Politisches Theater im kunstvollen Ambiente
Der Tod eines 59-Jährigen in Elten trübte ein klein wenig die Stimmung beim Neujahrsempfang des Emmericher Bürgermeisters Peter Hinze im PAN kunstforum. Er bedankte sich bei den Einsatzkräften für ihre geleistete Arbeit.
Erstmals waren an diesem Abend auch zahlreiche Bürger eingeladen, anders als in den Vorjahren. In diesem Jahr sind aber auch zum Beispiel einige Schülerlotsen und Mitglieder der Emmericher Hospizgruppe anwesend. Wie auf dem Neujahrsempfang der letzten Jahre üblich, hatte Hinze einen großen Scheck bei sich. In den letzten Monaten haben sich zahlreiche Freiwillige der Emmericher Schützenvereine, der Traditionsvereine und auch einige Privatpersonen mit der Spendendose auf den Weg gemacht, um in Emmerich für den Volksbund für Kriegsgräberfürsorge – kurz VdK – zu sammeln. Das Ergebnis ist mal wieder ein Rekord. In diesem Jahr haben die Bürger der Stadt insgesamt 15.153 Euro und 58 Cent für die Kriegsgräberfürsorge gespendet.
Hinze nahm die bekannten Theaterplakate zum Anlass auf sein Thema des Abends einzugehen.
Hinze wörtlich: "Theater. - So komme ich mir als Bürgermeister nämlich manchmal auch vor. Nicht selten stehe ich selbst auf der Bühne im Rampenlicht. Manchmal gewollt. Manchmal aber auch ungewollt. Manchmal als Akteur mit einer bestimmten Rolle. Und nicht selten gleichzeitig auch als Regisseur.
Manchmal sitze ich aber auch einfach nur im Zuschauerraum und beobachte wahlweise staunend, bewundernd oder erschrocken, was auf der Dorf-, der Stadt- oder der Weltbühne gerade mal wieder gegeben wird. Ohne Zweifel haben Politik und Theater viel gemeinsam. Ob als einfaches Ratsmitglied, als Bürgermeister oder als Bundesvorsitzender einer Partei hat man eine Rolle angenommen und muss diese auch ausfüllen. Das ist nicht immer vergnügungssteuerpflichtig. Fragen Sie mal Martin Schulz oder Angela Merkel.
Aber wir Politiker – und da schließe ich mich selbst mit ein – dürfen es mit der Theatralik im politischen Alltag auch nicht übertreiben. Dann nimmt uns der Zuschauer, der alle vier bis fünf Jahre das politische Ensemble neu besetzen darf, unser Engagement nämlich nicht mehr ab. Das gilt für die große Bundespolitik, aber auch für uns hier in Emmerich.
Wenn ich so auf das hinter uns liegende Jahr zurückblicke, muss ich feststellen, dass die politische Kultur in Emmerich durchaus ein wenig gelitten hat. Die Zusammenarbeit von Politik und Verwaltung und auch innerhalb des Stadtrates ist nicht unbedingt immer von großer Harmonie geprägt gewesen. Mit großer Sorge sehe ich, dass am Ratstisch die politische Verlässlichkeit und die Nachhaltigkeit des Tuns der Verwaltung immer wieder in Frage gestellt werden. Und das mit einer Schärfe, die manchmal den Eindruck entstehen lässt, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Verwaltung würden gegen die Interessen der Stadt arbeiten – und das auch noch bewusst mit Vorsatz. Zu oft standen für meinen Geschmack voreiliger Aktionismus und politisches Paktieren und Taktieren im Vordergrund.
Ich selbst bin seit vielen Jahren in der Lokalpolitik aktiv. Darum bin ich mir durchaus bewusst, dass zur Demokratie immer auch die argumentative Auseinandersetzung und das Ringen um Kompromisse gehören. Das erzeugt zwangsläufig Reibung. Und Reibung wiederum Wärme. Die politische Kunst besteht jetzt aber darin, diese Wärme in Energie umzusetzen. Energie, mit der wir unsere Stadt voran bringen. Das kann aber nur gelingen, wenn ein Mindestmaß an Vertrauen zwischen den politischen Akteuren besteht – davon bin ich überzeugt. Ansonsten bleibt die produzierte Wärme nämlich nicht mehr als heiße Luft.
Auch wenn die nächsten Kommunalwahlen näher rücken, hoffe ich, dass es uns allen im neuen Jahr wieder besser gelingt, weniger Gegeneinander zu agieren, sondern mehr miteinander. Wir müssen ehrlich sein und vertraut miteinander agieren. Nur dann, und zwar wirklich nur dann, nehmen uns die Bürger auch die Rollen ab, die sie uns mit dem Kreuz auf dem Wahlzettel zugedacht haben.
