Fotze, Pimmel, Arschficker, Hitler, Jude, Türke, Albaner, Grieche, Schweizer, Nazi, Schwule, Kopftuchnutten, Deutsche, Karneval und von hinten nach vorne: Karneval, Deutsche, Kopftuchnutten, Schwule, Nazi, Schweizer, Grieche, Albaner, Türke, Jude, Hitler, Arschficker, Pimmel, Fotze.
Man könnte jetzt das Spiel spielen: „Welcher Wörter passen nicht in die Reihe?“ doch bei Serdar Somuncu passen sie eben alle in die Reihe. Sie gehören zusammen wie der Karneval und Köln (oder wahlweise Düsseldorf oder Mainz) oder wie braune Brut und Adolf. Hinzu kommt ein intellektuelles Feuerwerk, eine geballte Ladung geistreicher Thesen und Antithesen zu allen erdenklichen Themen. Und gleich am Anfang wird gebeten, das gottverdammte Handy auszustellen, um sich auf den originären Anlass des Abends einzulassen und zu konzentrieren. Spätestens jetzt hatte Serdar Somuncu mein Herz erobert. Wer sich zweieinhalb Stunden nicht auf eine Sache konzentrieren kann, gehört zurück in den Kindergarten. Schlimm genug, dass die Kinos mittlerweile bei Überlänge Pausen einlegen, „weil das Konzentrationsvermögen nachlässt“. Hallo? Wie verblödet sind wir eigentlich? Aber vielleicht bin ich auch nur zu alt, und mein Gehirn hat sich im Laufe der Jahre an längere Denkenabschnitte gewöhnt. Ähnlich wie in der Schule erfolgte die Strafe für Ungehorsam auf dem Fuße: Das Handy wurde konfisziert und die Person öffentlich blamiert (die meisten würden es aber wohl eher als „boah, wie cool“ bezeichnen). Frage am Rande: Hat er tatsächlich jene Nachricht auf facebook hinterlassen?
Das Publikum war glücklicherweise bereits in einem Alter, in dem Mitdenken noch möglich war; für die Generation „YouTube kids“ wirft Serdar hin und wieder eines der oben erwähnten Fäkalwörter in den Satz und den Raum, damit auch jene Altersgruppe – Arschficken, Fotze - auf ihre Kosten kommt. Traurig, aber wahr – und extrem lustig!
Worum ging es nun? Trotz des provokanten Programmtitels, der Hassprediger, ergossen sich im Grunde genommen gerade keine Hasspredigen auf die Zuschauer. Es war eher eine leidenschaftliche Tirade über die gesellschaftlichen Missstände, die Denkanstöße liefert und, hoffentlich, die Leute zum Nachdenken, zum Mitdenken und letztendlich zum Weitersagen und Handeln auffordert. Der rote Faden der Kindheitsgeschichte zog sich durch den Abend, war aber nur nettes Beiwerk und Mittel zum Zweck, die Brücken zu einen einzelnen Themen zu schlagen.
„Jede Minderheit hat ein Recht auf Diskriminierung.“ Ja, aber, aber, aber... nicht auf die armen Frauen schimpfen und auch nicht auf die mitleidswürdigen Behinderten oder gar... Bayern München! Schließlich ist ein Witz nur dann lustig, wenn er uns selbst nicht betrifft, propagiert Serdar Somuncu wortgewaltig, und der Saal buht empört, als es tatsächlich den armen Verein Bayern München trifft. Ein geniales Paradebeispiel für Serdars gerade beschriebene These!
Er hält den Zuschauern einen Spiegel vor, fordert auf, selbst zu denken; provoziert absichtlich auf unterstem Niveau, um im nächsten Augenblick die Leute mit zitatwürdigen Sätzen zu faszinieren. Von Integration über Ehec bis hin zum Karneval wird nichts vergessen. Es gibt Szenenapplaus, oft und reichlich, manchmal auch zaghaft, bis der berühmte Groschen endlich gefallen ist. Am Ende gibt es eine Pianoeinlage Purple Rain, und wir rufen wie gewünscht Fotze, Kackwurst oder ficken in die Melodie, damit facebook und youtube morgen gleich wissen, wo die Glocken (nicht) hängen. *lach*
Mit Standing Ovations wird Serdar Somuncu verabschiedet. Ein kleines Dankeschön für einen Abend, der mit einem weinenden und einem lachenden Auge zum Nachdenken angeregt hat. Arschficker, Fotze... bitte weiter nach Belieben.
Herr Somuncu, darf ich Sie mal auf 'nen Kaffee einladen, deutsch, türkisch, italiano oder griechisch? Bitte? [dd]
Autor:Daniela Dohmen aus Bochum |
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