EvK Herne
Chirurgischer Direktor wird zum spontanen Katastrophenhelfer

Die Eindrücke sind noch frisch, das Geschehene deutlich präsent. Seit 18. September ist Prof. Dr. Braumann, Chirurgischer Direktor der Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Tumorchirurgie am Evangelischen Krankenhaus Herne, wieder im Dienst. Sein erster Arbeitstag nach seinem Sommerurlaub in Marrakesch. Doch es war kein Urlaub wie jeder andere, denn am 8. September um 23.11 Uhr begann das schwerste Erdbeben seit Aufzeichnung in dieser Region - und aus dem Tourist wurde ein Helfer.

Zunächst verlief die Reise für Prof. Dr. Chris Braumann und seine Lebensgefährtin Dr. Sina Vogel aus dem Katholischen Klinikum Bochum ganz nach Plan. Sie hatten das Kinderprojekt „Afous Rofous“ im Atlasgebirge des Landes besucht, wo sie seit 2015 ihr Patenkind Naima unterstützen. Noch ganz erfüllt von der Begegnung mit der inzwischen 19 Jahre alten Naima und ihrem Wiedersehen mit den Gründern des Projekts, dem Dortmunder Ehepaar Helga und Jürgen Münstermann, kehrten Prof. Braumann und Dr. Vogel in ihr Riad in der Altstadt von Marrakesch zurück.

Doch dann begann um 23.11 Uhr das schwerste Erdbeben in der Region seit Aufzeichnung. Als draußen das Nachbarhaus einstürzte, die Zimmerwände bebten, gab es für das Paar nur eins: die schnelle Flucht nach draußen ins Freie. Barfuß liefen sie durch den Schutt, der von allen Seiten von den Häusern herunterbrach. „Das Problem in der Altstadt ist, dass das Mauerwerk der Häuser bei solch einem Beben wie Mehl zerbröselt und die Gesteinsbrocken mit aller Wucht herabstürzen. Die Schreie der Menschen waren grauenhaft“, erinnert sich Prof. Braumann.

Doch er und seine Lebensgefährtin hatten Glück. Nachdem sie durch die engen Gassen geirrt waren, kämpften sie sich bis zu einem Park vor, wo sie mit Hunderten anderer Menschen im Freien die restliche Nacht verbrachten. Nach dem ersten Aufatmen galt Prof. Braumanns erste Sorge seinem Patenkind und den anderen 42 Kindern von „Afous Rofous“. Doch auch von dort erhielt er die befreiende Nachricht: alle Kinder der Projekts im Dorf El Kharoua im Atlasgebirge hatten das Erdbeben überstanden.

„Nachdem diese schlimme Nacht für uns persönlich so glimpflich ausgegangen war, wir aber sahen, wie viel Zerstörung um uns herum war und wie viele Menschen zu Schaden gekommen sind, stand für meine Lebenspartnerin und mich, beide Chirurgen, fest, dass wir unsere Hilfe anbieten wollten“, berichtet Prof. Braumann. Nach dem Zufallsprinzip gelangte das Paar dann zur Clinique Internationale von Marrakesch und meldete sich dort zum Einsatz. In Shorts stellten sie sich in der Notaufnahme vor und trafen erst einmal auf Irritation. Doch Hilfe tat not und nach den ersten Handgriffen, einem Blick auf die Internetseiten der Heimatkliniken der beiden deutschen Chirurgen in Herne, Gelsenkirchen und Bochum war die Basis gelegt für einen 10-stündigen OP-Einsatz in der Clinique Internationale.

„Gesteinstrümmer haben eine unglaubliche Wucht und führen zu schlimmsten Verletzungen. Wir haben Patienten gesehen, deren Oberschenkelknochen durch Gebäudeteile oder Eisenbewehrungen wie von einem Beil durchtrennt waren“, schildert der Chirurgische Direktor des EvK Herne. Mit der Dauer der Zusammenarbeit im OP wuchs zwischen marokkanischem Ärzteteam und den Helfern aus Deutschland die Sympathie und die gegenseitige Achtung. „Ich war zutiefst beeindruckt von der hohen Professionalität und Nervenstärke der Kollegen“, lobt Prof. Braumann, der als Mediziner durch einen früheren Hilfseinsatz in Afghanistan bereits mit Katastrophensituationen konfrontiert worden ist.

Der Abschied von der Clinique Internationale fiel herzlich aus. Man trennte sich mit der gegenseitigen Zusicherung, aus der schicksalshaften Begegnung eine freundschaftliche Zusammenarbeit der beiden Kliniken entstehen zu lassen.

Zurück im sicheren Deutschland gelten Prof. Dr. Chris Braumanns Gedanken jedoch weiter seinem Kinderprojekt im Atlasgebirge (www.afousrofous.org). Das Dorf El Kharoua ist zerstört, Unterstützung beim Aufbau dringend notwendig. Wer die Bevölkerung unterstützen möchte, kann dies durch eine Spende an den gemeinnützigen Verein „Helft dem Atlas e.V.“, Konto IBAN DE93 4405 0199 0911 001500, Sparkasse Dortmund. Wer Spendernamen und Adresse ausfüllt, erhält automatisch eine Spendenquittung.

Autor:

Ev. Krankenhausgemeinschaft aus Herne

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