ein amtliches Besäufnis mit Götterfürst Odin persönlich. Und zwar Abend für Abend, bis zum Ende der Welt. Und dann ist da ja auch noch Noah. Nachdem er in Gottes Auftrag etliche Monate auf einem Boot ausgeharrt hat, um seiner Pflicht als Artenschützer gerecht zu werden, findet er schließlich fruchtbares Land, auf dem er sich niederlässt und – na was wohl? – Wein anbaut. Ein leckeres Tröpfchen, mit dem er sich natürlich hemmungslos betrinkt, um sich anschließend in seiner Hütte zu entblößen und seinen Verwandten einen entsprechend peinlichen Anblick zu bereiten. Clever geht anders.

Wir lernen es nicht

Schlimmer noch traf es den armen Schafhirten Polyphem, wie die „Odyssee“ berichtet. Der einäugige Riese sitzt nach getaner Arbeit nichtsahnend am Esstisch und verspeist genüsslich einige unglückliche Reisende, schon serviert der schlitzohrige Odysseus als Absacker ein paar Liter Wein. Es dauert nicht lang, da bekommt der angedröhnte Zyklop die Quittung für seinen Rausch: Der griechische Held und seine verbliebenen Kumpanen blenden ihn mit einer glühenden Eisenstange und verdrücken sich. Ja, wir Menschen betrinken uns gern. Das machen wir seit Jahrtausenden so und es ist momentan nicht abzusehen, dass wir damit bald aufhören werden. Und das ist auch in Ordnung, finde ich. Wenn Sie also an Silvester Angst haben sollten, sich im späteren Verlauf des Abends zu blamieren, denken Sie bitte an Noah und Polyphem: Leute wie Sie und ich, die sich ab und an gern einen großen Schluck genehmigen. – Sicher nicht aus einem Anfall von Cleverness, das ist klar. Aber wie gesagt: Zum Glück müssen wir nicht ständig clever sein.

Autor:

Jens Steinmann aus Herne

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