Die herrschaftliche Hausordnung im Emscherbruch

Am Beispiel des Rittergutes Berge in Buer lässt sich die mittelalterliche Hausordnung im Emscherbruch demonstrieren. Bis zum 19. Jahrhundert bildeten adelige Bewohner, Bedienstete und leibeigene Bauern einen Verband, dessen Grundstruktur auch bei den freien Bauern galt. Das Rittergut war eine Sozialform, nachgebildet der Schöpfungsordnung, in der jeder seine Rolle hatte. An der Spitze standen der Ritter und seine Frau als Vater und Mutter, es folgten als Kinder das Gesinde (Knechte und Mägde) und die leibeigenen Bauern. Die Aufgaben im Alltag waren verteilt, ebenso die Möglichkeiten zur freien Entfaltung. Dadurch kannte jeder seine Pflichten und Rechte zur Befriedigung seiner Bedürfnisse. Zum Rittergut gehörten alle Lebensbereiche: Arbeit, Wohnung und Nahrung, Erziehung und Gottesdienst. Der Ritter vertrat diese Ordnung nach außen in allen Rechtsgeschäften. Für das gesamte ständische Leben gab es ein System formaler Regeln.

Das freiherrliche Gut von Berge wurde im Jahr 1772 von dem späteren Reichsgrafen Ludolf Friedrich von Westerholt-Gysenberg und seiner Ehefrau Wilhelmina Friederike übernommen und zu einem repräsentativen Schloss im Stil der Renaissance ausgebaut. Dazu gehörten 130 Morgen Ackerland (die Baut) und eine große Gartenanlage. Die Hilfskräfte, welche deren Bewirtschaftung übernahmen, unterstanden ebenfalls einer festen Ordnung. Ein erfahrener Landwirt (der Bautmeister) hielt die abhängigen Bauern und Kötter zu Feld-, Wald- und Hofdiensten an, zur Pflege von Bäumen, Gräben (Gräften) und Parkanlagen. Jeden Sonntag berichtete er dem Herrn über das, was in der vergangenen Woche vorgefallen war (unterschiedliche Arbeiten, Handelsaktionen, Ablieferung von Gaben, Leistung von Diensten, Strafen und Bußen). Die Durchführung handwerklicher Arbeiten übernahmen Facharbeitskräfte gegen Lohn. In den Urkunden werden Zimmerleute, Glasmacher, Schornsteinfeger und Pflasterer aus Recklinghausen genannt. Maurer, Schlosser, Holzschneider, Schuhmacher und Schmiede kamen aus der Umgebung.
Der herrschaftliche Pferdestall, Stallungen und Scheunen, Brauhaus, Backhaus und Schlachthaus standen im Vorwerk neben dem Herrenhaus, ebenso die Remisen für Kutschen und die Wohnungen für Kutscher und Reitknechte. Alle trugen Lohnkleidung und Lohnschuhe als Dienstkleidung, wobei diese nach Qualität und Aussehen unterschiedlich war und eine Rangordnung ergab. Bis hin zu den Söhnen und Töchtern der leibeigenen Bauern, die zum „Jahresdienst“ auf dem Gut verpflichtet waren, galt nach der Auffassung der damaligen Zeit eine Ordnung, deren Struktur aus der Antike übernommen worden war. Gerechtfertigt wurde diese Sozialform zusätzlich mit der göttlichen Schöpfungsordnung.

Autor:

Gerd Kaemper aus Gelsenkirchen

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