Mit Gevatter Tod 'per Du'

Anja Brehm ist die erste ausgebildete Bestatterin in Emmerich. Ihr Lehrherr Martin Ney ist stolz auf seine erste Auszubildende.                                                Foto: Caroline Gustedt
  • Anja Brehm ist die erste ausgebildete Bestatterin in Emmerich. Ihr Lehrherr Martin Ney ist stolz auf seine erste Auszubildende. Foto: Caroline Gustedt
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Eigentlich ist man mit 21 Jahren noch recht weit vom Lebensende entfernt. Wenn alles gut geht, jedenfalls. Das gilt aber nicht für Antje Brehmer.

Die Emmericherin ist die erste ausgebildete Bestatterin in Emmerich. Drei Jahre Lehrzeit, zuvor ein berufspraktisches Jahr und die Möglichkeit, in ein Handwerk hineinzuschnuppern, das den Tod inszeniert. Bei der Entscheidung für den Beruf der Bestatterin – auch eine Meisterausbildung hat die junge Frau noch für sich geplant – waren nicht die Toten. „Die Angehörigen zu begleiten und zu beraten, ihnen bei allen organisatorischen Anforderungen und Entscheidungen zu helfen, das ist es, was ich an diesem Beruf reizvoll fand!“, erläutert sie. Aufwändig war die Ausbildung, denn für den Besuch der Berufsschule musste sie bis nach Wermelskirchen fahren. Blockunterricht, eine Wohnung… einen Teil der Kosten hat sie selbst übernommen. Neben der Abholung der Verstorbenen, hygienischen Vorkehrungen bis hin zur Auswahl von Sarg oder Urne, Ausstattung des Sargs oder der Wahl der Bekleidung des Verstorbenen kann die frisch gebackene Bestatterin bei Entscheidungen helfen. Aber auch die Formalitäten, die Korrespondenz mit Versicherungen und Ämtern, die Konzeption von Kondolenzschreiben und die Abläufe bei der Trauerfeier und auf dem Friedhof gehören zu ihren Aufgaben. Die Anfertigung von Schmuckstücken zur Erinnerung, Kunstobjekte mit eingearbeiteter Asche, Überführungen oder Fragen des Grabschmucks…in diesem Beruf ist man ein Allrounder rund im den letzten Weg eines Menschen. „Die Trauer- und Bestattungskultur in Deutschland verändert sich langsam, ist aber auch der Mode unterworfen“, erläutert ihr Lehrherr Martin Ney. Deshalb gehen auch die Stadt Emmerich sowie die Kirchen neue, modernere Wege. So ist etwas ein Trauerfeld auf dem Emmericher Friedhof angelegt, auf dem die Asche ausgestreut werden kann, es gibt Fluss- oder Seebestattungen in Urnen aus Pappmaché, die sich selbst auflösen. „Wichtig ist, dass die Menschen auf individuelle Weise Abschied nehmen können, und dass ein verstorbener Mensch so beerdigt wird, wie es seinem persönlichen Stil entspricht“, so die junge Frau. Wer passionierter Angler war, für den kann die Angelrute in der Trauerfeier ein persönliches Symbol sein. Warum sollte nicht derjenige, der leidenschaftlich gerne Sport gemacht hat, in seinem Lieblings-Jogginganzug beerdigt werden? Paradox aber zeitgemäß: Demnächst findet in der Heilig Geist-Kirche eine Trauerfeier statt, bei der Musik von der Gruppe ‚Unheilig’ gespielt wird. So what?! Auch mit einem Aspekt des Lebensendes musste sich Anja Brehmer befassen: „Wer stirbt, keine Angehörigen mehr hat und seine Beerdigung nicht geregelt hat, der begeht eine Ordnungswidrigkeit! Zwar kann der ‚Missetäter’ in diesem Fall ja nicht mehr belangt werden, dennoch hat sich auch mit den Anforderungen von Sozial- und Ordnungsämtern zu befassen, wenn die Stahr-Stiftung etwa die Kosten für eine Bestattung übernimmt und die Stadt Emmerich für die Grabdekoration verantwortlich ist.

Der Trauer nach Möglichkeit einen Raum geben – auch das ist es, was Antje Brehmer möchte. Denn anders als früher ist in der modernen, hektischen Gesellschaft kaum Raum dafür. Nur allzu schnell muss man heute wieder in Familie, Beruf und Alltag funktionieren, obwohl die Seele für die Bewältigung des Verlustes eines lieben Menschen häufig Jahre braucht. Mit trauern darf man nicht, weil man sonst den Angehörigen nicht mehr helfen kann – das ist ein Teil der Philosophie des Handwerks, aber Lehrherr und Gesellin sind sich darin einig, dass es doch Trauerfälle gibt, die unter die Haut gehen: „Das ist immer dann der Fall, wenn wir Kinder bestatten oder wenn wir Menschen zu Grabe tragen, die wir gut gekannt haben!“, bekennen sich Martin Ney und Antje Brehmer offen zu ihren Emotionen.

Autor:

Caroline Büsgen aus Emmerich am Rhein

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