Politik Emmerich
Bürgermeister Peter Hinze im Kreuzfeuer

Neben dem Stadtrat kamen knapp 60 Bürger zur Sonderratssitzung in die Dreifachturnhalle des Gymnasiums. | Foto: Dirk Kleinwegen
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  • Neben dem Stadtrat kamen knapp 60 Bürger zur Sonderratssitzung in die Dreifachturnhalle des Gymnasiums.
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Sondersitzung des Rates informierte über Greensill-Pleite

Kurzfristig wurde die Sondersitzung des Stadtrates von der Aula der Gesamtschule in die Dreifach-Turnhalle des Willibrord-Gymnasiums verlegt. Es sollte damit allen interessierten Emmericher Bürgern die Möglichkeit gegeben werden, an der Sitzung teilzunehmen. Der mögliche Verlust von sechs Millionen Euro durch die Pleite der Greensill-Bank lockte rund 60 interessierte Bürger in die Turnhalle.

Zu Beginn der Ratssitzung korrigierte Kämmerin Melanie Goertz noch einen Wert aus der Niederschrift zur letzten Sitzung des Rates. Durch einen Rundungsfehler im Haushaltsplan hatte sich eine Differenz von einem Euro eingeschlichen - verschwindend gering im Gegensatz zu der Summe von 6 Millionen, mit der man sich in der restlichen Ratssitzung beschäftigen musste. Fast alle weiteren Punkte der Tagesordnung wurden auf einen Ersatztermin verschoben.
       Der von der Stadt Emmerich beauftragte Rechtsanwalt Dr. Volker Weinreich von der Kanzlei Aulinger aus Bochum brachte die anwesenden Politiker und Bürger über die Entstehung, das Geschäftsmodell und auch die Ursachen der Insolvenz auf einen gemeinsamen Kenntnisstand. Die Geschäftsidee der Greensill war die Finanzierung von Lieferketten mit langen Zahlungszielen. Das Geld dazu bekam sie von privaten und öffentlichen Anlegern. Da die Bank ihre Kredite nur wenigen Kunden, aber mit hohen Beträgen zur Verfügung stellte, begannen schon im April 2019 eine Prüfung auf sogenannte Klumpenrisiken durch den Prüfungsverband deutscher Banken. Da die beliehenen Forderungen gegen Ausfall versichert waren, gab es hier aber noch keine Notwendigkeit einzuschreiten. Erst als das japanische Versicherungsunternehmen diese Versicherung nicht verlängerte, wurde die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht BaFin tätig. Es wurde ein Ermittlungsverfahren eingeleitet und später der Insolvenzantrag gestellt.
       Während Kleinanleger durch den öffentlichen Einlagensicherungsfond der Banken entschädigt werden, bleiben öffentliche Anleger womöglich auf ihren Forderungen sitzen - die Stadt Emmerich mit 6 Millionen, den höchsten Ausfall könnte das Land Thüringen mit 50 Millionen Euro erleiden. Mittlerweile haben sich 34 geschädigte Kommunen zusammengeschlossen, um gemeinsam weitere Schritte einzuleiten. Für Emmerich sollen, neben der Anmeldung der Insolvenzforderung, Ansprüche gegen die Anlageberater, dem Vorstand der Greensill-Bank, den Abschlussprüfern der Bank sowie der BaFin geprüft werden. Es soll auch ermittelt werden, ob Ansprüche gegen Mitarbeiter der Stadt geltend gemacht werden können, in diesem Fall könnte die Vermögensschadenshaftpflichtversicherung der Stadt einspringen.
        „Es ist nicht ausgeschlossen“, so machte der Rechtsanwalt deutlich, „dass die Insolvenzforderungen ganz oder teilweise bedient werden. Aber das Insolvenzverfahren wird möglicherweise Jahre dauern.“

Keine Haushaltssicherung für Emmerich

        Kämmerin Melanie Goertz zeigte den anwesenden Ratsmitgliedern die Konsequenzen des drohenden Verlustes für den städtischen Haushalt auf: „Wir rutschen durch den Verlust nicht in die Haushaltssicherung. Ich hatte aber bei Verabschiedung des Haushaltes vor einigen Wochen bereits deutlich gemacht, dass es notwendig ist, dass sich Verwaltung und Politik für die mittelfristige Finanzplanung Gedanken über mögliche Konsolidierungsmaßnahmen machen.“ Aus diesem Grund hatte die Stadtverwaltung vorgeschlagen, eine Arbeitsgruppe „Haushalt“, bestehend aus Vertretern der Verwaltung und der Politik, einzurichten.
       Auch wenn mehrfach versichert wurde, weder Stadtverwaltung noch Bürgermeister vorzuverurteilen, mussten sich diese während der Fragestunden der Politik und der Öffentlichkeit viele Vorwürfe und Fragen gefallen lassen. Der Bürgermeister und die Kämmerin mussten vielfach erläutern, wie es genau zu der Geldanlage bei Greensill gekommen ist, wie sich im Vorfeld über die Bank informiert wurde, in welcher Form auf das Moratorium gegen die Bank und auf das Insolvenzverfahren reagiert wurde und wie Politik und Öffentlichkeit letztendlich informiert wurde. Auch Fragen über die Anlagestrategie oder die internen Abläufe bei der Stadtverwaltung wurden gestellt.
Die BürgerGemeinschaft Emmerich warf der Stadt vor, zwar 300.000 Euro in Ingenieur- und Beraterleistungen zu investieren, sich aber bei der Geldanlage auf eine kostenlose Internet-Vermittlungsplattform zu verlassen, die erst knapp fünf Jahre auf dem Markt ist.
       Bürgermeister Peter Hinze wies jede Vorverurteilung zurück und verwies auf die späteren Ergebnisse der Rechnungsprüfung und dem noch zu beauftragenden Wirtschaftsprüfer hin. Zu der vermeintlichen Internetplattform wollte Hinze im nichtöffentlichen Teil der Ratssitzung Stellung nehmen.

Dienstaufsichtsbeschwerde gegen den Bürgermeister

       Die BGE, aber auch die CDU, hatten bereits einige Tage zuvor eine Dienstaufsichtsbeschwerde beim Kreis Kleve und der Landrätin Silke Gorißen eingereicht, dabei wurde von einem strafrechtlich und zivilrechtlichen Anfangsverdacht gesprochen.
       Trotz aller Differenzen wurde der vorgelegte Beschlussvorschlag einstimmig angenommen. Demnach werden weitere Prüfungen durchgeführt und dem Rat vorgelegt. Es soll eine örtliche Anlagenrichtlinie erstellt werden. Eine Arbeitsgruppe „Haushalt“ mit Vertretern aus Politik und Verwaltung sollen zur Festlegung akuter und mittelfristiger Finanzplanung betreffender konsolidierender Maßnahmen eingerichtet werden. Zusätzlich soll ein Begleitausschuss unterhalb des Rechnungsprüfungsausschuss initiiert werden. Dieser Ausschuss soll sich künftig ausnahmslos mit der Aufarbeitung des Greensill-Falls beschäftigen.

Dirk Kleinwegen / Stadtanzeiger Emmerich-Rees-Isselburg

Autor:

Dirk Kleinwegen aus Rees

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