„La blanche“ aus Herne: Sarah Görgen verbrachte ein Jahr in Kamerun
„La blanche“ – die Weiße – wurde die Hernerin Sarah Görgen gerufen, wenn sie auf dem Markt in Mbouo unterwegs war. Ein Jahr lang lebte sie im Südwesten Kameruns, leistete dort Freiwilligendienst und war als Deutsche für die Einheimischen etwas Besonderes. Jetzt ist die mittlerweile 21-Jährige zurück und blickt auch auf eine für sie sehr besondere Zeit zurück.
Über die Vereinte Evangelische Mission (VEM) reiste Sarah Görgen nach Kamerun. Zuvor bereitete sie sich bei einem zehntägigen Kurs auf ihren Aufenthalt vor. Auch einen Reiseführer hatte sie geschenkt bekommen. „Aber ansonsten habe ich es voller Freude auf mich zukommen lassen“, erzählt sie.
Die ersten Tage nach der Ankunft waren dann aber doch ein Kulturschock. „Es war alles neu, ich habe die Sprache nicht verstanden, und ich wohnte allein. Das war am Anfang sehr schwer“, erinnert sich Görgen. In dem Kindergarten, in dem sie arbeitete, fühlte sie sich aber sofort gut aufgenommen, und auch mit der Kommunikation mit den Drei- bis Fünfjährigen klappte es. „Sie haben mir ihre Flasche hingehalten, wenn sie Durst hatten. Das konnte ich verstehen.“
Aber natürlich hat Görgen mit der Zeit auch die Landessprache Französisch gelernt. „Es ist ein afrikanisch geprägtes Französisch.“ Verstehen könne sie es nun ziemlich gut, und auch Small Talk beherrsche sie. „Nur Zahlen kann ich nicht so gut. Das war schwierig, wenn ich auf dem Markt handeln musste.“
Übungsblätter von Hand
Im Kindergarten, der eher einer Vorschule ähnelt, gehörte es unter anderem zu Sarah Görgens Aufgaben, auf die Kinder aufzupassen, ihnen beim Toilettengang zu helfen und beim Sportunterricht mitzuhelfen. Außerdem erstellte sie Übungsblätter, um die Kinder beim Lesen- und Rechnenlernen zu unterstützen. „Ich habe mir überlegt, was machen machen könnte. Kreise malen, Buchstaben nachzeichnen“, berichtet Görgen. Die Übungsblätter hat sie selbst von Hand angefertigt – für jedes der 30 Kinder ihrer Gruppe ein eigenes Blatt.
Schwer zu akzeptieren war für sie die Gewalt, die den Kindern zum Teil angetan wird. „Man hatte mir bei der Vorbereitung gesagt, dass es zu Gewalt in Einrichtungen kommen kann“, sagt sie, und tatsächlich hat sie miterlebt, wie Kinder von den Lehrern geohrfeigt wurden. „Ohne dass die Kinder eine Begründung bekamen. Oft störten sie in dem Moment nur, zeigten aber kein Fehlverhalten“, sagt Görgen. „Aber ich konnte es nicht ändern. Ich war keine angestellte Kraft und konnte nicht sagen, dass das bei uns in Deutschland aber anders ist“, so die 21-Jährige. Aber sie hat Wert darauf gelegt, dass die Kinder, wenn sie mit ihr allein waren, eine schöne Zeit verbrachten und nicht geschlagen wurden.
Glauben ausleben
Besonders beeindruckt hat Sarah Görgen, die mittlerweile evangelische Theologie in Wuppertal studiert, wie die Menschen in Kamerun ihren Glauben ausleben. „In Deutschland ist das sehr privat, aber dort betet man zum Beispiel vor einer Autofahrt – dafür, dass man sie überhaupt machen kann, und dafür, dass man heil ankommt.“ Die Region um Mbouo, in der sie lebte, ist christlich geprägt, aber etwa eine Autostunde entfernt bilden Muslime die Mehrheit. „Das funktioniert aber wunderbar“, hat sie festgestellt.
Auch die Regenzeit hat Sarah Görgen miterlebt. Genauer gesagt sind es zwei: die große von August bis etwa Mitte November und die kleine, die im März beginnt. „Ab nachmittags regnet es durch. Wenn man dann zu Fuß unterwegs ist, muss man sich schon mal für zwei, drei Stunden unterstellen.“ Denn entgegen der Gepflogenheiten in Kamerun, wo man ein Sammeltaxi nimmt, wenn man zum Beispiel zum Einkaufen in die Stadt möchte, war Görgen regelmäßig zu Fuß unterwegs.
Ein besonderes Erlebnis war für die Hernerin eine Reise nach Marienberg, einem Ort, wo gerettete Schimpansen aufgezogen werden. „Wir haben geholfen, sie zu füttern, waren im Wald und haben mit ihnen gespielt“, erzählt sie. „Schimpansen sind wunderschöne, sehr intelligente Tiere, aber eben Wildtiere.“
Ihr Aufenthalt in Kamerun hat Sarah Görgen geprägt. „Ich habe viel über mich gelernt“, sagt sie und hat festgestellt, dass sie deutlich konsumkritischer geworden ist. Vor allem die große Auswahl vieler Produkte und den Überfluss in Deutschland empfindet sie zurzeit fast schon als Überforderung.
Zu ihren Kollegen und anderen Freunden, die sie während des Jahres gefunden hat, hält die Hernerin per Facebook und Whatsapp Kontakt. „Am angenehmsten sind Sprachnachrichten“, verrät sie. Denn nun kann sie zwar Französisch verstehen und sprechen, aber schreiben kann sie es nicht wirklich.
Autor:Vera Demuth aus Bochum |
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