Die Hohe Schule der Reitkunst
Piaffe, Passage und Galopp-Pirouetten, mit nur einer Hand am Zügel… das kennt man aus der Wiener Hofreitschule. Aber ‚Troja’ ist kein schneeweißer, königlicher Lipizzaner. Als sie vor einigen Jahren in die Hände von Bettina Koopmann gelangte, war die schöne Stute eigentlich ein Schlachtpferd. Heute kann sie Lektionen der Hohen Schule zeigen, hat Vertrauen zu ihrer Reiterin und ist jetzt gemeinsam mit dieser für einige Wochen in Dänemark…
REES. Die schwarz-weiße Tinkerstute ist ein Freizeitpferd mit einer offenbar schwierigen Vergangenheit. Aggressiv und misstrauisch war sie den Menschen gegenüber, ein Eigenbrödler auf der Weide. Die Familie, die sie seinerzeit als Familien- und Freizeitpferd erworben hatte, war schnell ratlos und verzweifelt, als sie Verhaltensauffälligkeiten ihres neuen Familienmitgliedes entdeckte. Eigentlich wollte Bettina Koopmann die Stute nur ein bisschen unter ihre Fittiche nehmen und in der Arbeit mit ihr dem Pferd das verlorene Vertrauen zurück geben. Mehr aus Mitleid denn aus Überzeugung kaufte sie ‚Troja’ schließlich, und gemeinsam traten die beiden den langen Weg der klassisch-akademischen Reiterei an, die auf der Lehre der Alten Meister der klassischen Reiterei, z.B. F.R de la Guerinière und Gustav Steinbrecht, zurück geht.
Das Wissen dieser Meister blieb zunächst noch durch das Engagement hoher Offiziere im Rahmen der europäischen Militärreiterei erhalten und war nicht allgemein zugänglich. 1997 gründete der Däne Bent Branderup zusammen mit Egon von Neindorff eine internationale Vereinigung , die dieses europäische Kulturerbe erhalten, weiter erforschen und weitergeben will. Bent Branderup ist heute der oberste Lehrmeister und Ausbilder dieser „Knighthood“ in der die schonende Gymnastizierung und verantwortungsbewusste Ausbildung von Pferden aller Rassen bis zur Hohen Schule im Mittelpunkt steht:
„Die Dressur ist für das Pferd da – nicht das Pferd für die Dressur!“
Beim Meister zu lernen – das ist wohl das Ziel eines jeden Reiters, der nach Alternativen zur aktuellen Sportreiterei sucht, die oft genug nicht die Möglichkeiten und Grenzen der Freizeitpartner oder vierbeinigen Athleten im Blick haben.„Wenn Reitpferde unter Berücksichtigung ihrer anatomischen und biomechanischen Veranlagung ausgebildet werden, bleiben sie bis ins hohe Alter hinein gesund und leistungsfähig. Der Weg dahin ist lang, dauert viele Jahre. Leider haben viele Turnierreiter heute nicht mehr die Geduld dazu!“ so die Einschätzung von Branderup-Schülerin und ‚Knight’ Brunhilde Hartung-Böhmer. In der Barockzeit war das Reiten dem Adel vorbehalten, es war „Freizeitbeschäftigung“. Heute haben viele „Freizeitreiter“ die Möglichkeit, sich dieses Wissen und Können anzueignen und sich mit der „Kunst der Könige“ zu beschäftigen.. Aus der Geschichte heraus versteht sich, dass es häufig die Barockpferderassen sind, die sich durch die klassisch-akademische Reiterei in idealer Weise fördern lassen. Sie bringen die anatomische Grundausstattung mit, für die diese alte Reitlehre ursprünglich entwickelt wurde. Aber: „Die heutigen modernen Reitpferde bringen so viel Potential mit, dass auch unsere Warmblutrassen in einer solch klassischen Ausbildung alle Lektionen bis zur hohen Schulen lernen und dabei gesund alt werden können“, so Hartung-Böhmer.
Mit einem großen Pensum aus Vorarbeit und Überstunden, mit dem Einbringen von Urlaubstagen und dem Verständnis eines tollen Chefs ist es jetzt für Bettina Koopmann und Troja möglich, einige Wochen im Institut von Bent Branderup zu lernen. Das Bewerbungsverfahren für diese Auszeichnung hat schon vor zwei Jahren begonnen, eine Empfehlung von Brunhilde Hartung-Böhmer und ein Vorreiten unter kritischen Augen… Troja und Bettina Koopmann haben es geschafft, wurden ausgewählt und sind schon auf dem Weg nach/in Dänemark. Wenn sie zurück kommt hofft sie, dass sie die erste Prüfung bestanden hat und ‚Wappenträger’ ist, der neben reiterlichem Können ausreichend Kenntnisse für die Arbeit an der Hand und an der Longe nachgewiesen hat. „Ich habe mit diesem Pferd schon so viel erreicht, wie ich es mir niemals vorstellen konnte. Ehrgeizige Ziele habe ich mit Troja nicht, wir schauen, was geht, ohne dass ich sie bis an ihre Grenzen belasten muss“, staunt Bettina Koopmann selbst über das, was ihr buntes Freizeitpferd zu leisten im Stande ist. Mit dem, was geht, ist sie zufrieden und gemeinsam machen Ross und Reiter jetzt bis Mai in Dänemark sicherlich interessante Erfahrungen.
Autor:Caroline Büsgen aus Emmerich am Rhein |
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