Nicht ohne meine Miezekatze
„Ich bringe dann mal meine Werkstatt mit in die Redaktion“, kündigt Christine Stassfeld am Telefon an. „Mein Gott“, denkt da der Redakteur, „hoffentlich können wir die in unserem kleinen Raum unterbringen.“ Können wir – der Münzsägerin genügt ein stinknormaler Aktenkoffer.
Als sie dann auftaucht, bleibt der Blick des Betrachters sofort gebannt an einem ungewöhnlichen Schmuck hängen, den sie an einer Kette um den Hals trägt: Ein Fünf-Rupien-Stück aus Sri Lanka, das aus dem Jahr 1957 stammt. Die zahlreichen kleinen Tiere der Münze aus Massiv-Silber sind sauber ausgesägt – eine aufwändige Arbeit, die nur mit hoher Aufmerksamkeit, scharfem Blick und sehr viel Geduld gelingt.
„Eigentlich ist meine Leidenschaft ja die Malerei“, betont die 56-Jährige, „aber durch Zufall habe ich vor sieben Jahren die Münzsägerei für mich entdeckt.“ An diesem Kunsthandwerk reizt sie die „präzise Konzentration“ und „das Entdecken von Kultur und Politik im Kleinen“. Besonders gern macht sich die quirlige Frau über historische, ausgefallene Motive her. Sie liebt „uralte Schätzchen“, das sind schon mal 120 Jahre alte Münzen. Ihre „Rohlinge“ erwirbt sie von seriösen Münzhändlern und Bekannten.
„Es braucht nicht viel zur Münzsägerei“, berichtet sie voller Tatendrang: „Eine gute Hand-Goldschmiedesäge, die ich liebevoll ‚meine Miezekatze’ nenne, Handbohrer, ein halbes Dutzend Mini-Feilen, Poliermittel und eine gute Stirnbandlupe.“ Das dünnste Sägeblatt für die „Miezekatze“ ist gerade mal 0,36 Millimeter „dick“ und hat 28 „Zähnchen“. Die speziellen Mini-Bohrer gibt es ab einem Durchmesser von 0,3 Millimetern. Da ist Feinstarbeit gefragt!
„Ich mach’ überwiegend Kettenanhänger“, beschreibt Christine Stassfeld ihre Arbeit. An Nachschub fehlt es ihr nicht. „Es gibt weit über 1000 Staaten weltweit, die über eigene Münzen verfügen. Da sind Geldstücke aus der Antike, Sonderprägungen, Besatzungsmünzen oder Medaillen noch gar nicht eingerechnet.“
Die Kunsthandwerkerin schätzt vor allem seltene Medaillenmotive und edle Silbermünzen wie etwa den berühmten Maria-Theresia-Taler. Nur eine Handvoll Kollegen in Deutschland hat die Hernerin, und sie ist unter den wenigen wohl die einzige Münzsägerin, die so manches Schmuckstück mit eingearbeiteten Fassungen und feinem Strass zu einem besonderen „Eye-Catcher“ gestaltet, wenn das mit dem Motiv der Münze harmoniert. Inzwischen setzt sie auch echte Swarovski-Steine ein.
Die Arbeitsfläche, die sie benötigt, misst gerade mal einen Quadratmeter. „Dieser Platz genügt mir, um die Welt in Händen zu halten.“ Und die beschert ihr zum Beispiel Geldstücke aus Somalia, Brasilien, Peru, Israel oder China. „Von Australien bis Zypern ist mir schon jede Währung unter die Säge gekommen“, sagt sie lächelnd.
Eine Sorte Münzen mag sie nicht – den Euro, wen wundert’s. Aber das liegt weniger an seinem schwindenden Wert als an seinen Motiven. „Sie sind nicht so ansprechend. Die Darstellungen auf alten Münzen sind vielfältiger, ausgefallener, interessanter und zuweilen auch größer – was den Schmuckstücken besonderen Reiz verleiht.“
Für das Anfertigen eines Münz-Anhängers braucht Christine Stassfeld zwischen drei und 30 Stunden – je nach Motiv und Legierung. Besonders komplizierte Geldstücke können schon mal eine Bearbeitung von mehreren Wochen erforderlich machen. „Natürlich nicht am Stück, denn ich brauche auch Schaffenspausen, wegen der erforderlichen hohen Konzentration.“
Eine einfache, gesägte Schmuckmünze, bietet die 56-Jährige ab 15 Euro an. Ihr derzeit teuerstes Kunstwerk ist ein „filigranes, alt-ägyptisches Stück“, das 89 Euro kostet. Geradezu ein „Schnäppchen“, wenn man den extrem hohen Arbeitsaufwand bedenkt. Wer jetzt auf den Geschmack gekommen ist, kann die Münzsägerin unter 02323/49 07 05 gerne anrufen. Sie verlässt gerade die Redaktion, ihre Werkstatt in der rechten Hand. In einem stinknormalen Aktenkoffer. . .
Autor:Bernhard W. Pleuser aus Essen-Kettwig |
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