Die Bahn ist kompromissbereit
Es ist eines der Themen, das die Menschen hier entlang der Bahnstrecke beschäftigt. Es geht um die Sicherheit der Anwohner und das mögliche Eingreifen bei einem Unfall durch die Rettungskräfte. Und gerade hier scheint die Bahn mittlerweile kompromissbereit zu sein.
Wir treffen uns mit Martin Bettray, dem Leiter der Emmericher Feuerwehr. Er beschäftigt sich seit geraumer Zeit mit den Planungen der Deutschen Bahn in Sachen drittes Gleis der Betuwe-Linie. Wir sprechen mit ihm nicht als Bürger der Stadt („da habe ich in Sachen Lärmschutzwände eine andere Meinung“), sondern als Einsatzleiter der Feuerwehr, die bei Unfällen und einer hoffentlich nicht eintretenden Katastrophe ausrücken muss.
Das Sicherheitskonzept der Bahn sorgte in den vergangenen Monaten gerade bei den Experten der verschiedenen Feuerwehren für einiges Kopfschütteln. Denn in Sachen Erreichbarkeit an der Strecke zeigte sich die Bahn wenig kompromissbereit. Während auf der niederländischen Seite alle 200 Meter eine Einstiegsmöglichkeit in den Lärmschutzwänden besteht, beharrte die Bahn hier zunächst auf Türen in einem Abstand von 1.000 Metern. „Das ist nicht machbar“, meinte nicht nur Martin Bettray. „Wir haben das mal vor Ort ausprobiert mit Chemikalienschutzanzügen, wie weit und wie schnell wir vorankommen“, so Bettray. Das Ergebnis bekräftigte die Forderungen der Wehrleute: nur bei einer Spanne von 200 Metern wäre das überhaupt möglich.
Nicht mehr in Stein gemeißelt
„Allerdings kommt langsam auch hier ein Dialog mit der Bahn zustande“, gab sich Martin Bettray vorsichtig optimistisch. „Die Dinge sind jetzt nicht mehr in Stein gemeißelt, die Bahn versucht Lösungen anzubieten.“ Das kam bei einem Gespräch im November vergangenen Jahres in Duisburg heraus. Am 5. Dezember fand sogar eine Begehung des Planfeststellungsabschnittes 3.3 (Praest) statt. „Das alleine zeigt mir schon, dass die Bahn unsere Forderungen ernst nimmt“, so Martin Bettray.
Die Feuerwehr dürfe, anders als die Bürger und die zahlreichen Bürgerinitiativen, nicht emotional an das Thema herangehen. „Wir müssen uns damit beschäftigen, wie wir im Ernstfall schnell helfen können.“ Der Faktor Zeit und die Erreichbarkeit sind dabei immens wichtig. Ein mögliches Szenario, wie im italienischen Via Reggio sei nur zu beherrschen, wenn man schnell vor Ort sei und schnell durch die Lärmschutzwände komme. Allerdings bemerkte Bettray auch: einen Bleve (Explosion eines mit Flüssigkeit befüllten Waggons) habe es in all den Jahren in Deutschland noch nicht gegeben.
„Die Lärmschutzwände behindern einerseits eine Ausbreitung des Gefahrgutes, dies verschafft mehr Zeit zur Räumung der Nachbarschaft. Andererseits werden hier Verdünnungseffekte des gegebenenfalls austretenden Gefahrgutes (Flüssigkeiten und Gase) behindert und es können sich entsprechend kritische Konzentrationen direkt an der Austrittsstelle und im weiter angrenzenden Verlauf der Strecke bilden“, so Bettray. Allerdings stelle die Menge des Gefahrgutes ein großes Problem dar, denn die Kesselwagen sind jeweils mit gut 80 Tonnen verflüssigten Gasen beladen. „Das ist allerdings kein reines Problem der Betuwelinie, denn die Kesselwagen fahren jetzt auch schon auf der Strecke. Deshalb beschäftigen wir uns auch heute schon eisatztaktisch damit.“
Mobiles Wassersystem
Ein weiteres Problem ist die Verfügbarkeit von Löschwasser. „Wir fordern 6.000 Liter pro Minute an der gesamten Strecke“, bemerkte Martin Betrray. Zurzeit seien aber nur 1.000 bis 1.500 vorhanden. Weitere Brunnen oder Zysternen wären eine Möglichkeit. „Die Bahn verfolgt hier eine andere Möglichkeit, nämlich ein mobiles System. Das setzt allerdings voraus, dass genügend offene Entnahmestellen vorhanden sind. An 85 Prozent der Strecke in unserem Bereich geht das.“
Was hält der Leiter der Feuerwehr denn privat von der Betuwe-Linie, den Lärmschutzwänden und vom dritten Gleis? „Durch das dritte Gleis wird der Verkehr mehr verteilt und die Gefahr eines Unfalles verringert. Allerdings will ich das nicht bewerten, ob ein drittes Gleis oder eine siedlungsferne Trasse besser ist. Wir müssen nachher nur mit der Situation klarkommen.“ Ob die Bahn auf die Forderungen aus dem Arbeitskreis Streckensicherheit eingeht, wagt Bettray nicht zu bewerten.
„Wenn die Forderungen nicht umgesetzt werden, wird es eine politische Entscheidung geben. Unsere Forderungen stehen und dabei wird es auch bleiben. Wer das letztendlich finanziert, ist nicht unsere Baustelle.“ Die Bezirksregierung hat übrigens die Moderation eines neuen Arbeitskreises Sondergefahrenabwehrplan übernommen. Dabei geht es um die überörtliche Hilfe im Ernstfall. Im März wird es hierzu ein Treffen in Emmerich geben.
Autor:Jörg Terbrüggen aus Emmerich am Rhein |
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