Kleve - Emmerich - Goch - Niederrhein: Leidenschaft für schwarze Künste - Gott grüß die Kunst

Die Gehilfenprüfung zum Schriftsetzer, von Walter Mehnert

Ja, das waren noch Zeiten:

Gott grüß die Kunst
Schriftsetzer, Buchdrucker, Buchbinder, Lithographen und viele andere Jünger der Schwarzen Kunst grüßten und grüßen sich bis heute sowohl mündlich als auch schriftlich mit dem Buchdruckergruß ,,Gott grüß die Kunst'', auf den ,,Gott grüße sie'' erwidert werden sollte. Beachtenswert ist, dass im Gegengruß das ,,sie'' klein geschrieben wird, denn es bezieht sich auf die Kunst, nicht auf den Grüßenden.

Gehilfe
Der Geselle, wie ein Facharbeiter in anderen Berufen nach Abschluß seiner Lehre genannt wird, heißt in unserem Beruf ,,Gehilfe''. Wir sind keine gewöhnlichen Arbeiter, wir können lesen und schreiben, wir sind keine Gesellen, wir sind Gehilfen. Also Gehilfen des Meisters, um Meisterwerke zu schaffen.

Gautschen
Mit dem Gautschen nehmen die Schriftsetzer- und Buchdrucker- Meister und -Gehilfen seit Jahrhunderten die Lehrlinge nach Abschluß der Lehrzeit in ihren erlauchten Kreis auf. Die Lossprechung nach bestandener Gehilfenprüfung erfolgt immer in feierlicher Form. Für dieses Ereignis wird in den Druckereien ein Gautschmeister ernannt. Er zieht einige Gehilfen ins Vertrauen, lässt einen Bottich, eine Badewanne oder ähnliches mit Wasser füllen und aufstellen. Auf das Kommando des Gautschmeister packen vier Gehilfen den Gäutschling, tragen ihn unter Begleitung aller Kollegen in den Hof und setzen ihn in die Bütt. Anschliessend gibt es ein Gautschfest mit gutem Essen, Trinken und Gesang. Dazu gehört dann auch die feierliche Übergabe des Gautschbriefes. Bei jeder Gautschfeier müssen die Altgehilfen selbstverständlich ihren Gautschbrief vorzeigen, sonst wird die Taufe wiederholt. Nach altem Brauch und Sitte werden zur Festlichkeit nur die gegautschten Kollegen eingeladen, zumal der oder die Gäutschlinge das Fest allein zu bezahlen haben. Der Gautschbrief soll als bleibende Erinnerung an den festlichen Akt der Würde des Anlasses entsprechen und wird vom Gautschmeister bestellt und von den anwesenden Meistern und Gehilfen unterschrieben.

Hurenkind
Als Hurenkind wird die letzte Zeile eines Absatzes bezeichnet, wenn sie zugleich die erste einer neuen Spalte oder Seite ist. Hurenkinder gelten in der Typografie als schwere handwerkliche Fehler, da sie die Ästhetik des Satzspiegels besonders stark beeinträchtigen.

Kolumnenschnur
Eine Kolumnenschnur ist rot oder orange. Alles andere ist eine Kordel. Mit der Kolumnenschnur umwickelt der Setzer die Akzidenz, führt das am Ende verknotete Stück z. B. mit der Ahle durch die Wicklung, zurrt das ganze fest - fertig.

Leiche
Fehlende Buchstaben, Wörter und Sätze

Offizin
Als eine Offizin (von lat. officina ,,Werkstätte'', ,,Arbeitsraum'', auch: ,,Herd'', ,,Wirtschaftsgebäude'') bezeichnete man seit dem späten Mittelalter eine Werkstatt mit angeschlossenem Verkaufsraum, die hochwertige Waren produzierte. Der Begriff wird auf unterschiedliche Weise für Buchdruckereien und für Apotheken bis heute verwendet.

Schwarze Kunst
Als Schwarze Kunst wird eine Berufsausübung bezeichnet, die direkt oder indirekt mit der Entwicklung der beweglichen Lettern und des Buchdrucks verbunden ist, wobei sich ,,schwarz'' auf die schwarze Druckfarbe bei Büchern und Zeitungen bezieht. Insbesondere auf die Tätigkeiten des Druckers und des Schriftsetzers findet diese Bezeichnung Anwendung. Nach dem Gautschen dürfen sich Angehörige dieser Berufe ,,Jünger der Schwarzen Kunst'', ,,Schwarzkünstler'' oder ,,Jünger Gutenbergs'' nennen.

Schusterjunge
Wenn eine Seite oder Spalte nach der ersten Zeile eines neuen Absatzes umbrochen wird, so wird diese allein am Ende der Seite oder Spalte stehende Zeile als Schusterjunge bezeichnet. Der Schusterjunge gilt gegenüber dem Hurenkind als weniger gravierender Fehler und fällt besonders dann auf, wenn Absätze mit Einzug gesetzt werden.

Aushängebogen
In der Frühzeit des Druckens wurden druckfertige Bogen vor Beginn des Auflagendrucks im Freien vor der Druckerei aufgehängt. Dazu wurden die ersten Bogen noch im Druck aus der Maschine entnommen. Interessierte untersuchten diese Bogen und bekamen beim Finden eines Fehlers eine Prämie.

Wasserzeichen
Nachweislich seit 1282 in Bologna/Italien kennzeichneten die Papiermühlen ihre Ware, indem sie auf der Schöpfform einen dickeren Draht (auf der Papiermaschine auf dem Egoutteur) in Form eines Buchstabens oder eines Symbols befestigten. Diese Figur hinterlässt einen Abdruck im Papier: die Faserschicht ist dort dünner, und bei durchscheinendem Licht wird das so genannte Wasserzeichen als transparenteres Bild sichtbar.

Antiquaschrift
Antiqua (lat. antiquus ,,alt, einstig'') bezeichnet Schriftarten mit gerundeten Bögen, die auf dem lateinischen Alphabet basieren und sich ursprünglich auf Vorbilder der römischen Antike bezogen. Antiqua-Schriften und deren Mischformen sind heute die am häufigsten genutzten Druck- und Schreibschriften für westliche Sprachen. Umgangssprachlich bezeichnet man als Antiqua auch Serifenschriften als Gegensatz zur serifenlosen Linear-Antiqua, den Grotesk-Schriften. Ihr gegenüber stehen die ebenfalls auf dem lateinischen Alphabet basierenden gebrochenen Schriften sowie die nicht-lateinischen Schriften wie etwa Kyrillisch oder Chinesisch.

Frakturschriften
Diese Schriften werden auch gebrochene Schriften genannt und gehen auf die gotische Schrift zurück. Eine Art der Renaissance haben diese Schriften in den sogenannten 'Deutschen Schriften' erlebt, wie z. B. bei der Schwabacher.

Büttenrand / Büttenpapier
Der unregelmäßige, fasrig-ausgedünnte Rand zeichnet das handgeschöpften Büttenpapier aus.

Hadernpapier
Überwiegend aus Textilabfällen (Baumwolle, Leinen, Hanf) hergestellte Papiere. Für sehr beständige, wertvolle, langlebige Dokumente, Banknoten, Urkunden. Bis zum 18. Jahrhundert waren Hadern (Lumpen) der einzige Rohstoff für die Papierherstellung.

... Fortsetzung folgt!

Autor:

Christian Tiemeßen aus Emmerich am Rhein

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