Um nochmal auf das Bild vom Theater zurückzukommen: ich hatte eingangs davon gesprochen, dass ich mich das ein oder andere Mal auch nur als Zuschauer im Theater fühle. Im letzten Jahr ging mir das mehrfach mit den Investoren unserer Großprojekte am Neumarkt und am Kasernengelände so. Da sitzen Sie da im Theatersessel, haben extra noch schnell die Bühnenbretter geschliffen, die Scheinwerfer poliert und für eine ansprechende Kulisse gesorgt, und dann passiert – nix. Kein Auftritt, kein Vorhang, einfach nur gähnende Leere auf der Bühne. Dass da bei vielen Bürgern, die ja ebenfalls mit im Zuschauerraum sitzen, Unverständnis und Verärgerung aufkommen, ist nur verständlich. Mir geht es da häufig auch nicht anders. Dass der Eindruck entsteht, die Investoren können mit uns machen, was sie wollen, kann ich keinem verübeln – und entspricht ehrlicherweise manchmal sogar auch den Tatsachen.
Ich bin mir bewusst, dass es bei Projekten wie der Neumarktbebauung oder dem Gesundheitspark um Millionensummen geht. Investoren gehen nicht unbeträchtliche finanzielle Risiken ein, um in unserer Stadt bedeutende Vorhaben zu realisieren. Ich sage es auch hier nochmal ganz deutlich: wir brauchen diese privaten Geldgeber, um unsere Stadt voran zu bringen. Deshalb sehe ich es auch als zentrale Aufgabe von Politik und Verwaltung an, um ihnen bestmögliche Voraussetzungen für ihr Investment in den Standort Emmerich zu schaffen.
Aber ich möchte auch ganz deutlich sagen: gerade, was die beiden Großprojekte Neumarkt und Gesundheitspark anbelangt, erwarte ich von den Investoren in den nächsten Monaten des neuen Jahres, dass sie sich an ihre Zusagen halten und endlich Neues entstehen lassen. Die Kollegen im Rathaus haben alles möglich gemacht – und das zum Teil unter enormen Zeitdruck und in vielen Überstunden – um geplante Projekte Wirklichkeit werden zu lassen. Wir haben unsere Hausgaben gemacht…….
Als unser Kämmerer vor ziemlich genau einem Monat den Haushaltsentwurf für 2018 vorgestellt hat, stand da am Ende ein ansehnliches Plus.Als Bürgermeister freut es mich natürlich, dass es unserer Stadt stetig besser geht. Das liegt in erster Linie an unseren vielen Unternehmen, die sich immer wieder mit Investitionen zum Standort Emmerich bekennen und uns dank voller Auftragsbücher, gute Gewerbesteuereinnahmen bescheren. Ich weiß, dass heute Abend auch einige Unternehmensvertreter anwesend sind. Ihnen allen meinen Dank und natürlich alles Gute für das neue Geschäftsjahr! Mögen Ihre Firmen und Ihre Gewinne hier in Emmerich auch weiterhin kräftig gedeihen…
Ich bin vor kurzem in einem Zeitungsinterview gefragt worden: „Herr Bürgermeister, jetzt steht Emmerich finanziell so gut da, wie kaum eine andere Kommune im Kreis Kleve. Wo bleibt das ganze Geld eigentlich?“ Lassen Sie mich deshalb kurz auf einige Projekte eingehen, die mir besonders am Herzen liegen und in die wir 2018 – und auch in den Folgejahren viel Geld – investieren werden: Da ist in erster Linie natürlich der Aus- und Aufbau der Gesamtschule mit ihren drei Standorten. Ich bin froh, dass wir dort nach Jahren der Planung nun auch sichtbar für jeden mit den Bautätigkeiten beginnen konnten. Derzeit sieht es so aus, dass wir im Sommer die Kernsanierung des ehemaligen Gebäudes der Europaschule abgeschlossen haben werden und dann das Brink-Gebäude in Angriff nehmen können. Bis 2023 werden wir räumlich und technisch Voraussetzungen geschaffen haben, die eine gute Grundlage für die optimale und zukunftsfeste Entwicklung der Gesamtschule hier in Emmerich bieten wird.
Ich werde immer mal wieder darauf angesprochen, dass wir uns zu sehr auf die Gesamtschule fokussieren würden und die anderen Schulen vernachlässigen. Es stimmt, dass die Gesamtschule kosten- und zeitmäßig derzeit einen großen Raum einnimmt. Dass wir aber die anderen Schulen deshalb benachteiligen, dagegen möchte ich mich entschieden wehren. Wir wollen einen hochwertigen Schulstandort und den erreichen wir nur, wenn wir Grundschulen, Gymnasium und Gesamtschule gut ausstatten.
