50 Jahre Lebenshilfe: Niemanden mehr ausgrenzen
Aus der persönlichen Betroffenheit heraus, einem Schicksalsschlag, gründete Dr. Leo Pünnel eine Einrichtung, von der heute, ein halbes Jahrhundert später, fast 1.800 Menschen alleine in der Lebenshilfe Unterer Niederrhein profitieren. Anlass genug, um viele daran Beteiligte zu einem Frühlingsfest einzuladen.
Über 150 Gäste waren der Einladung nach Groin gefolgt. „Wir waren nicht so optimistisch, schon im ersten Jahr eine so hohe Anzahl von Zusagen zu erhalten“, freute sich der Vorstands-Vorsitzende Werner Esser. Er habe selten soviel Freundlichkeit, Ehrlichkeit, Neugierde, Entgefgenkommen, Dankbarkeit und Lebenslust gespürt, wie in der Lebenshilfe. „Alle sollten wertgeschätzt, anerkannt und mitten dabei sein. Jeder sollte spielen, lernen, arbeiten, auch selbständig wohnen und auf seine Art und Weise glücklich werden können.“
Die Teilhabe aller Menschen mit Behinderung zu ermöglichen, das sei das Ziel, eine Gestaltung zu einer inklusiven und solidarischen Gesellschaft. „Niemand darf mehr ausgegrenzt oder diskriminiert werden“, so Esser. Allerdings sei der Weg zu einer Normalität noch nicht erreicht. Er zitierte aus einem Aufsatz eines behinderten Schülers: „Ich wünsche mir, dass wir in unserer Gesellschaft mehr anerkannt und geachtet werden und man uns so nimmt, wie wir sind. Wir sind alle sehr verschieden, jeder von uns hat auch etwas Besonderes an sich.“
Dennoch habe man in den vergangenen Jahren viel erreicht, aber auch noch vieles vor sich. „Aus einer kleinen elterngeführten Einrichtung in Wesel ist ein Unternehmen geworden mit vier Werkstätten, in denen fast 900 behinderte Mitarbeiter arbeiten, verantwortlich für den ganzen Kreis Wesel und dem rechtsrheinischen Kreis Kleve. Mit sechs Kindertagesstätten und 280 Kindern, neun Wohnheimen mit 150 Bewohnern, weiteren eigenen Häusern zum selbständigen Wohnen, ambulanten Diensten, Familienunterstützenden Diensten, vielen wichtigen Freizeiteinrichtungen und Berufsausbildungsstätten.“
Weggucken ist nicht richtig
Zum Abschluss bemerkte Werner Esser: „Wir wollen circa 1.200 Menschen auf ein selbständiges Leben vorbereiten. Das ist die Lebenshilfe und so soll sie bleiben, eine von Eltern, Angehörigen und Freunden geführte selbständige Einrichtung. Michael Slabocz, Sprecher des Lebenshilferates sagte: „Es ist sehr traurig, wenn andere Menschen hilflos sind und weggucken. Das ist nicht richtig.“ Der Reeser Bürgermeister Christoph Gerwers befand gleich zu Beginn seiner Rede: „Es gibt kaum eine Einrichtung, in der man so freundlich empfangen wird.“ In Rees, so Gerwers weiter, werde Integration gelebt. „Es ist für uns inzwischen selbstverständlich, dass Menschen mit Behinderungen in unsere Gesellschaft und das örtliche Vereinsleben integriert werden, dass sie eben „Mitten drin, statt nur dabei“ sind. Und genau das ist Verdienst der Lebenshilfe.“
So suche die Integration, wie sie in Rees gelebt werde, ihresgleichen. In einem Bildervortrag ging die Geschäftsführerin der Lebenshilfe Unterer Niederhein, Verena Birnbacher auf die zurückliegenden 50 Jahre ein. Sie ging auf die Gründerzeit und den Initiator, Dr. Leo Pünnel ein, die Errichtung von Kindertagesstätten und die Gründung der ersten Werkstatt in Rees, die im Oktober 1968 ihre Arbeit aufnahm. Es folgten zwei weitere Werkstätten in Alpen-Veen (November 1993) und Wesel (August 2003).
Erstes Wohnheim in Rees
Auch das Kapitel Wohnen wurde umfangreich beleuchtet. Es begann mit dem ersten Wohnheim auf dem Gelände in Rees, in das 1974 27 Bewohner einzogen. Betreutes Wohnen gehört seit 2001 zur Lebenshilfe und wird ständig weiter entwickelt. Dem Wohnheim am Hollandsweg folgte die erste Außenwohngruppe 1986, die Wohnfamilie Wesel im Dezember 1991, die Wohnfamilie Emmerich 1992, das Wohnheim Gerhard-Hauptmann.Straße in Wesel, das Wohnheim Xanten 1996, das Wohnheim Kiek in den Busch in Wesel 1998, die Außenwohngruppe Xanten 2001, das Wohnheim Melatenweg in Rees ebenfalls in 2001 und das erste Haus für das Betreute Wohnen 2007.
1981 wurde der erste Freizeittreff in Emmerich gegründet. Es folgten 1988 der Freizeittreff Wesel, 1991 der Freizeittreff Rees und 2002 schließlich der Freizeittreff Xanten. Beratungen gibt es seit 2011 im Lebenshilfecenter in Rees und seit 2013 auch in Wesel. Zum Schluss ihrer Rede bemerkte Verena Birnbacher: „Wir möchten, dass Menschen mit Behinderung ein selbstbestimmtes, unabhängiges Leben führen können, dass es ein barrierefreies Miteinander in der Gesellschaft gibt. Vieles haben wir dahingehend erreicht. Doch ich glaube, dieses Projekt wird noch mindestens weitere 50 Jahre andauern und auch nötig sein.“
Mehr Bilder gibt es übrigens in der Bildergalerie.
Autor:Jörg Terbrüggen aus Emmerich am Rhein |
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