Lampenfieber auch ohne Auftritt

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Es war schon ein merkwürdiges Gefühl, als sich die große Türe zur Bühne des Stadttheaters öffnete und ich in die völlige Dunkelheit blickte. Nichts war zu sehen, dafür hallte jedes noch so kleine Geräusch von den Wänden zurück. Plötzlich wurde es hell und ich stand dort, wo bereits viele Stars gestanden haben, auf der Bühne des Theaters.

Emmerich. Nun stand ich da, ganz alleine mitten auf der großen Bühne des Stadttheaters. Die Plätze im Zuschauerraum waren leer, es war mucksmäuschenstill. Ich hörte nichts, außer dem Summen der riesigen Scheinwerfer. Und trotzdem hatte ich das Gefühl im Verborgenen den Beifall des Publikums zu hören. Ich roch den alten Holzboden, der übersät war mit vielen Kratzern und Kerben. Jede einzelne von ihnen erzählte mir in diesem Moment eine Geschichte. So, wie es zum Beispiel ein alterndes Gesicht mit tiefen Falten vermag.
Ich hatte selbst schon einige Male auf dieser Bühne getanzt. Jedes Mal war ich fürchterlich nervös, hatte Angst zu versagen. Wahrscheinlich handelte es sich dabei um das typische Lampenfieber. Auch dieses Mal überkam mich die Nervosität. Die atemberaubende Atmosphäre eines leeren Theaters war unbeschreiblich. Ich zog meine Schuhe aus und wanderte über die Bühne. Es kam mir vor wie purer Luxus. Endlich hatte ich einmal die Zeit, mir jedwedes Detail dieses Saales anzusehen. Ich konnte entspannt über die Bühne laufen und Platz nehmen, wo immer ich wollte. Ich atmete die typische Bühnenluft ein, als wäre es das erste Mal. Es war berauschend. Ich bemühte mich, in den zehn Minuten, alle Eindrücke aufzunehmen die ich konnte. Die großen Scheinwerfer, die „hinter Gittern“ in die Decke eingelassen waren, erinnerten mich an den Schweiß, den sie mir bei jedem Auftritt auf die Stirn getrieben hatten.. Ich setzte mich auf den Bühnenrand und betrachtete die kinoähnlichen Sitze.
Jeder Einzelne war mit einer Nummer versehen. Nur hier und da fehlte schon eine Zahl. Die Kratzer auf dem Parkett im Zuschauerraum erzählten ebenfalls ihre eigenen Geschichten. Da ging es um Pumps mit Pfennigabsätzen, die vermutlich zu einem eleganten Kleid getragen wurden. Ich stellte mir Kinderschuhe vor, die sich noch etwas wackelig auf dem Theaterboden vorwärts bewegten.
Ich wurde in der Tat für ein paar Minuten etwas theatralisch und verspürte ein bisschen Wehmut. Ich fühlte die Erinnerungen an viele Abende, die ich sowohl auf der Bühne als auch im Zuschauerraum verbracht hatte. Und da waren sie plötzlich wieder, die Emotionen aus vergangenen Tagen. Ich fühlte mich groß und voller Tatendrang, als stünde ich gerade vor einer großen Theateraufführung. Da war Musik in meinem Kopf, obwohl keine zu hören war. Am liebsten hätte ich meine Steppschuhe angezogen und wäre wie eine große Tänzerin über die Bühne geschwebt. Diese zehn Minuten waren für meine Verhältnisse viel zu kurz. Ich hätte einen ganzen Tag dort verbringen können. Es war eine sehr inspirierende Erfahrung.

Autor:

Betty Schiffer aus Emmerich am Rhein

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