Thüringen-Wahl
Frage der Woche: Was müssen die demokratischen Parteien aus Thüringen lernen?
Noch immer sind die Nachwirkungen der Wahl vom Mittwoch in Thüringen nicht vollständig abzusehen. Der mit Stimmen der AfD gewählte FDP-Ministerpräsident Thomas Kemmerich stand direkt nach der Wahl heftig in der Kritik. Jetzt will er sein Amt wieder abgeben, doch nicht so schnell, wie manche gedacht haben.
Gewählt im dritten Wahlgang – und das mit nur einer einzigen Stimme mehr als sein Kontrahent Bodo Ramelow (Die Linke). Der Wahlsieg von Thomas Kemmerich ist seit Mittwoch Gesprächsthema in ganz Deutschland. Es gab spontane Demonstrationen mit mehreren Hundert Menschen, Rücktrittsforderungen, Schimpftiraden von prominenten PolitikerInnen aus nahezu allen Parteien, auch Neuwahlen wurden gefordert. Die Sorge: Das demokratische Parlament habe die Brandmauern gegen die extreme Rechte nicht verteidigen können. Manche verglichen Kemmerich gar mit Reichspräsident von Hindenburg.
Was war geschehen?
Die Wahl des Ministerpräsidenten war in die dritte Runde gegangen. Zur Wahl standen der bisherige Amtsinhaber Bodo Ramelow (Die Linke), Thomas Kemmerich (FDP) und Christoph Kindervater (AfD). In einem taktischen Manöver ließ die AfD-Fraktion unter Björn Höcke den eigenen Kandidaten fallen, er bekam keine einzige Stimme. Stattdessen stimmte die AfD geschlossen für Kemmerich, der als scheinbar aussichtsloser Kandidat der FDP nun plötzlich als Wahlsieger da stand. Die FDP war bei der Landtagswahl nur mit knappestmöglichen 5% in den Landtag eingezogen und bildet mit den Grünen die kleinste Fraktion im Landtag. Damit ist Kemmerich der erste Ministerpräsident, der mit Hilfe von Stimmen der AfD ins Amt gelangte. Das sorgte bundesweit für Aufsehen und harsche Kritik.
Auswahl der Reaktionen am Mittwoch (Wahltag):
Linke-Fraktionschefin Susanne Hennig-Wellsow drückte ihren Unmut mit einer deutlichen Geste aus:
Annalena Baerbock, Bundesvorsitzende der Grünen, forderte direkt nach der Wahl den Rücktritt Kemmerichs:
FDP-Vize Wolfgang Kubicki hingegen hatte zunächst der dpa gesagt: „Es ist ein großartiger Erfolg für Thomas Kemmerich. Ein Kandidat der demokratischen Mitte hat gesiegt“. Aus seiner eigenen Partei gab es aber auch am Mittwoch schon viel Kritik an Kemmerichs Entscheidung, die Wahl anzunehmen. Am Donnerstag allerdings schon würde Kubicki seine Meinung grundlegend geändert und für den Rücktritt Kemmerichs geworben haben.
CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak wandte sich gegen den Landesverband der Union: Eine Zusammenarbeit mit der AfD sei kategorisch auszuschließen.
AKK:
Folgen der Wahl
In der Folge des Wahltags reiste FDP-Chef Christian Lindner am Donnerstag als erster Spitzenvertreter einer Bundespartei zu Gesprächen nach Erfurt. Er bewegte Kemmerich dazu sein Amt wieder niederzulegen. Eine entsprechende Absichtserklärung gab Kemmerich am gleichen Tag ab. Noch (Stand: Freitag, 19 Uhr) ist er allerdings im Amt. Am Donnerstag meldete sich erstmals auch die Kanzlerin zum Wahlergebnis. Merkel, die sich gerade auf Staatsbesuch in Südafrika befand, sagte, der Vorgang sei "unverzeilich" und müsse rückgängig gemacht werden.
Dass es im Vorfeld des dritten Wahlgangs Absprachen unter den beteiligten Fraktionen gegeben hatte, ist wahrscheinlich. Auch Christian Lindner soll im Vorfeld davon gewusst haben. Der CDU-Fraktionschef im Thüringer Landtag, Mike Mohring, gab in der Folge sein Amt auf. "Die CDU-Fraktion hat sich auf Neuwahlen zum Fraktionsvorstand mit neuen Personen Ende Mai verständigt", teilte er am Donnerstag mit. Lindner ließ sich von der FDP-Spitze im Amt bestätigen.
Aber die große Frage ist nicht einmal, wie es jetzt weiter geht (auch wenn ich hier gern Vermutungen lesen möchte), sondern: Was müssen die demokratischen Parteien aus diesem Debakel lernen? Was können wir daraus über politisches Kalkül und moralische Fragen in der Politik lernen? Was wären für unsere Demokratie die besten Schlüsse für die Zukunft? Ich bin sehr gespannt auf eure Kommentare. Bitte fühlt euch eingeladen, den aktuellen Verlauf der Ereignisse in den Kommentaren zu dokumentieren.
Autor:Jens Steinmann aus Herne |
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