mit der MS AMADEA unterwegs - Odessa

Hafen Konstanza/ Rumänien
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Mittwoch, 22.10.2014

Morgens um acht Uhr steuern wir pünktlich den nächsten Hafen an. Die nächtliche Fahrt durchs Schwarze Meer war friedlich und sanft. Ein kurzer Blick aus dem Fenster: ah, das dürfte Konstanza in Rumänien sein!

Das ist das Tolle an einer Kreuzfahrt: man geht abends, na ja, eher nachts, im geografischen Irgendwo in seiner gewohnten Kabine in sein eigenes Bett, ganz wie zuhause, wird morgens wach und ist ganz woanders. Auf einem anderen Meer vielleicht, vor einer anderen Stadt, in einem anderen Land oder sogar Kontinent. Dabei hat man nichts davon mitgekriegt. Drinnen ist alles wie sonst. Das Bad ist da, wo es hingehört, die Klamotten auch. Aber statt gähnend in die Küche zu schlurfen und das Frühstück zuzubereiten, schlendert man ganz entspannt in den Speisesaal, wo schon die leckersten Leckereien darauf warten, ausgesucht zu werden. „Omelett, Mommy?“
Ich hatte mir angewöhnt, morgens ein Omelett zu bestellen, einfach, weil es so herrlich leicht und fluffig war mit dem frischen Gemüse und Kräutern. Wir wurden verwöhnt wie die Prinzen, es blieb kein Wunsch offen.
Entschuldigung, ich schweife ab....

Konstanza also, morgens um acht Uhr. Die MS Amadea lief in den kleinen Hafen ein und – stoppte. Unser Liegeplatz, seit Monaten bestellt und bezahlt, war besetzt. Von zwei kleineren Schiffen. Also dümpelten wir im Hafenbecken vor uns hin und warteten, bis die Schiffe losgemacht hatten und sich weg schlängelten. Gottlob war es windstill. Ansonsten hätte diese Situation für uns im engen Hafenbecken böse enden können. Sagte der Kreuzfahrtdirektor.
Travel, du fängst doch wohl nicht wieder an? Lass – es !

Es dauerte, bis die Amadea endlich vertäut war, dann das übliche Procedere mit Offiziellen an Bord, Schiffsfreigabe.... Durch diese Verzögerung verschoben sich sämtliche Ausflüge, die bestellten Busse warteten sich die Reifen platt.
Wir hatten kein Problem damit. Wir wollten nämlich überhaupt nicht von Bord gehen. Wie wir gehört hatten, lohnte sich die Stadt nicht sonderlich, und das, was wir von Bord aus so sahen, reizte uns auch nicht. Also schön röstig heute. Waschen, Tagebuch nachschreiben, ausruhen....
...Kam denn nicht tatsächlich an diesem Morgen von unserer Ältesten eine WhatsApp herein! Ich hatte die Hoffnung schon aufgegeben und ausführlich auf die verfluchte Technik geschimpft, die mir den engen Kontakt mit unseren Töchtern verwehrte. Wir hatten an Bord eine kleine Flat für eine halbe Stunde gekauft für 20,--€, die sich aber schon nach dem Einloggen rasant verdünnisierte. Na ja, war meine Schuld, dass ich zuhause keine Auslands-Flat dazu gebucht hatte. Ich hatte nicht richtig überlegt, und das, obwohl ich wusste, dass ich anfange zu hyperventilieren, wenn meine Verbindungen gekappt werden...
Aber bei dem Buchungsstress vorher war das kein Wunder. (Die Geschichte von Dreamlines kommt später)

Gegen Mittag, als wir mit allem durch waren, kam die Sonne durch und wir krochen ermattet auf eine Liege oben auf dem Sonnendeck. Natürlich erst, nachdem wir uns im Speisesaal hatten verwöhnen lassen. Um 18 Uhr verließ die MS Amadea den Hafen von Konstanza und machte sich auf den Weg nach Odessa/ Ukraine.

