Sture Alte - Wer bitteschön war das?
Letztens war ich in der Stadt unterwegs.
Eilig wie immer.
Aber leider alleine.
Mein Blindenhund, der mich sonst immer behutsam durch den für mich undurchdringlichen Dschungel von Menschengesichtern lenkt, hatte zuhause zu tun. So war ich ganz alleine auf mich gestellt.
Und das ist nicht gut.
Wie immer starrte ich angestrengt in jedes Gesicht, das mir entgegen kam, rechts oder links irgendwo auf einem Cafestuhl geparkt war und grüßte jeden, der mich auch nur länger als eine Sekunde ansah. Könnte ja sein, der kennt mich!
Seit ich denken kann, bin ich als sture Alte bekannt. Die rennt dich um und kennt dich nicht! Meinste, die grüßt? Die sieht dich nicht mal!
Eigentlich ist so ein Image ja ganz praktisch. Ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich ganz ungeniert
Aber ich bin überhaupt nicht stur. Weder stur noch unfreundlich.
Aber es stimmt: Ich sehe niemanden, und wenn doch, erkenne ich ihn nicht unbedingt. Wenn er vielleicht eine Kappe trägt, oder, noch schlimmer, eine Sonnenbrille ist er für mich verkleidet, unerkennbar.
Ist manchmal echt ein Problem.
Jedenfalls, ich eilte durch die Passage zum Parkplatz. Sie war ungewöhnlich leer, keine qualmenden Friseusen, keine Blagen auf ihren Crossrädern, keine Kleinfamilien. Eigentlich nur ich - und...
Ein Mann kam mir entgegen: groß und - dieses Gesicht...? Ich kannte es.
Ich kannte dieses Gesicht, ich hatte es vor kurzem noch gesehen. Das war...
??????????????????
Auf den paar Metern zwischen uns, die sich dank seiner großen Schritte schnell verringerte, überlegte ich fieberhaft:
Welche Frau gehört dazu?
Welcher Verein? - Schützen?- Sport? Versicherung?
Jemand von früher? Oder wer?
Keine Ahnung. Aber ich kenne ihn.
Also: vorsichtshalber grüßen.
Ich setzte ein strahlendes Lächeln auf und zwitscherte: Hallo!
Er schien etwas überrascht, grinste aber breit und gab mein Hallo amüsiert zurück.
Bis zum Auto zerbrach ich mir den Kopf und suchte den Pott, auf den dieses Gesicht passte. Mein Mann hätte es gewusst! Immer steh ich alleine mit diesen Problemen. Kann der nicht mitkommen und mich vor solchen Situationen bewahren?
Auf der Reeserstraße, kurz vor der Ampel fiel es mir wie Schuppen von den Augen: das war dieser Schauspieler, den ich noch vorgestern Abend mit der Millowitsch im Fernsehen gesehen hatte. Da war er so ein Ekel im Krankenhaus. Im Bademantel. Das war original sein Gesicht gewesen!
Zuhause wühlte ich mich sofort durch die Programme: Heute keine Entlassung. Da war es. Das war ER. Peter Sattmann.
Oder war er es vielleicht doch nicht?????
Keine Ahnung.
Jedenfalls habe ich freundlich gegrüßt.
Wen auch immer.
Autor:Christel Wismans aus Emmerich am Rhein |
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