mit der MS AMADEA unterwegs - Istanbul
Montag, am 20.10.14, tauchten nachmittags am Horizont verschwommene Konturen auf. Das musste Istanbul sein. Silhouetten schwebten im Dunst auf dem Meer, von rechts nach links, soweit wir gucken konnten. Das konnte doch nicht alles nur eine einzige Stadt sein?
Langsam passierten wir den alten Stadtteil, die blaue Moschee mit ihren sechs Minaretten, die Hagia Sophia und das Goldene Horn.
Pünktlich um 18 Uhr legte die MS AMADEA an.
Wir hatten gleich für den Abend eine Lichterfahrt auf dem Bosporus gebucht. Wenn es in Istanbul dunkel wird, erstrahlt die Stadt wie ein bunt blinkender Weihnachtsbaum.
Auf dem kleinen Boot war es kalt, es zog wie Hechtsuppe. Ich zog mir den Schal dicht vor den Hals und den Kopf zwischen die Ohren. Die beiden riesigen Hängebrücken, die über den Bosporus nach Asien führen, glitzerten wie mit bunten Strasssteinen besetzt über dem dunklen Wasser. Ganz Istanbul strahlte und leuchtete. Es war ein Erlebnis. Wenn auch ein recht kaltes. Ein Bus brachte uns mit einer kleinen Stadtrundfahrt zurück zum Schiff. Wir passierten unter anderem den Hauptbahnhof, die Endstation des Orientexpress. Von dort aus wurden früher illustre Gäste in einer Sänfte zum Orienthotel getragen.
Am nächsten Morgen ging's schon um 7.45 weiter. Wir hatten Istanbul Intensiv gebucht, eine Tagestour. Wie immer, wenn es ans Laufen ging, bandagierte ich meine morschen Sprunggelenke und stieg in die uralten Laufschuhe. Sicher ist sicher.
Die Sonne strahlte schon früh am tiefblauen Himmel, es wurde warm und immer wärmer. Der Bus brachte uns erst zum Goldenen Horn, dem Meeresarm, der das europäische Istanbul in zwei Teile teilt, dann am Galataturm vorbei, den dicken Quadern der ehemaligen Stadtmauer und über die Galatabrücke zur Altstadt. Auf der Brücke standen dicht an dicht Fischer, die ihre Angel ausgeworfen hatten. Riesige Seemöwen zogen kreischend ihre Bahn zwischen den Fischerbooten. Ein MSC-Schiff lag verankert, ein Koloss wie ein hässliches Hochhaus, nur mit viel Fantasie konnte man ein Kreuzfahrtschiff darin erkennen. Niemals würde ich auf so einem Teil buchen!
Zu Fuß gingen wir weiter zur Blauen Moschee. Sie stammt aus dem 17. Jahrhundert und hat durch ein Versehen oder Missverständnis sechs statt der üblichen vier Minarette. Im Inneren sind mehr als 21000 blaue Kacheln verarbeitet worden, die die Moschee in sanftes Licht tauchen. Daher auch der gebräuchliche Name: Blaue Moschee statt Sultan Ahmet-Moschee. Man hat das Gefühl, sie ist eher eine Touristenattraktion statt ein islamisches Gotteshaus. Menschenmassen schoben sich Stück für Stück Richtung Eingang. Kopftuch und Schuhe-aus ist Pflicht, sobald man die Moschee betritt. Unsere Führerin, eine sehr westlich orientierte Frau, die auch fließend Deutsch sprach, wetterte ungeniert gegen Erdogan und seine rückständigen Ansichten. „Am liebsten würde er uns alle wieder in eine Burka stecken und an den Herd verbannen.“
Die Schönheit im Inneren der Moschee ist schlicht überwältigend, sieht man mal von den drängenden Menschenmassen ab. Die angehängten Fotos können nur einen kleinen Eindruck wiedergeben. Ich versuche es trotzdem.
