Hanau
Frage der Woche: Was können wir für die Opfer von Rassismus tun?

Solidaritätsdemo nach den rassistischen Morden von Hanau in Dortmund. | Foto: Antje Geiß
  • Solidaritätsdemo nach den rassistischen Morden von Hanau in Dortmund.
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Hanau – das war kein "Angriff auf uns alle", auch wenn man das dieser Tage immer wieder liest. Die Tat war ein rassistischer Angriff. Rassismus richtet sich aber nicht gegen "uns alle". Aber wir alle sind gefordert, um die von Rassismus Betroffenen zu schützen. Wie machen wir das am besten?

Zu allererst: Hier soll es nicht um den Täter gehen. Es ist richtig, dass die Ermittlungen um seine Person, sein Krankheitsbild, seine Radikalisierung vorangehen. Das ist zunächst die Aufgabe der Polizei und in der Folge auch des Journalismus. Aber jetzt ist die Zeit für Trauer und Solidarität. Seit Donnerstag finden in deutschen Städten Mahnwachen und Demonstationen statt, viele Menschen möchten sich mit den Ermordeten und ihren Familien solidarisieren. Die Familien mancher Getöteten haben den Wunsch danach geäußert. Gleichzeitig warnen diskriminierungskritische Verbände davor, dass Mahnwachen und Lichterketten allein nicht genügen.

Wir müssen über Rassismus reden

Rassismus beschränkt sich nicht auf einzelne Extremisten mit Mordabsicht. Er steckt auch nicht nur in unseren Köpfen, sondern auch in den Strukturen unserer Gesellschaft. Man spricht in diesem Zusammenhang von institutionalisiertem Rassismus. Das ist der Grund dafür, dass etwa Schwarze Menschen in den USA fünfmal öfter durch die (mehrheitlich weiße) Polizei erschossen werden als weiße. Oder dass Herr Yildiz eher bei einer Bewerbung (Wohnung, Job etc.) abgelehnt wird als Herr Schmidt. Und auch dafür, dass manche junge Männer nicht in den Club gelassen werden. Das ist natürlich nur die Spitze des Eisbergs.

Rassismus erkennen

Rassismus ist eine Ideologie, die während der Kolonialzeit erfunden wurde (→Die Entstehung des Rassismus). Sie wirkt im Großen und im Kleinen. Rassismus trifft Menschen, die hier ein neues Leben anfangen, aber auch deren Kinder und Kindeskinder, Ausländer und Deutsche gleichermaßen. Wie sehr Rassismus das Leben von Betroffenen beeinflusst – das bekommen Angehörige der Mehrheitsgesellschaft oftmals gar nicht mit. Kein Wunder: Sie müssen sich nicht damit beschäftigen, wenn sie keine Lust haben. Viele Menschen in Deutschland haben diese Wahl nicht. Sie müssen Strategien zur Bewältigung entwickeln, brauchen sichere Rückzugsorte.

Frage der Woche: In dieser Woche möchte ich mit euch darüber sprechen, was wir für Menschen mit Rassismuserfahrungen tun können. Mit "wir" meine ich uns alle, egal ob wir schon einmal Rassismus erfahren haben oder nicht.

Hier ein erster Vorschlag, was wir tun sollten:
Zuhören. Das klingt viel einfacher als es ist. Hat euch schon einmal jemand gesagt: Das war aber rassistisch, was du da gesagt hast? Mir schon. Das war hart für mich. Ich, ein Rassist? Niemals. Ich hörte die Ärzte, seit ich 15 war (→Schrei nach Liebe)  Rassismus ist schlecht, das lernt doch jedes Kind schon in der Schule.
Das stimmt zwar auch, ist aber nicht die ganze Wahrheit. Denn neben der Gewissheit "Alle sind gleich viel wert", lernte täglich auch das Gegenteil: Frauen mit Kopftuch arbeiten nicht bei der Bank oder als Polizistinnen. Putzen, ja – mitentscheiden, nein. Es gibt nur einen Stift für "Hautfarbe", und der ist immer leicht rosa. Wir alle haben das gelernt. Keine Lichterkette, kein Gedenkgottesdienst werden das einfach abschalten. Auch wir Zeitungsleute schreiben heute noch von "Fremdenfeindlichkeit", wenn niemand Fremdes getötet wurde, und von "Migranten", obwohl wir eigentlich Deutsche meinen. So signalisieren wir den Betroffenen: Ihr gehört nicht dazu.

Den Betroffenen zuzuhören ist nicht einfach, weil es uns den Spiegel vorhält. Zuhören kostet Kraft. Versuchen wir es trotzdem.

Autor:

Jens Steinmann aus Herne

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