Die BAHN- Null Kommunikation

Am 31.1.2012 wollten wir mit der Bahn von Emmerich nach Frankfurt/M fahren.
Das Ticket hatten wir bereits zwei Wochen vorher online gebucht. Mit Zugbindung zwar, aber erster Klasse und günstiger als zweiter Klasse mit Bahncard 50. Ein echtes Schnäppchen.
Das Rückfahrtticket für den 6. Februar stornierten wir wieder mit 15, € Verlust, als wir in der Zeitung lasen, und die Bahn es im Netz bestätigte, dass an diesem Tag w/ Bauarbeiten die Teilstrecke von Oberhausen nach Wesel mit dem Bus zurück gelegt werden würde. Und der reguläre Anschluss nach Emmerich irgendwie/wann erfolgen sollte. Das wollten wir nicht.
Mit erster Klasse-Ticket im Bus? Ne, echt nicht. Also buchten wir um auf den 7. Februar.

Das Taxi holte uns pünktlich zuhause ab. Es war kalt auf dem zugigen Bahnsteig und wir wunderten uns, dass der RE noch nicht auf Gleis 1 wartete. Dafür erwachte plötzlich das elektronische Info-Band: RE 10515, Abfahrt 10.36 fällt aus.
Punkt.
Keine Erklärung, keine Alternative. Fällt aus. Punkt. Basta. Fragen werden nicht beantwortet.
Im Pulk der vielen anderen Fast-Reisenden murrten wir uns zurück in die Halle und rein in das Reisezentrum. Der junge, alt- gediente Mann hinterm Tresen hatte noch nichts von Zugausfall gehört und fragte telefonisch im Stellwerk nach. Ja, stimmt. Zugausfall.
„Dann nehmen Sie eben den nächsten um 11.40.“
„Und wenn der auch ausfällt, weil es nicht am Zug, sondern an der Strecke liegt?“
Schulterzucken. Tja.
„Wir haben Zugbindung.“
„Ich schreibe Ihnen Ihr Ticket um.“
„Wir müssen zum Flughafen. Schaffen wir das mit dem 11.40?“

Seine stoische Ruhe war nicht gerade dazu angetan, uns zu beruhigen.
Er hatte keine Ahnung, was auf der Strecke los war, das Stellwerk hatte keine Ahnung, und irgendwie interessierte es auch niemanden. Außer uns.
„Ich habe ein Vorstellungsgespräch.“
„Ich muss zum Seminar.“
„Mein Flieger geht….“

Es war schon nach 11 Uhr, wir standen uns die Beine platt in der kalten Halle, überlegten, ob wir vielleicht mit dem Taxi wieder nach Hause und mit dem Auto…oder doch lieber auf den 11.40 hoffen sollten…

Wir beobachteten, was sich auf dem Bahnhof tat, beziehungsweise nicht tat . Es fuhren weder Züge ein noch aus. Lediglich einer dieser endlos langen Güterzüge zuckelte durch. Es musste also an der Strecke liegen.
Dafür entdeckte ich einen Aushang, der Fahrplanänderungen aufgrund der Bauarbeiten auswies. Hiernach sollten am 6. Februar die Züge wieder ganz normal verkehren. Hatten wir also ganz umsonst umgebucht und 15 Euro in den Sand gesetzt? Was stimmte denn nun? Der Aushang oder die Internetinfo?
Mein Mann gesellte sich wieder zu den Männern, die versuchten, aus dem Beamten irgendwelche Informationen heraus zu kriegen, ihn zu drängen, irgendetwas zu unternehmen, zu fragen, welche Möglichkeiten, wie und wann…. Aber der wusste genauso wenig wie wir.
Wieso weiß denn hier kein Mensch, was los ist?

Schulterzucken. Wahrscheinlich ist der trainiert auf diese Situationen. Sollen bei der Bahn ja schon mal öfters vorkommen. Zum Beispiel im Sommer, wenn es zu heiß ist. Oder im Herbst wegen Laub, oder im Winter bei Kälte. Und im Frühjahr…? Vielleicht wegen der Schneeglöckchen zwischen den Schienen?

