So, jetzt holen wir alle mal tief Luft und lassen den Abend revue passieren .................................................................... reicht!
Haldern Pop fängt ja mal gut an. Da fahre ich von Köln aus los und freu mir nen Ast ab, dass ich einer unter vielen Glücklichen auf dem Haldern Pop sein werde und da stehe ich im Stau. Macht aber gar nichts denn die Sonne schien, noch. Desto näher ich dem Niederrhein kam umso flacher und ländlicher wurde das Land, die Luft besser und die Vorfreude größer. Die gefühlten drei Stunden Stau und die Schwüle, die mir ein bisschen Schweiß auf der Stirn perlen ließ, ließ ich hinter mir und passierte das Ortseingangsschild Haldern.
Ohne Eintritts-Bändchen und ohne Plan suchte ich das Popkiosk auf um mich akkreditieren zu lassen. Ein schlimmes Wort, aber es bedeutet nichts anderes als sich anzumelden im Namen der Medien. Da bekommt man so ein schmuckes Bändchen mit dem man mehr darf als andere, aber weniger als die Veranstalter und Bands, aber immerhin lohnt sich so etwas (später mehr dazu).
Ich hatte also endlich mein Bändchen und konnte endlich meiner Aufgabe des Festivalsreporters in Angriff nehmen. Hieß an erste Stelle wieder ein paar Meter zurückzulaufen in Richtung Haldern City um der Eröffnungszeremonie in der Kirche beizuwohnen. Is scho recht. Erstmal ein gemeinsamer ökonomischer (ach ne das war doch anders oder?) Gottesdienst wie in der Grundschule. Pustekuchen. Abgesehen davon, dass mich der Dorfpfarrer begrüßte war nix mit langweiliger Kirche. Es bot sich mir ein Klang- und Bilderlebnis der besonderen Art. Ein "Mini-Orchester" spielte eine Mischung aus Klassik und Moderne. Das Publikum saß. Eine sehr entspannte Atmosphäre. Ich schaute durch die Reihen und sah einige mit geschlossenen Augen der Musik lauschen. Die musikalische Komponente wurde durch Bilder auf Großleinwand untermalt, ehe dann ein Film mit Fingerzeig zum Thema globale Erwärmung gezeigt wurde. Zumindest dachte ich das. Die Amtssprache war Englisch und wenn man nur mit halben Ohr hinhört, weil man damit beschäftigt ist die Leute mit Fotomacherei zu verwöhnen bekommt man nicht so recht mit, was der nette Herr und sein weiblicher Bodyguard da auf der Bühne zu sagen haben. Der Film war trotzdem sehr interessant. Es wurden Städte und deren Temperaturen zu bestimmten Jahreszeiten gezeigt. Es wirkte fast wie eine Sterbeliste, die Plusse (ist das die Mehrzahl von Plus) bei den Temperaturanzeigen. Es machte schon nachdenklich. Passend zum Film verdunkelte sich der Himmel.
Mit diesen Eindrücken verließ ich die Kirche und machte mich auf den Fußweg zurück zum Festival. Auf dem Weg lag der ortsansässige Supermarkt, den ich aus Gründen der Schleichwerbung nicht bennenen werde, und holte mir erstmal ein Fußpils (Weg-Bier) um den Marsch erträglicher zu gestalten.
Es begann zu regnen und um meine Kamera nicht allzusehr zu gefährden stellte ich mich kurz unter. Diese Idee hatten ein paar mehr und das schöne am Haldern Pop ist ja, dass alle gute Laune haben, egal wie das Wetter auch ist. Ich erfuhr sogar von einem Mit-Untersteller aus dem fernen Osten (Leipzig), dass das Wetter ja immer so ist beim Haldern-Pop. Wow, wieder was dazugelernt ;)
Der Regen hörte auf, das erste Bier war leer und das Festival noch ein paar Meter entfernt, also: Keine Müdigkeit vortäuschen!
Zwei Punkte auf meiner Liste für den Donnerstag wollte ich noch abhaken.
Punkt Nummer 1: Den Zeltplatz erkunden!
Punkt Nummer 2: Das Spiegelzelt rocken!
Ich begann mit der Erkundung des Zeltplatzes. Macht ja keinen Spaß im Dunkeln durchs Gelände zu robben. So viele nette Menschen!!! Egal wo man hinkam es wurde einem ein Bier angeboten! Ich versackte für einige Zeit bei den Emmerichern. Ein kleines Stückchen Heimat in der Heimat. Gut ausgestattet sind sie fürs Festival: vier Pavillons, ein Fuhrpark an Klappstühlen und Zelten und der Frage nach grün oder gelb! Danke fürs Bier und Schönen Gruß an Mike, Biersch und Co.
So, nun zum Punkt 2 der Tagesordnung. Runter vom Zeltplatz und rein ins Spiegelzelt. In der Theorie ganz einfach, in der Praxis gar nicht mal so!
Zunächste wurde ich angehalten von einem Mitarbeiter ich sei doch der Festivalreporter! Tut mir leid, kenne isch nischt! Doch, doch ich sei es. Fragt mich nicht wo diese Unterredung hinführte. War aber wie alles am Haldern Pop freundlich und erfrischend. Super diese Gelassenheit.
