Zunehmende Gewalt nimmt Schiedsrichtern die Freude am Fußball
Sie sind für ein Fußballspiel unverzichtbar und werden doch ganz schnell zu Buhmännern: die Schiedsrichter. Doch immer häufiger bleibt es nicht nur beim kurzen Ärger über eine strittige Entscheidung. Üble Beschimpfungen, Drohungen und sogar körperliche Attacken sind vermehrt an der Tagesordnung.
„Das Problem ist akut“, macht David Hennig klar. Er ist Lehrwart im Kreisschiedsrichterausschuss des Fußballkreises Herne und dort auch für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig und seit über zehn Jahren selbst an der Pfeife aktiv.
Lange Zeit sei die Situation hinsichtlich der Gewalt gegen die Spielleiter im Vergleich zu anderen Fußballkreisen deutlich besser gewesen: „Am Ende der letzten Saison wurde es aber schlimmer. Und dies setzt sich in dieser Spielzeit unvermindert fort.“ Allein in der letzten Woche habe es drei Spruchkammersitzungen wegen Beleidigung und Bedrohung gegeben. Auch gebe es praktisch jede Woche Spielabbrüche.
Androhung von Schlägen
So erinnert sich Hennig an ein B-Jugendspiel, bei dem ein Vater wutentbrannt aufs Spielfeld stürmte. „Er drohte dem Schiedsrichter, wenn er ihn noch einmal sehe, würde er ihm aufs Maul hauen. Das ist noch die freundliche Formulierung“, so Hennig. Das Spiel wurde abgebrochen.
In einem anderen Fall wurde der Schiedsrichter bei einem Kreisliga-C-Spiel sogar geschlagen. Es wurde die Polizei gerufen, der entsprechende Spieler muss nun eine zweijährige Sperre absitzen.
Auch komme es vor, dass sich Schiedsrichter nach der Partie erst einmal in die Kabine flüchten müssen. „Da sind schon Autoreifen gegen die Kabinentür geflogen“, weiß Hennig. Auffällig sei, dass auch im Jugendbereich die Hemmschwelle sinkt: „Schon 13- oder 14-jährige beleidigen unter der Gürtellinie und schalten den Verstand komplett ab“, betont Hennig.
Fehlende Disziplin
Woher diese Entwicklung rührt, kann aber auch der Experte sich nicht erkären. Im Jugendbereich sei die Pubertät sicherlich ein Faktor. Doch die steigende Gewaltbereitschaft sei besorgniserregend. „Vielleicht fehlt da einfach die Disziplin.“ Insbesondere wenn sie von Eltern und Trainern nicht vorgelebt wird. Doch nach Hennigs Ansicht sollte bei diesen ebenso wie bei den Spielern im Seniorenbereich mehr Selbstbeherrschung möglich sein.
Bemerkenswert sei dabei, dass die Zahl der Vorfälle steigt, je niedriger die Spielklasse ist. Dabei „geht es doch gerade bei der Kreisliga C eigentlich um nichts. Hier sollte der Spaß im Vordergrund stehen“. Zudem seien sich die Vereinsvertreter nach unerfreulichen Vorfällen zumeist keiner Schuld bewusst. „Der Umgangston ist schärfer geworden“, berichtet Hennig.
Fehler streng verboten
Seiner Meinung nach fehlt der Respekt vor den Referees. „Wenn ein Spieler einen Ball aus fünf Metern über das leere Tor schießt, bekommt er einen Schulterklopfer. Macht ein Schiedsrichter nach einer bis dahin guten Leistung einen vielleicht entscheidenden Fehler, ist er der Buhmann“, kritisiert Hennig. Dabei passierten Fehler natürlich nicht absichtlich, „aber wir sind auch nur Menschen“.
Die Folge: Viele legen die Pfeife aus der Hand. „Insgesamt haben wir 148 Schiedsrichter, es waren aber einmal mehr als 200. Einige, die aufhören, sagen, dass sie lieber selbst spielen als sich ständig beleidigen zu lassen“, weiß Hennig.
Bei 160 Spielen pro Wochenende können so nicht überall Referees vor Ort sein. Und daher schadet die Situation auch den Vereinen selbst.
Autor:Dirk Marschke aus Herne |
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