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Das Fiasko begann an einem Montagmorgen, natürlich ausgerechnet an dem Montagmorgen, an dem ich die wichtigste Klausurarbeit meiner Abschlussprüfung schreiben sollte.

Leicht verspätet machte ich mich auf dem Weg zur Uni, bekam überraschenderweise den richtigen Bus und stieg wie jeden Morgen am Bahnhof aus. Zehn Schritte rechts, sechs links und schon stand ich an der S-Bahn-Station. Das heißt: Ich hätte dort gestanden, wenn nicht die Stadt klammheimlich einen Gullideckel gesperrt hätte, darauf hatte man fußangelähnlich über Nacht eine Pylone platziert. Natürlich sah ich das Ding nicht, stolperte, ein brutaler Schlag riss mir die teuren In-Ear-hörer aus den Ohren, und ich flog der Länge nach in den Rinnstein. Ich hörte noch ein klack – klack – rutsch und sah mein neues Smartphone in die Unterwelt entgleiten. Die Schmerzen in meinem rechten Knie ignorierend, robbte ich an den Eingang zur Hölle. Ein Blick in die Öffnung der Kanalisation zeigte mir: Nichts, nur Dunkelheit.
In Gedanken überschlug ich meine Finanzen, ein neues Phon wäre erst mal nicht drin, es sei denn, ich würde noch einen Kredit aufnehmen, aber ob die Bank da mitmachen würde, blieb fraglich. Warum ich in diesem grausamen Moment an die Uni dachte, genauso. Die Prüfung schien mich mehr zu beschäftigen, als ich es wahrhaben wollte.
Ich rappelte mich hoch und sah mich um. Wann war der Bahnhof umgebaut worden? Und woher kamen die ganzen Menschen? Die meisten schienen mir ganz normal, sie hatten Stöpsel in den Ohren und trugen den Blick interessiert gesenkt. Nur einige Alte irrten vollkommen offline durcheinander. Wo war die S-Bahn-Station? Vielleicht könnte ich jemanden fragen, schoss es mir durch den Kopf. Aber wen? Mein Blick glitt durch die bunte Masse. Hatte der Typ dahinten mit dem geilen Telefon der Extraklasse am Ohr, nicht einen Pfeil über dem Kopf? Leider konnte ich ihn nicht erreichen, er glitt wie auf Schienen zum Ausgang. Da, der Kerl mit der Glatze, hatte geleuchtet – oder nicht? Nee ... war wohl nicht so. Was nun?
Ich versuchte mich zu erinnern, gestürzt war ich hier an dieser Stelle. Wie war das noch? Sechs rechts, zehn links? O.k. ich lief los und zählte jeden meiner Schritte. Nach kurzer Zeit fand ich mich an einem übelst riechenden Imbissstand wieder. Sollte ich wirklich? Jemals? Egal! Jedenfalls war die S-Bahn außer Sichtweite. Die Klausur, hämmerte es in meinem Kopf. Also zurück zum Bahnhof. Es dauerte eine Weile aber ich fand den Weg. Wie ein Blitz aus heiterem Himmel durchbohrte mich die Erkenntnis: Jeder Bahnhof hat ein Internetcafé. Ich fragte, ohne weiter zu überlegen, einen der blau gedressten Typen und er sprach in einer mir unverständlichen Klangfarbe – fast animalisch – zwei Worte: Da lang!

Die leuchtenden Buchstaben über dem Eingang winkten mir einladen zu, und als ich dem jungen Kerl an der Tür erklärt hatte, warum ich so hilflos durch die Gegend lief, wies er mir mitleidig einen der freien Plätze vor einem Monitor an. Facebook – Passwort? Verdammt woher sollte ich das denn wissen? Da loggt man sich doch nicht aus! Nachdenken. Mailen, wen fragen? Mailadresse? Ich griff in meine Hosentasche, um die Hand leer wieder herauszuziehen. Genau! Deswegen war ich ja hier, mein Handy war weg, meine Verbindung zum sozialen Leben abgerissen. Ich schlich zum Eingang zurück und fragte den Aufseher, der mich bitterböse anschaute und nur widerwillig einen Hörnippel aus dem Ohr zog, ob er nicht einen Rat ...? Einen Wink? Einen Tipp? Nein? O.k. Dann Tschüss. Den Hinweis auf das Reservephon hätte er sich echt schenken können, mir ging es schließlich dreckig genug.

Mein Tag war gelaufen und mit ihm die Klausur. Dicke Tränen liefen mir über das Gesicht und mein Atem keuchte wie nach einem Marathon. Vor mir materialisierte, wie aus dem Nichts ein rotwangiger Nerd, der meine Hand nahm und mich mit sich zog. Ich ließ es willenlos geschehen.
Kurze Zeit später sah ich mich in einem großen Raum voller jammernder, junger Geschöpfe. Eine weiß bekittelte, rundliche Frau, die mir irgendwie bekannt vorkam, wahrscheinlich hatte ich sie schon mal durch das Universum gejagt, lächelte mir zu.
Sie hielt mir ein mindestens zwei Monate altes Mobiltelefon entgegen und aus weiter Ferne klang es an mein Ohr: „Nur für den Übergang, es wird dir helfen, vertraue mir.“
In meiner Verzweiflung griff ich nach dem vorsintflutlichen Gerät, schaltete es ein, mein Kopf senkte sich automatisch und tatsächlich, schlagartig ging es mir besser. Erstaunt hörte ich das Gemurmel, der Anderen, die noch nicht Erste-Hilfe-mäßig versorgt war. Was hatten die nur? Ich winkte dem weißen Walross ohne aufzusehen dankbar zu, und machte mich auf den Weg zum Geldinstitut, es galt, einen Kredit zu beantragen.

@Monika Thaler - Jan. 2013

Autor:

Monika Thaler aus Hattingen

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