Am nächsten Morgen, Donnerstag, 23.10.2014, hatten wir wieder in einem sehr engen Hafenbecken festgemacht. Hallo, Odessa!
Wir lagen fast direkt vor der berühmten Potemkin- oder besser Potjomkin- Treppe. Zehn Absätze, unten 21 Meter breit, nach oben zu immer schmaler mit insgesamt 192 Stufen. Aber man muss sich da nicht hoch quälen, wenn man nicht kann oder will. Neben der Treppe fährt eine Zahnradseilbahn für umgerechnet 12 Cent. Aber sie nehmen nur die einheimische Währung. Die wir natürlich nicht hatten. Aber bei 50 Cent drückt der Fahrer schon mal ein ukrainisches Auge zu und nimmt dich mit.
Mit Stadtplan und Informationen bewaffnet, machten wir uns zu Fuß auf den Weg, die Stadt zu erkunden. Der Himmel schwankte zwischen Sprühregen und trockneren Phasen. Es war unangenehm nasskalt. Der Wind trieb nasses, buntes Herbstlaub über den berühmten Primorsky Boulevard mit seinen alten, pompösen Gebäuden. Langsam, im großen Bogen, schlenderten wir
Richtung Innenstadt. Auffällig waren die vielen Baugerüste. Offensichtlich wird nach und nach renoviert, was alt und baufällig ist.
Wunderschöne Bauwerke, Denkmäler mit berühmten Namen, ein Park, die Verklärungskirche, ich glaube, die schönste Kirche, die ich jemals gesehen habe, Museen, die deutsche Botschaft, das Opernhaus, die Passage mit den barocken Skulpturen zwischen den Geschäften... Ach, es gibt in Odessa so viel zu sehen. Wie auch in Istanbul bräuchte man hier viel mehr Zeit, um auch nur annähernd alles zu sehen.
In einer der großen Prachtstraßen der Innenstadt hockte ein junger Mann in Landestracht auf einem Schemel auf dem Bürgersteig, hinter sich sein Fahrrad an der Hauswand, sang und spielte auf seiner Bandura. Wir blieben stehen und lauschten. Er hatte eine wunderbare, gut ausgebildete Stimme. Er erzählte uns, dass sein Instrument, das ein bisschen unserer Zither gleicht, ein typisch ukrainisches Volksinstrument ist.

Odessa ist eine sehr musikalische Stadt, die nicht nur eines der schönsten Opernhäuser der Welt hat, sondern auch noch an die zehn Musikhochschulen. Es ist ganz normal, dass sich irgendwo in der Stadt Musiker aufstellen und spielen. Und die Leute bleiben stehen, singen und tanzen. Selbst mit Fellstiefeln, Wintermantel und Einkaufstüten. Auch die Oper ist immer sehr gut besucht. Heutzutage ist der Eintritt leider sehr teuer geworden, für einen der besten Plätze bezahlt man an die acht (!) Euro. Das ist sehr viel Geld für Otto Normal. Früher waren die Eintrittspreise günstig. Hausfrauen, die vom Einkaufen vorbei kamen und noch ein bisschen Luft hatten, bis sie zuhause das Essen kochen mussten, unterbrachen häufig ihre Einkäufe, gingen hinein, gaben ihre Einkaufstaschen an der Garderobe ab und gönnten sich Oper. Musik und Odessa gehören zusammen.
Als wir Richtung Oper kamen, sahen wir rundum Absperrungen, Umleitungen und Polizeipräsenz. Vor der Oper selber knubbelten sich fein gemachte Menschen, suchten Schutz unter alten Bäumen vor dem kalten Nieselregen. Wie wir später erfuhren, wurde gerade zu der Zeit Präsident Poroschenko erwartet.

Abends an Bord sollte eine ukrainische Folkloregruppe auftreten. Folklore für Touristen ist absolut nicht unser Ding. Es wurde aber auch ein Konzert mit Philharmonikern im goldenen Saal des Literaturmuseums angeboten. Wir entschieden uns für das Konzert. Um halb acht holte uns der Bus ab.
Zuerst verschlug uns die goldene Pracht im Inneren den Atem, später die Musik. An die zwanzig Musiker, eine Sopranistin und ein Sopran spielten und sangen uns eine Stunde lang Gänsehaut pur.
Noch völlig berauscht kehrten wir zum Schiff zurück. Die Show mit den Folkloreleuten lief noch, eigentlich wollten wir sie nicht sehen, um den Eindruck von den Philharmonikern nicht zu zerstören, aber unser Theo überredete uns, doch noch in die Lounge mitzukommen. ..
Was wir dort noch eine gute halbe Stunde erleben durften, sprengte unsere Vorstellung von Touristen-Folklore. Einmalig, atemberaubend gute Künstler, Tänzer, Akrobaten und Sänger.
Dieser Abend geht für uns in die Geschichte ein. Ein Abend der Superlative.
Wir Vier ließen den verzauberten Abend in einer Bar ausklingen.
Morgen früh laufen wir wieder aus. Dann geht es weiter an der Krim vorbei nach Sotschi.
Der Wind nimmt zu. Ziemlich sehr...

Travel....???

Autor:

Christel Wismans aus Emmerich am Rhein

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