Ganz miese Noten für Herne - vor allem bei der Umwelt
Herne erreicht beim Nachhaltigkeits-Ranking der WirtschaftsWoche Platz 47 und gehört damit zu den zehn Städten mit der schlechtesten Nachhaltigkeitsleistung Deutschlands. Erstmals sind die 50 größten Städte Deutschlands auf ihre Nachhaltigkeit mit einem ganzheitlichen Ansatz anhand von 56 nicht nur ökologischen, sondern auch sozial-ökonomischen Einzelkriterien für den WirtschaftsWoche Sustainable City Indikator (WWSCI) wissenschaftlich untersucht worden.
Herne schafft es in keiner der sechs zentralen Nachhaltigkeitskategorien (Umwelt, Humankapital, Soziales, Wirtschaftskraft, Energie und Verkehr sowie Transparenz und Engagement), einen Platz unter den besten zehn Städten zu belegen.
In dem vom Wirtschaftsmagazin WirtschaftsWoche in Zusammenarbeit mit den Forschern des Instituts für Weltwirtschaft, von Kiel Economics und der Christian Albrechts Universität zu Kiel entwickelten und von Veolia Umweltservice unterstützten Nachhaltigkeits-Städteranking schneidet die Stadt mit ihren 165.000 Einwohnern noch am besten in der Kategorie Energie und Verkehr ab: Platz 37. Einem guten Mittelfeldplatz im Teilbereich Verkehr (24) steht ein schwacher Platz 41 im Teilbereich Energie gegenüber. Beispielsweise liegt in Herne die installierte Fläche für Solarthermie mit 961 m2 pro 100.000 Einwohner weit unter dem Durchschnittswert von 2.802 m2.
Den verhältnismäßig guten Platz im Teilbereich Verkehr verdankt Herne seiner leicht unterdurchschnittlichen Pkw-Dichte (42,7 Autos je 100 Einwohner im Vergleich zu 44,5 Pkw im Durchschnitt) sowie dem sehr guten Radwegenetz.
In der Kategorie Soziales (Demografie, Sicherheit sowie Gesundheit, Erholung und Gemeinwesen) rangiert Herne nur auf Rang 44. Einem Mittelfeldplatz im Teilbereich Sicherheit (Platz 24) stehen schlechte Bewertungen in dem Teilbereich Gesundheit, Erholung und Gemeinwesen gegenüber (Rang 46). Sehr schlecht ist die Ärzteversorgung: Statistisch muss sich jeder Arzt in der Stadt um 727 Einwohner kümmern – das sind 50 Prozent mehr als im Durchschnitt (479 Einwohner). Die Zahl der Krankenhausbetten ist dagegen mit 97 pro 10.000 Bürger höher als der Durchschnitt (89 Betten).
Die Bürger von Herne können sich so sicher fühlen wie der Durchschnitt der 50 größten deutschen Städte: So liegt etwa die Zahl der begangenen Strafdelikte mit 10.565 jährlich pro 100.000 Einwohner im Schnitt aller 50 untersuchten Städte (10.509 Straftaten). Allerdings werden in Herne mit 58,5 % mehr Straftaten aufgeklärt als im Durchschnitt (54,9 %).
Herne erreicht in der Kategorie Humankapital (Beschäftigungsmöglichkeiten, Bildung und Kinderbetreuung) nur Platz 47. Bei den Beschäftigungsmöglichkeiten steht die Stadt abgeschlagen auf Rang 48: Die Arbeitslosenquote gehört mit 13,2 % (Durchschnittsquote: 10,0 %) zu den höchsten der untersuchten Städten wie auch die Jugendarbeitslosenquote mit 12,5 % (Durchschnittswert: 8,8 %). Im Bereich Bildung schneidet die Stadt mit Platz 46 nur unwesentlich besser ab. So beheimatet die Stadt beispielsweise keine Spitzenforschungsinstitute und die Zahl der Studierenden ist bezogen auf die Einwohnerzahl der Stadt vernachlässigbar niedrig.
Bei der Wirtschaftskraft (Wirtschaftsleistung, öffentliche Finanzen und Innovationsfähigkeit) erreicht die Stadt Platz 47. Dafür ist neben einer geringen Innovationsfähigkeit (Platz 47) nicht zuletzt die geringe Wirtschaftsleistung (Platz 44) verantwortlich: Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) in Höhe von 19.998 Euro pro Kopf (Durchschnittswert: 36.951 Euro) ist sogar das niedrigste aller untersuchten Städte, das verfügbare Einkommen je Einwohner beträgt 16.351 Euro (Durchschnitt: 18.498 Euro). Im Bereich Innovationsfähigkeit erreicht die Stadt den drittletzten Platz im Nachhaltigkeits-Ranking. Auf 10.000 Bewohner kommen in Herne gerade einmal 68,4 Gewerbeneugründungen (Durchschnittswert: 102,5) und auch der Anteil der Beschäftigten in Forschung und Entwicklung sowie in kreativen Branchen liegt deutlich unter dem Durchschnitt.
Im Bereich der öffentlichen Finanzen rangiert Herne dagegen auf einem Mittelfeldplatz (20): Die Stadt ist zwar nur mit 1.125 Euro pro Bürger verschuldet (Durchschnittswert: 1.886 Euro), das Steueraufkommen ist mit 438 Euro pro Einwohner und Jahr aber relativ niedrig (Durchschnittswert: 659 Euro).
Die schlechteste Platzierung im Ranking erreicht die Stadt in der Kategorie Umwelt (Luftqualität, Flächennutzung und Abfallmanagement) mit Position 48. Im Teilbereich Luftqualität rangiert die Stadt im unteren Drittel (Platz 38). Die Feinstaubbelastung liegt beispielsweise an 33 Tagen im Jahr über dem Grenzwert (Durchschnittswert aller 50 untersuchten Großstädte: 21 Tage). Im Abfallmanagement erreicht die Stadt im Ranking nur Platz 44: Ursache ist die niedrige Recyclingquote von 35,9 %, die deutlich unter dem Durchschnittswert der 50 größten deutschen Städte (46,5 %) liegt. Auch die Flächennutzung ist die zweitschlechteste unter den untersuchten Städten.
„Herne hat die vergleichsweise größten Defizite im Bereich Umwelt. Vor allem die Luftqualität und die Recyclingquote fallen gegenüber den meisten anderen Städten ab. Könnten die drei Luftqualitätsindikatoren Feinstaub-, Ozon- und Stickstoffdioxidbelastung um jeweils 20 % verbessert werden und die Recyclingquote vom derzeitigen Wert auf den Best-Practice-Wert der untersuchten Städte, die 69,3 % in Oldenburg, gesteigert werden, würde Herne im Gesamtranking um vier Plätze auf Rang 43 vorrücken“, heißt es in der Untersuchung.
Der WirtschaftsWoche Sustainable City Indikator zeigt, wie nachhaltig die 50 größten deutschen Städte bereits heute sind und wie sie ihre Nachhaltigkeit gezielt verbessern können.
Autor:Bernhard W. Pleuser aus Essen-Kettwig |
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