Und weiter. Nächstes Problem: Der Security-Typ. Freundlich erklärte er mir, dass ich ohne so nem Pass um den Hals nicht mit der Kamera rein könnte, das Pressebändschen alleine würde nicht ausreichen. Aha! Also stiefelte ich durch den Nieselregen zurück zum Popkiosk um meine Akkreditierung zu vervollständigen. Der Fehler wurde schnell behoben. Also wieder zurück zum Gelände, rein ins Spiegelzelt. Vorher noch die Blase entleeren auf den sauberen Dixi-Klos. Die waren wirklich sauber. Ich kenne Festivals, da traut man sich nicht mal mehr in die Nähe der Kloanlagen, doch auf dem Haldern-Pop sind nicht nur alle gut drauf, sondern auch sauber (warten wir mal den letzten Tag ab!). Blase leer, check, Pass um den Hals, check, am Türsteher vorbei aufs Gelände, check, Schlange vor dem Spiegelzelt, check. Kilometer weite Schlange, alle wollten rein. Super! Ich kanns verstehen, war ich doch genauso neugierig auf die Acts im Zelt.
Ich hatte ja dieses komische Ding um den Hals und versuchte es einfach mal durch den Ausgang rein zu kommen und BINGO!!! Das wohl schönste Gefühl an diesem Abend. Was hatte ich für ein Glück. Der kleine Junge vom Niederrhein staunte nicht schlecht, was für Privilegien so ein Typ von der Presse hat. Irgendwie auch unfair den anderen gegenüber, aber wer wäre so Samariter um in die Schlange zu gehen und wenn man kurz davor stehen würde, das kleine Mädchen vorbei zu lassen, dass hinter einem weint. Oh mein Karma geht flöten.
Im Spiegelzelt, welches wiedermal durch seine pure Räumlickeit und dem Lichtspiel Atmosphäre zauberte, empfing mich und die gefühlten tausend anderen die Band um Julia Marcell. Musik zum träumen und Julia flog über die Bühne in einem Traum aus Seide (wie poetisch!). Die Musik war auch nicht schlecht.
Die Frau hinter der Theke kam aus Hamburg, der Security-Typ aus Worringen bei Köln, die Kamera-Leute wussten gar nicht was Haldern ist und Haldern-Pop TV wird von Engländern gemacht. Was sich auf der einen Seite wie ein Vorwurf anhört, zeigt auf der anderen Seite wie weitgreifend das Haldern-Pop ist. Ja ganze Völker werden hier zusammengeführt. Hier würden selbst die Russen mit den Amis feiern! Und am Ende des Tages zählt ja nur eines: Es gefällt! Selbst den Gerrit, den nackten Fotografen vom MELT! Festival traf ich im Spiegelzelt an. Ich freu mich schon auf sein neues Fotoprojekt am Samstag auf dem Haldern-Pop. Mal gucken wie viele Leute sich nackt ablichten lassen.
Nach Julia Marcell kam die bärtige Antwort auf Mumford and Sons. Ihr Stil: "Es lässt vielmehr als ein Amalgam aus Folk, Country, Bluegrass, Rock und Pop verorten – der sich ab und an mit ungebremster Punk-Dynamik entlädt." Super die beiden Brüder plus Anhang. Da zeigt sich wiedermal das goldene Näschen der Veranstalter des Haldern-Pos für hervorragende Bands.
Die Brüder ließen den Saal tanzen. Der Mob regierte. Sollte in den nächsten Jahren ein Song von denen in die Top Ten der deutschen Landen würde es mich nicht wundern. Auf jeden Fall feierten sie ihr Set richtig geil ab! Party on! Irgendwann mussten sie nur aufhören. Was aber nicht weiter tragisch war nachdem man den nächsten Act auf die Bühne schweben sah.
Anna Calvi. Ein Trio um Anna Calvi. Sie ist für mich der "Black Swan" der Musikbranche. Wirklich meine Damen und Herren, hier wird ihnen Schönheit, Grazie, eine bombastische Stimme und ein experimenteller harter und sanfter Sound geboten. Herein spaziert, herein spaziert ins Spiegelzelt, die nächste Vorstellung beginnt. Ohne Scheiß sie sah aus wie Nathalie Portman in Black Swan: Unnahbar und doch zerbrechlich. So war auch der Sound und ich hatte mich kurz verliebt in Musik und Frau Calvi. Ich kann euch den Stil nicht gut erklären, also hört es euch an! Es war das reinste Klangerlebnis und es folgte noch mehr!
Nachdem Anna Calvi das Publikum verzaubert hatte, setzte mein persönlicher Favorit des Festivals Brandt Brauer Frick Ensemble den finalen Schuss mit der Droge Musik. Was andere an ihrem Computer und Synthesizer fabrizieren schafft dieses mehrköpfige Ensemble mit handgespielten Instrumenten. Man denkt ja wirklich mit Geige, Klavier, Xylophon und dergleichen Instrumenten ließen sich nur Opern und so spielen, doch dieses Ensemble schafft einen "Minimal"-Sound der Extraklasse! Für Freunde der experimentellen Musik ein Fest. Am liebsten hätte ich mich einfach nur hingelegt und der Musik gelauscht. Ich war sowas von drauf auf Musik.
Totale Reizüberflutung. So viel gute Musik. So viel tolle Menschen und damit ich wieder klar kommen konnte genehmigte ich mir das letzte Bier des Abends und verabschiedete noch jeden Festivalbesucher persönlich und legte sie unter ihre Schlafsäcke. Gute Nacht Haldern Pop. Morgen ist ein neuer Tag zum Rocken!
Autor:Bülter Mischa aus Emmerich am Rhein |
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