Ein Beispiel: es freut mich, dass wir in Kürze sämtliche Klassenräume in allen Grundschulen im Stadtgebiet mit modernen Whiteboards ausgestattet haben werden. Ein wegweisendes Projekt, das in der Region einmalig ist und das nur dank fachkundiger Mitarbeiter im Rathaus und engagierter Schulleitungen und Lehrkräfte umgesetzt werden konnte! Wir haben gerade vorgestern im Schulabschluss über Medienentwicklungsplan für unsere Schulen diskutiert. Auf dieser Grundlage sind schon jetzt im Haushalt mehr als 800.000 Euro für eine zeitgemäße IT-Ausstattung aller Schulen vorgesehen.
Wir bauen derzeit neue Klassenräume an der Leegmeer-Schule. Wir investieren auch weiterhin in die Ausstattung mit Möbeln, Büchern und anderen Materialien. Ich bin davon überzeugt, dass wir unseren Verpflichtungen als Schulträger weiter über das übliche Maß hinaus nachkommen. Gute Bildung ist ein wichtiger Mosaikstein für die Zukunft unserer Stadt.
Wir müssen immer wieder bewusst machen, dass gute Bildung heute eine ganz andere Ausstattung benötigt, als noch vor 15 oder 20 Jahren. Und das meine ich nicht nur mit Bezug auf die Technik, sondern auch in sozialer Hinsicht. Kinder wachsen heute in immer instabileren familiären Strukturen auf. Da sind wir alle gefordert. Deshalb engagieren wir uns in Emmerich zum Beispiel in den Kindergärten oder den Offenen Ganztagsschulen weit über das gesetzliche Maß hinaus. Das sind Investitionen, die ich für dringend geboten und unheimlich wichtig halte. Eine gute Bildung ist die Grundlage für die Entwicklung jedes einzelnen Kindes, aber auch für die Zukunft unserer Stadt insgesamt.
Das gilt übrigens auch für den Bereich der Integration. War der Begriff in den Vorjahren noch in aller Munde, ist er in der öffentlichen Wahrnehmung ein wenig in den Hintergrund gerückt. Aber gerade in Emmerich muss uns dieses Thema umtreiben – auch bei derzeit sinkenden Flüchtlingszahlen. Warum? Ich nenne da nur mal eine Zahl: In Emmerich leben derzeit 134 Kinder unter 3 Jahren mit einem polnischen Pass. Tendenz steigend. Das zeigt deutlich, Investitionen in Schulen, in Kindergärten und in familienunterstützende Angebote sind unglaublich wichtig. Sie ermöglichen eine „echte“ Integration. Ich bin überzeugt, dass es nur so gelingen kann, die Potentiale, die durch die Zuwanderung zweifelsohne für unsere Stadt bestehen, auch tatsächlich freizulegen.
Aber. Und das möchte ich hier auch in aller Deutlichkeit sagen: Integration ist keine Einbahnstraße. Wir müssen auch verlangen dürfen, dass diejenigen, die sich für unsere Stadt als Lebensmittelpunkt entschieden haben, eine Bereitschaft zur Integration mitbringen.
Wir investieren in Bildung, aber wir investieren natürlich auch in die Weiterentwicklung unseres Stadtbildes – insbesondere das der Innenstadt. So können wir hoffentlich in Kürze mit der Platzgestaltung des Neumarktes und ersten Maßnahmen aus dem Innenstadtentwicklungskonzept beginnen.Der Wette Telder wird wieder in neuem Glanz erstrahlen und – das ist mir ganz besonders wichtig – eine Nutzung bekommen, die dieses älteste Gebäude der Stadt öffnet – für alle Bürger und alle Gruppierungen dieser Stadt. Ich wünsche mir ein Haus, das neue Verbindungen schafft. Vor meinem geistigen Auge sehe ich dann z. B. den Lions-Club der im Obergeschoss seine Vorstandssitzung abhält und gleichzeitig treffen sich im Erdgeschoss junge Mütter mit ihren Kindern zum Familiencafé um vielleicht ihre Sorgen und Nöte zu besprechen. Wenn es uns gelingt, mit vereinten Kräften so ein Haus zu schaffen, dann leisten wir damit einen wichtigen Beitrag sowohl für das Zusammenleben in unserer Stadt aber auch für eine Aufwertung unserer Innenstadt.
Noch eine kleine Anmerkung zum Thema Einzelhandel. Ich höre und lese immer wieder, dass es ja zu wenig oder die falschen Einzelhändler und zu viele Leerstände in der Innenstadt gibt. Das stimmt. Das sehe ich genauso. Aber alle Maßnahmen, die wir für die Innenstadt mit Steuergeldern anschieben, können nur begleitend sein. Für eine erfolgreiche Entwicklung der Innenstadt kommt es auf jeden einzelnen von uns an: Vielleicht gucken wir einfach mal vier Wochen zurück. Weihnachten. Wie viele Pakete hat der Bote für einen kargen Lohn – eventuell noch abends um halb acht – in irgendeinem alten, verbeulten Fahrzeug ins Haus gebracht?