Weiter ging es zur Hagia Sophia, oder Ayasofya, wie sie im Türkischen heißt. Sie gilt als eine der großartigsten Kirchen der Welt. Im 4. Jahrhundert ist sie als Basilika entstanden, abgebrannt, wieder aufgebaut, von den Türken erobert und nach Ergänzung durch vier Minarette als Moschee genutzt worden, bis sie schließlich im vorigen Jahrhundert vom Atatürk zum Museum erklärt wurde.
Auch hier blendende Pracht, Marmor, Mosaike, die Jahrhunderte lang übermalt waren und jetzt nach und nach wieder freigelegt werden. Ein riesiges Gerüst zeugt von den umfangreichen Sanierungsarbeiten. Ein steinerner Gang führt wendeltreppenartig nach oben zur Galerie.
Istanbul ist eine absolut faszinierende Stadt. Wir durchstreiften sie zu Fuß, hörten die Rufe der Muezzin von einer Moschee zur nächsten aus dröhnenden Lautsprechern, stöberten durch den großen Basar, sahen hier und guckten da und stiegen hinab in die Zisterne, den versunkenen Palast . Eine fantastische Unterwelt direkt neben der Hagia Sophia. Säulendom wird sie auch genannt wegen ihrer Marmorsäulen, die das Ziegelgewölbe tragen. 336 Säulen sind es, habe ich nachgelesen. Zwölf Reihen mit je 28 bis zu acht Meter hohen Säulen. Dazwischen das schimmernde Wasser im diffusen Lichtschein. Und die steinernen Medusenköpfe ganz am Ende der Zisterne. Wahnsinn, was in grauer Vorzeit schon alles gebaut worden ist.
Der Topkapi-Palast, die ehemalige Residenz der osmanischen Sultane, war geschlossen. Dienstags Ruhetag. Immer. Und gerade den hätten wir alle so gerne gesehen! Ein Aufschrei ging durch die Gruppe: Warum wusste das niemand...? Die Besichtigung stand doch in der Reisebeschreibung...! Gerade deswegen haben wir doch diesen Ausflug gebucht...!
Aber es nützte alles nichts. Er war zu und blieb zu. Hoffentlich war das kein Anzeichen, dass unser Travel-Chaos wieder aufgewacht war...
Unsere Reiseleiterin hatte damit kein Problem. Istanbul hat so viel zu bieten. Machen wir halt was anderes. Sie führte uns zum Galataturm. Auch hier eine Menschentraube auf den Stufen vor dem Eingang. Aber das war es wert. Die Rundum-Aussicht von hier oben ist einfach grandios. Vor allem, wenn der Himmel blau und die Sicht ungetrübt ist.
Und so liefen wir uns einen ganzen langen Tag in Istanbul die Füße platt, um alles zu sehen, was man an einem einzigen Tag sehen kann. Einen Bruchteil dessen, was es alles Sehenswertes gibt.
Um halb sechs sollte alles zurück an Bord sein. Wir schafften es mit Hängen und Würgen. Um sechs Uhr lichtete die MS AMADEA die Anker. Auf dem Achterdeck gab es Sekt zum Abschied und die Abschiedsmelodie in Live statt wie sonst vom Band.
Da standen wir nun mit qualmenden Füßen, ein Glas Sekt in der Hand und sahen zu, wie die Trosse gelöst wurden und das Schiff sich langsam vom Kai entfernte. Während wir noch neben der Küste entlang schwammen, der Bosporus-Meerenge zu, sank die Sonne langsam wie im Bilderbuch und tauchte das langsam entschwindende Istanbul in blutrotes Licht.
Adieu, Istanbul! War toll bei dir!
Jetzt aber nix wie runter ins Restaurant! Morgen ist auch noch ein Tag.
Morgen erreichen wir Konstanza im Schwarzen Meer.
Autor:Christel Wismans aus Emmerich am Rhein |
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