Die blondsüße Katja will mich nicht

Zehn Minuten Zeit gibt Rona (Mitte) fürs erste Kennenlernen. Foto/Montage: Erler
  • Zehn Minuten Zeit gibt Rona (Mitte) fürs erste Kennenlernen. Foto/Montage: Erler
  • hochgeladen von Bernhard W. Pleuser

Katja ist die blonde, erfahrene Kindfrau, die alle wollen – ich auch! Karina symbolisiert eher den Antitypus. Katrin ist sensibel, offen und lebensklug. Karola hat rote Haare, unendlich geschwungene Wimpern und einen kuscheligen Blick. Sie haben es erraten: Wir wollen allesamt beim Speed-Dating einen Partner finden.
Die Gaststätte „Wilhelmshöhe“ in Wanne-Eickel ist für alles offen, auch für uns. Rona, eine total nette, leider schon verheiratete Frau, hat die spezielle Form des Kennenlernens nach Herne gebracht. Ich fühle mich wie ein Teilnehmer aus „Shoppen“. Das ist ein Spielfilm von Ralf Westhoff, in dem 18 paarungswillige Großstadtsingles beim Speed-Dating einen passenden Partner anpeilen. Genau fünf Minuten haben sie jeweils Zeit, ihr Gegenüber sprachlich abzutasten und sich selbst möglichst wenig zu blamieren.
Wir haben zehn Minuten Zeit. Aber wir sind ja auch nur neun: Vier Frauen, fünf Männer. Zwischen Mitte 40 und Ende 50. Keine Frischlinge also. Ein Mann muss pro Runde jeweils pausieren und mit Organisatorin Rona flirten. Das macht Spaß, denn sie kann einem ja nichts tun!
Katja, die in der Chirurgie arbeitet, erzählt mir von ihrer schwierigen und teuren Scheidung. Sie meint, dass Frauen sich nicht auf Männer verlassen dürfen und unbedingt selbstständig sein müssen. Das vermittle sie auch ihren Töchtern. Sie ist so herzlich, offen, sympathisch und super-hübsch, dass ich mir nicht erklären kann, warum Männer ihr nicht schon längst die Tür einrennen.
Karola ist Betreuerin einer Behinderten-Wohngruppe, arbeitet auch nachts und hat natürlich wenig Zeit, einen Mann zu treffen. Sie kann unheimlich lieb gucken. Ich fühle mich ein bisschen mies, weil ich sie ausfrage, ihr aber nicht die Chance gebe, das umgekehrt auch zu tun. Ist halt mein Job, schwer dagegen anzukommen. Wir sprechen über das Verstreuen von Toten-Asche in verschiedenen europäischen Ländern. Ich ziehe eine Seebestattung vor.
Katrin scheint in sich selbst zu ruhen; sie ist Erzieherin mit Idealen, pflegt ein äußerst intensives Verhältnis zu ihren drei (erwachsenen) Kindern, was ich sehr bewundere. Eigentlich, finde ich, braucht sie keinen Mann. Aber ich bin ja einer und deswegen insensibel. Sie sagt: „Wenn man nichts verändern will, hat man sich schon aufgegeben.“ Ich hadere mit mir, weil ich nach der Arbeit so oft Fernsehen schaue und mir dabei nix fehlt.
Karina ist für mich ein harter Brocken. Sie kümmert sich ebenfalls um eine (andere) Behinderten-Wohngruppe und will mich auch dann treffen, wenn ich sie nicht treffen möchte. Um mir heiße Informationen zu liefern. Schließlich kennt sie meinen Beruf. Sie spricht andeutungsweise über ihre bevorstehende Schönheits-OP. Ich weiß nicht so recht, in welche Ecke des Gastraumes ich mich verkriechen könnte. Ich schaue den einäugigen Hund unter dem Tisch gegenüber an. Der übersieht mich.
Nach einer guten Stunde fahren alle nach Hause. Per Internet erfahren wir später, wer das „Ja“ auf einem vorbereiteten Kärtchen angekreuzt hat. Zwei Frauen wollen mich kennenlernen, die blondsüße Katja natürlich nicht. Ich bin knatschig und schiebe „Shoppen“ in den DVD-Schacht. Ist immer schön zu sehen, wie die anderen scheitern. Ich möchte die Liebe meines Lebens nicht suchen; ich warte, bis sie mich findet. Und wenn nicht, gehe ich halt lecker essen.
Wer aber des Wartens müde ist, der findet auf www.suchmenschine.de alle Hinweise, die nötig sind, um die Liebe des Lebens zu locken. Nächster Termin ist Dienstag, 10. Mai, um 18.30 Uhr im „Querschlag“. Vor allem 36- bis 46-Jährige sind dann willkommen.

Autor:

Bernhard W. Pleuser aus Essen-Kettwig

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

Folgen Sie diesem Profil als Erste/r

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.