Jeder – und da nehme ich mich überhaupt nicht aus – muss sein Kaufverhalten hinterfragen. Wer abends auf der Couch bei Amazon und vielen anderen bestellt, darf sich am nächsten Morgen nicht beklagen, dass wir hier in der Kaßstraße keinen „H&M“ oder keinen „Esprit“-Laden haben."
Zum Schluss schnitt Hinze noch ein Thema an, das ihm aktuell schwer im Magen liegt und das alle 2018 wahrscheinlich noch beschäftigen wird. Es betrifft die Betuwe-Linie. "Um mal wieder auf das Bild vom Theater zurückzukommen: ich komme mir da aktuell vor, wie ein Artist auf der Bühne, der versucht einen Spagat hinzulegen. Einen Spagat zwischen dem, was tatsächlich machbar ist, und dem, was gewünscht wird. Lassen Sie mich eins sagen: Wir versuchen in den Gesprächen mit der Bahn und den Bundesbehörden, das Maximum für die Menschen an der Strecke herauszuholen. Das ist uns in vielen Bereichen schon gelungen. Das gerät aber immer wieder zu schnell in Vergessenheit: Ursprüngliche Planungen für Bahnübergänge, wie zum Beispiel im Ortsteil Hüthum, wurden deutlich bürgerfreundlicher gestaltet. Es wird entlang der Strecke deutlich bessere Sicherheitsvorkehrungen geben – ein Erfolg, den wir dem Engagement unserer Feuerwehr maßgeblich zu verdanken haben. Aktuell verhandeln wir unter anderem über Ausmaß und Form des Lärmschutzes. Wir setzen uns dabei vehement für den derzeit noch nicht eingeplanten Lärmschutz an der Nordseite des Bahnhofes ein. Und auch die städtebaulich ansprechende Gestaltung des Lärmschutzes in der Innenstadt ist für uns ein wichtiges Thema. Wir haben viel erreicht und wir werden auch noch viel erreichen.
Aber – und das möchte ich auch ganz deutlich sagen – wir dürfen den Bogen auch nicht überspannen. Insbesondere in der Frage der Beseitigung der Bahnübergänge müssen wir als Kommune eigentlich ein Drittel der Kosten selbst tragen. Bund und Land haben uns eine vollständige Übernahme der Kosten zugesagt, wenn – ja wenn – wir uns mit der Bahn in der Frage der Bahnübergänge einigen. Der viel gescholtene Konsens.
Wir haben seit November eine politische Beschlusslage im Rat, die den Konsens – meiner Meinung nach – erheblich gefährdet. Damit rollt ein unkalkulierbares Risiko auf den städtischen Haushalt zu. Wenn wir das kommunale Drittel nicht erstattet bekommen, bleiben wir auf 14 Millionen sitzen – mindestens. Übrigens ohne die Garantie zu haben, das dann so gebaut wird, wie wir uns das wünschen. Und die 14 Millionen sind in dem Fall wohl eher die untere Grenze: wenn ich mir zum Beispiel das neue Brückenbauwerk in Praest anschaue: das ist mal eben doppelt so teuer geworden wie geplant. Dieses Geld wird dann in Zukunft fehlen, um weiter in Schulen, in Straßen und in Personal zu investieren.
Politik heißt Verantwortung übernehmen, Politik heißt Entscheidungen zu treffen. Das wird nicht einfacher. Sich aber in entscheidenden Momenten weg zu ducken oder zu enthalten, ist keine Lösung. Das zeigt das Thema Sparkasse und das wird auch für das Thema Betuwe gelten: wir werden uns am Ratstisch alle nicht vor unbequemen Entscheidungen drücken können. Wir müssen Entscheidungen treffen und diese dann in der täglichen Auseinandersetzung mit den Bürgerinnen und Bürgern vertreten müssen. Keiner gibt uns die Garantie, dass die heute getroffene Entscheidung sich nicht morgen als falsch herausstellt. Und da unterscheiden sich Politik und Theater dann doch: beim Theater gibt es ein Drehbuch, da weiß man als Akteur, was in der nächsten Szene passiert und wie das Stück endet. Aber, meine Damen und Herren, in der Politik ist das anders, Entscheidungen sind im hier und jetzt zu treffen und ob es eine falsche oder richtige Entscheidung war - das erweist sich oft erst Jahre später…..aber dafür sind wir gewählt.
Das ist Teil unserer Rolle."
Autor:Jörg Terbrüggen aus Emmerich am Rhein |
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