Oma und Opa auf Tour, Teil 2

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Mittags wanderten wir durch die Gluthitze zum Waldschlösschen.
Wir machten extra noch einen weiten Umweg über die Felder, um nicht allzu früh anzukommen. Aber ach, das Lokal war geschlossen. Nun war guter Rat teuer. Wir waren schon so weit gelaufen, außerhalb jeder Zivilisation, und die Sonne stach. Anna und Max heulten. Sie konnten nicht mehr, hatten Durst und weigerten sich, auch nur noch einen Schritt weiter zu gehen. Lotta in ihrem Wagen hatte Hunger. Ich war patschnass geschwitzt, unsere Füße brannten, und der Durst quälte uns alle. Es half nichts, wir mussten in den Ort zurück.

Wir nahmen das jammernde Geburtstagskind zwischen uns, Max hatte sein altes Laufrad dabei und konnte wenigstens damit rennen. Da Opa wie immer Rücken hatte, konnte Anna nicht mal an unseren Händen schaukeln und „Engelchen- flieg!“ machen mit Überschlag vor und zurück.
„Langweilig! Wenn ich zaubern könnte, käme jetzt ein Auto vom Himmel, und wir könnten alle einsteigen und uns fahren lassen.“
„Überleg mal, was das für ein Schrotthaufen wäre, wenn es von oben herab auf die Straße knallen würde. Die Räder würden abbrechen, das Chassis verbeulen, die Türen…“
„Ach, Opa, nein. So doch nicht.“
Ungeduldig, weil wir ihren Gedankengängen so schnell nicht folgen konnten, erklärte sie: „Das Auto würde natürlich an Seilen hängen. Und rundherum noch Ballons mit Helium. Dann kann es nicht herunter knallen und kaputt gehen. Hm.“

Im selben Moment ging Annas Wunsch in Erfüllung.
Die Rettung nahte in Form eines großen Mercedes. Zwar hing er nicht an Seilen vom Himmel herab, aber da war Anna nicht kleinlich.
„Das ist der Opa!“ schrie sie und machte Anstalten, sich kopfüber auf die Straße zu stürzen. Wir kriegten sie gerade noch so eben zu packen, bevor sie als Bremsklotz vor den Reifen landete. Mein Gott, was sollte das denn? Sonst hatte sie sich doch auch nicht so mit dem anderen Großvater!

Wir übernahmen freiwillig Klein-Lotta mit Kinderwagen, derweil sich die anderen neben Opas Riesenhund mit Heimrecht auf die Rückbank quetschten. Hauptsache: klimatisiertes Auto.

„Bobobobo-tä?“ fragte Lotta.
„Ja, mein Schatz, gleich sind wir da und du bekommst endlich was zu essen.“
„Mamamai-a-ta.“
„Lotta, sag mal: Oooooma. Und - Ooooooopa.“ Seit Monaten versuchte ich immer wieder, ihr diese beiden wichtigen Wörter beizubringen.
Aber sie strahlte uns an mit ihren aquamarin-blauen Augen, wobei ihre beiden winzigen Mausezähnchen aufblitzten: „Mämä!“
Unser Herz schmolz dahin, butterweich, was nicht unbedingt mit der Sonne zu tun hatte. In dem Bewusstsein, bald etwas in den Bauch zu bekommen, nahm Lotta noch einen kräftigen Schluck aus ihrer Wasserflasche, drehte den Kopf zur Seite, grinste noch einmal verschmitzt und schlief ein.

Irgendwann an diesem Tag, der Kindergeburtstag zuhause war in vollem Gange, dackelte Lotta plötzlich los. Zum ersten Mal ganz alleine. Wahrscheinlich mehr aus Versehen. Sie war noch keine 13 Monate alt.
Fassungslos stoppte sie nach ein paar Schritten und ließ sich auf den Boden plumpsen. Dann zog ein Grinsen über ihr Gesicht. „ha-ta-ma!“
Wir klatschten in die Hände: „He, Lotta! Guckt mal! Habt ihr das gesehen? Lotta kann laufen! Mensch, Lotta, toll! Du bist ja ein Bötz! Los, lauf noch mal!“ Lotta saß verdattert auf dem Boden, guckte sich um, dann klatschte sie ebenfalls begeistert: „Mataia-ka. Hana-tata.” Sie war stolz wie Oskar.

Sie streckte die Ärmchen aus, und ich nahm sie hoch. Ganz kurz drückte sie ihre Wange an meine und kuschelte. Und während ich noch an dem dicken Kloß in meinem Hals kaute, hatte sie bereits ihre Finger zielsicher hinter den Bügel meiner Brille gehakt.
„Lotta, nicht!“
Ich hatte beide Hände voller Kind, daher war meine Brille ihren Greifern schutzlos ausgeliefert. Sie schien das im Blut zu haben, von klein auf an, denn sie nutzte die Situation jedes Mal gnadenlos aus. Eine einzige, fließende Bewegung, begleitet von triumphierendem Lachen, und meine Brille landete auf dem Parkett. Mal wieder.
Hahahaha. Dieselbe Lache wie ihre Mama früher. Dann wandte sie sich meinen Ohrringen zu und fing an, daran zu zerren: „Ha-tu-ta-ta?“
„Ohrringe. Nicht ziehen. - Lass das! - Das tut weh! - Aua! - Lotta!“

Ich hatte sie bereits auf den Boden gesetzt, als ihre Greifer noch immer in meinen Ohrringen fest hingen…

Auszug auf meinem Buch "Himbeerrote Knallbonbons"

Autor:

Christel Wismans aus Emmerich am Rhein

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