Elfriede Mullfuß- eine Frau vom Niederrhein - erste Geschichte

Gestatten Sie, dass ich Ihnen Elfriede Mullfuß vorstelle.
Und ihren Klaus-Dieter.

Elfriede Mullfuß ist eine Persönlichkeit.
Eine große, schwere, umfangreiche Person von wohlwollend geschätzten fünfzig Jahren und doppelten Kilos. Kleine Füße, kleiner Kopf mit rötlich-krauser Dauerwelle und dazwischen viel weiches, weißes Volumen.

Aber das stört sie nicht. Sie ist verheiratet. Sie ist Frau Elfriede Mullfuß. Frau Klaus-Dieter Mullfuß.

Eigentlich heißt Klaus-Dieter gar nicht Klaus-Dieter. Er ist nämlich Franzose, ein kleiner, feingliedriger Mann, der einst auf den Namen Jean-Jacques Moulefousse getauft worden ist. Aber das ist Elfriede zu unaussprechlich. Und so hat sie ihm kurzerhand einen guten, niederrheinischen Doppelnamen verpasst. Nach ihrem Großvater mütterlicherseits.

Klaus-Dieter also, der ihr Angetraute. Der sich vor gut zwanzig Jahren getraut hatte, sie zum Tanzen aufzufordern und sich kurz darauf in seinem besten Anzug vor dem Altar kniend wieder gefunden hatte.
Er konnte nie genau sagen, was damals passiert war.
Irgendwie war das Schicksal wie ein Wirbelsturm über ihn hinweg gefegt und hatte ihn Elfriede vor die Füße geworfen just in dem Moment, als sie tanzen wollte und feststellen musste, dass mal wieder niemand frei war und sie aufforderte.
Jean-Jacques war durchaus angetan von ihr, denn sie hatte reichlich von allem, was ein Mann begehrt. Sie war schon damals ein Vollblutweib mit der Aussicht auf mehr.

„Mademoiselle?“
Das und dass er verfügbar war, reichten Elfriede, und augenblicklich schmolz sie in seinen Armen dahin. Er zog sie dichter an sich heran und erahnte die Fülle verborgener Lockungen und Versprechungen, die sein jungfräuliches Herz verwirrten.

Elfriede genoss seine Nähe ebenfalls, aber im Gegensatz zu dem jungen Franzosen ließ sie nicht nur ihr Herz zu Wort kommen, sondern schaltete auch ihren Verstand auf scharf. Unauffällig schmiegte sich zärtlich näher und näher und erkundete, was es an ihm zu erkunden gab.

Er gefiel ihr.
Also nahm sie das Heft und sein weiteres Schicksal in die Hand, und aus Jean-Jacques Moulefousse wurde Klaus Dieter Mullfuß.

Elfriede genoss es, wenn er in zärtlichen Momenten seinen Kopf in die Kuhle an ihrem Hals legte und ihr französische Koseworte ins Ohr flüsterte. Inzwischen aber war die Fläche zwischen Unterkiefer und Schlüsselbein wie auch alle anderen Kuhlen an ihr zugewachsen, zu Beulen mutiert, nicht mehr existent, denn Elfie hatte von dem Moment an, als sie den Trauring am Finger spürte, zugelegt. Kontinuierlich . Sozusagen täglich.

Klaus-Dieter dagegen verlor seinen Babyspeck im selben Maße, wie Elfriede ihn auflegte. Er wurde schon satt vom bloßen Zusehen. Und so wurde er immer dünner und dünner. Ein zierlicher, kleiner und hagerer Ex-Franzose.

Diese beiden sind so unterschiedlich, wie zwei Menschen nur unterschiedlich sein können und doch sind sie glücklich miteinander. Meistens jedenfalls.
Niederrhein und Bourgogne
Deutschland und Frankreich.
Dick und dünn.

Sie haben eine feste Einteilung für alles in ihrem Leben:
Elfriede sagt, Klaus-Dieter tut.
Klaus-Dieter verdient das Geld, Elfriede gibt es aus.
Elfriede singt beim Liebesspiel, Klaus-Dieter arbeitet.
Klaus-Dieter darf einmal im Jahr für eine Woche nach Burgund, Elfriede zwei Wochen auf die Schönheitsfarm.
Wenn Elfriede weint, muss Klaus-Dieter auch weinen.
Aber wenn Elfriede glücklich ist, dann geht für Klaus-Dieter die Sonne auf.

©Text: Christel Wismans
© Cartoon: Gottfried (Mac) Lambert

Autor:

Christel Wismans aus Emmerich am Rhein

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