Ein junger Mann, der auch dringend ins Ruhrgebiet musste, fand die Erklärung auf seinem mobilen Internet fast zeitgleich mit dem Beamten am Telefon mit den Kollegen vom Stellwerk Oberhausen: Der 11.40 fällt auch aus. Die Strecke zwischen Empel-Rees und Emmerich ist blockiert durch einen ICE.
Endlich eine Aussage, auf die man aufbauen konnte. Der Bahnmensch meinte lakonisch: "Der RE, also der 11.40 ab Emmerich, steht in Empel-Rees. Den könnten Sie noch erreichen. Der fährt 11.47 planmäßig wieder zurück."

11.47? Das war mehr als eng. Hätte das nicht jemand früher sagen können, als zeitlich noch Luft nach oben war?
Mit einem anderen Paar, das zum Flughafen musste, quetschten wir uns samt Gepäck für vier Leute in das erstbeste Taxi und ließen uns nach Empel bringen. Kurz hinter Emmerich sahen wir den Verursacher. Ein ICE stand auf der Strecke, eine ganze Blaulichtkarawane daneben. War da was passiert? (Wie wir später aus der Zeitung erfahren sollten, wurden dort gerade die Fahrgäste aus dem Zug evakuiert und über die Gleise geleitet) Unser Taxifahrer kannte sich aus und nahm die Abkürzung über Millingen. Am Bahnhof raus, schnell noch eben eine Quittung ausschreiben lassen, Gepäck sortiert, gepackt. Ein Mann, der anscheinend auch zu dem Bahnverein gehörte, beobachtete interessiert unsere Eile. Er stand auf dem Bordstein und wippte auf den Fersen:
„Ja, der RE steht hier. Er konnte nicht weiter.“
Aufatmen. Gott sei Dank! Wir haben es geschafft.
„Und wissen Sie auch, wann der fährt?“
„In zwei Minuten.“
Der rote Doppeldecker stand abfahrbereit im Empeler Bahnhof. Aber auf der falschen Seite. Wir mussten noch durch die Unterführung. Japsend kamen wir auf der anderen Seite wieder hoch zum Bahnsteig. Mein Mann voran. Rufend und winkend rannte er auf den Zug zu. „Warten Sie! Da kommen noch welche!“
Ein etwas mehr als korpulenter Zugbegleiter hockte noch auf einer Bank neben dem Zug und zog an den Resten seiner Zigarette: „Wir fahren pünktlich um 11.47.“ Nichts gegen Ostakzent, aber dieser Ton reichte.

Wir schafften es gerade noch allesamt mit unserem Gepäck ins Fahrradabteil, als der Zug anfuhr.
Ein sehr netter Zugbegleiter erzählte uns, dass die Fahrgäste, die nach Emmerich wollten, mit Taxen hier abgeholt worden waren.
Aber warum, fragten wir uns, warum war niemand auf die Idee gekommen, dass es bestimmt auch etliche Fahrgäste in Emmerich gab, die im Gegenzug unbedingt in den Zug in Empel wollten?
Denkt denn hier mal keiner mit?
Interessiert das niemanden? Vielleicht ist das Mitdenken erst bei der nächsten Fahrpreiserhöhung mit eingeplant? Oder der übernächsten?

Wir haben für die Fahrt nach Frankfurt über 6 ½ Stunden und rund 2 Kilo Nerven gebraucht, weil auch unser Ersatz- Anschlusszug in Köln…...

Es ist Winter.
Es ist eiskalt.
Ich habe volles Verständnis für technische oder menschliche Probleme.
Aber wofür ich keinerlei Verständnis habe, ist das Kommunikationsproblem.
Es gibt im heutigen Zeitalter kaum eine Form von Kommunikation, die nicht reibungslos funktioniert. Selbst bei Kälte. Und wenn die eine nicht geht, geht die andere. Oder noch eine andere.
Können ist kein Problem. Man muss nur wollen.

Auch bei der Bahn

Autor:

Christel Wismans aus Emmerich am Rhein

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