Generalstreik gegen Kapp-Lüttwitz-Putsch 1920
Gedenkstunde des DGB in Herne

Das Bild zeigt eine Postkarte nach historischen Motiven und Streikaufrufen der Gewerkschaften 1920. | Foto: Walter Wandtke
  • Das Bild zeigt eine Postkarte nach historischen Motiven und Streikaufrufen der Gewerkschaften 1920.
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Auch in diesem Jahr erinnern die Herner Gewerkschaften an den Generalstreik gegen den Kapp-Putsch, der im Frühjahr 1920 zur Märzrevolution anschwoll und im Ruhrgebiet an die 1000 Opfer forderte. Darunter befanden sich zahlreiche Arbeiter und Gewerkschafter aus Herne und Wanne-Eickel. Vier von ihnen sind auf dem Wiescherfriedhof in Herne beigesetzt.

Am Samstag, 26. März, 10.30 Uhr, findet eine Mahn- und Gedenkstunde am Gräberfeld der Märzgefallenen statt. Treffpunkt ist der Haupteingang des Südfriedhofs, Wiescherstraße. Es sprechen Peter Holtgreve, DGB-Vorsitzender Herne, Prof. Gregor Büchel, DGB-Geschichtswerkstatt Herne, die Musik übernimmt Schwarz/Rot Atemgold 09.

Der Krieg ist für die Reichen, das Volk bezahlt mit Leichen, so eine Volksweisheit aus dem 1. Weltkrieg. Und so liegen neben unbekannten Opfern auch solche mit Namen: Gustav Sotter, 19 Jahre, Gustav Breuning, 19 Jahre, Rochus Steinert, 35 Jahre, und Franz Winkel, Alter unbekannt, sind ebenso in das Gedenken eingebunden wie Wilhelmine Pornoska und Joseph Bischoff aus Wanne-Eickel.

Mahnstätte auf Südfriedhof

An der Grabstelle der vier ermordeten Herner auf dem Südfriedhof, wurde am 1. Mai 1921 unter großer Anteilnahme der Bevölkerung, von den Gewerkschaften eine Mahn- und Gedenkstätte für die Opfer der Märzrevolution eingeweiht. Der Generalstreik von 1920, der mit ungeheurer Wucht gegen den Militärputsch einsetzte ist wie die Novemberrevolution von 1918 ein geschichtlicher Ankerpunkt in der demokratischen Tradition des Landes. Daran zu erinnern und Schlüsse aus den historischen Lehren zu ziehen ist hochaktuell.

In Deutschland und Europa sind die Menschen mit einer besorgniserregenden Rechtsentwicklung konfrontiert, so der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) in einer Presseerklärung. 77 Jahre nach der Befreiung von Faschismus und Weltkrieg erheben Nationalismus und Rassismus wieder ihr Haupt. Der Rechtsextremismus ist in allen Parlamenten vertreten. 23 Jahre nach dem Überfall von NATO-Staaten auf Jugoslawien hat die russische Föderation die Ukraine mit einem Angriffskrieg überzogen und wieder vor Augen geführt, dass auch in Europa der Frieden keine Selbstverständlichkeit ist. Deutschland und die NATO antworten mit gigantischen Hochrüstungsprogrammen.

Verschleiert von wachsender Kriegsrhetorik geht es den Oligarchen und Rüstungsmagnaten in Ost und West um Ausweitung ihrer Einflusssphären, um Rohstoffe, Bodenschätze, Absatzmärkte und Profit. Diplomatie und Völkerverständigung scheinen abgemeldet, ein alles vernichtender Weltkrieg wieder denkbar. Eingedenk der eigenen, opferreichen Geschichte will sich der DGB dem "braunen Spuk und den Kriegstreibern unserer Tage aktiv entgegen" stellen: Zukunft geht nur nach vorn, wenn die Vergangenheit verstanden wird.

Zum historischen Hintergrund: Am 13. März 1920 putschten unter Führung des preußischen Oberregierungsrats Kapp und des Generals von Lüttwitz die Reichswehr und marodierende Freikorpseinheiten in Berlin gegen die Ergebnisse der Novemberrevolution (1918/19) und die junge Weimarer Republik. Die Reichsregierung unter Friedrich Ebert (SPD) flüchtete zunächst nach Dresden und dann nach Stuttgart. Gewerkschaften, SPD, USPD und KPD riefen zur Verteidigung der Republik und der ersten parlamentarischen Demokratie in der deutschen Geschichte zum General-streik auf. Bei der größten Volkserhebung seit dem Bauernkrieg befanden sich ab 15.März 1920 über zwölf Millionen Arbeiter, Angestellte und Beamte im Streik.

Rote Ruhrarmee

Auch in Herne und Wanne-Eickel drehte sich kein Förderrad der Zechen mehr, alle Betriebe und Verwaltungen standen hier, wie im übrigen Ruhrgebiet still. In beiden Gemeinden bildeten sich provisorische Arbeiterräte und Aktionsausschüsse, die die Kommunalverwaltung übernahmen und die in weitgehend monarchistische Polizei ihrem Kommando unterstellten.

Bewaffnete Arbeiterwehren wurden aufgestellt. In vielen Teilen Deutschlands, besonders aber hier im Industrierevier, wo sich eine 100.000-Mann-starke Rote Ruhrarmee gebildet hatte, lieferten sich die Arbeiter mit der äußerst brutal vorgehenden Soldateska zum Teil erbitterte, bewaffnete Kämpfe. Zunächst war der Generalstreik erfolgreich, die Reichswehr- und Freikorpseinheiten wurden zurückgeschlagen oder zur Kapitulation gezwungen. Der Putsch wurde vereitelt und die Republik gerettet.

Es ging der Streikbewegung aber nicht nur um die Abwehr des Putsches sondern auch um die in der Novemberrevolution verfehlte, konsequente Sozialisierung von Wirtschaft und Gesellschaft. Gegen diese Bestrebungen wurden nunmehr von der gerade geretteten Regierung, Reichswehr und Freikorpseinheiten (darunter Teile der Putschtruppen) in Marsch gesetzt. Das Militär nahm in den folgenden Tagen und Wochen blutige Rache an den kämpfenden Arbeitern.

Am 3. April 1920 besetzte die Reichswehr unter Führung des General von Watter zunächst Wanne, Röhlinghausen, Eickel und schließlich die Stadt Herne. Der wütende, opferreiche Terror verrohter Militaristen überzog die Arbeiterviertel der Stadt und des gesamten Reviers. Jene großen Hoffnungen, die in der Novemberrevolution 1918/19 die Massen beflügelten und in der Märzrevolution 1920 noch einmal aufschienen, wurden in Blut und Terror erstickt, die Täter nie zur Rechenschaft gezogen.

Autor:

Lokalkompass Herne aus Herne

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