Die Tücke des Objekts oder die Suche
Die Tücke des Objekts
Garantiert ist es Euch auch schon passiert. Ihr macht die Waschmaschine leer, seid davon überzeugt, immer zwei Socken hineingestopft zu haben, oder habt sogar extra aufgepasst, dass es nicht nur ein Einzelner ist. Dann passiert es. Von dem blauen Paar ist nur noch einer da. Noch mal die Trommel gedreht, mit der Taschenlampe hinein geleuchtet, nein er ist weg.
Meine Waschmaschine frisst Socken.
Die zurückgebliebene Socke fühlt sich einsam und gerade will ich sie entsorgen, da schaue ich sie noch einmal an und was sehe ich? Sie hängt traurig in meiner linken Hand, so als wolle sie sagen:
„ So ist das also? Vor noch gar nicht langer Zeit, da hast du mich gekauft. Gerade mein Bruder und ich sollten es sein. Nein, du wolltest kein anderes Paar, du wolltest uns. Wie haben wir uns gefreut, dir deine ewig kalten Füße zu wärmen. Haben auch nichts gesagt, wenn sie ein wenig, na sagen wir, gerochen haben. Mein Bruder ist verschwunden. Als wir in die Maschine kamen, waren wir noch eng beieinander, aber dann drehte sich die Trommel und ich verlor ihn aus den Augen. Niemals hätte er mich freiwillig verlassen. Es muss ihm etwas passiert sein.“
Nachdenklich hängte ich die Socke auf die Leine und dachte mir, dass sich vielleicht die zweite Socke irgendwann anfinden würde. Alles trocknete schnell, denn die Sonne brannte vom Himmel. Es dauerte keine zwei Stunden, dass ich die Wäsche wieder von der Leine nahmen konnte. Die einsame Socke fühlte sich weich und kuschelig an. Wenn ich nur wüsste, wo die zweite Socke abgeblieben war. Plötzlich hörte ich aus der Küche, da wo meine Waschmaschine stand—nichts. Dabei sollte doch die Waschmaschine mit der Bettwäsche darin schon mindestens im Schleudergang ihre Arbeit tun. Hatte ich es überhört? War sie schon fertig und das Programm durchgelaufen? Ahnungsvoll betrat ich die Küche und meine Befürchtungen bewahrheiteten sich. Die Maschine stand und gab keinen Mucks mehr von sich. Ich dreht an dem Schalter, stellt sie auf abpumpen—nichts geschah.
Ärgerlich ging ich ins Wohnzimmer, nahm den Hörer des Telefons ab und—legte wieder auf. Wo war nur das Telefonbuch. Schon seid Monaten hatte ich es nicht mehr gebraucht. Hatte ich es weggeworfen? Jetzt viel es mir wieder ein. Es steckte unter dem Regal im Vorratsraum. Ich konnte mich noch genau daran erinnern. Der Fuß des Regals , hatte wahrscheinlich dem Druck der Konservenvorräte nicht standhalten können und war umgeknickt. Praktisch veranlagt wie ich nun mal bin, habe ich sofort gewusst—das Telefonbuch, ist der perfekte Ersatz.
Allerdings standen auf dem Regal, immer noch an die 30 Konserven und der Fuß, fehlte immer noch. Wie lang war das nun schon her? Jetzt war Sommer und ich konnte mich dunkel erinnern, dass die Blätter gerade von den Bäumen fielen, also muss es vergangenes Jahr Herbst gewesen sein.
Regal abräumen? Nein, bestimmt nicht. Telefonauskunft anrufen? Nein, zu teuer. Tageszeitung, ja , da könnte eine Anzeige drinstehen, Waschmaschinenreparatur. Nach längerem durchforsten der Tagespresse, stellte ich enttäuscht fest, alles mögliche war vertreten—nur niemand, der es fertig brachte eine Waschmaschine zu reparieren.
Mein Nachbar—ja, den frage ich, handwerklich geschickt hatte er auch schon einmal meinen Rasenmäher repariert. Vielleicht ist eine Waschmaschine nur ein besserer Rasenmäher? Ich fragte ihn, er schüttelte bedenklich den Kopf. Ich konnte ihn überreden. Er kam doch mit und schaute sich, den Zeigefinger an die Nase gelegt, den Saboteur an. Vorsichtig wurde am Schalter gewackelt und gedreht. Dann stellte er das Wasser ab und trennte sie vom Netz. Ob noch Garantie auf der Maschine sei, fragte er mich, denn wenn das so wäre, würde er die Finger davonlassen. Ich konnte ihn beruhigen, in der Maschine hatte schon meine Mutter gewaschen. Er sagte nur—aha und rückte sie von der Wand weg, was ziemlich schwer war, denn es war immerhin noch Wasser vom letzten Spülgang darin. Er holte einen Schraubenzieher, um die Rückwand abzuschrauben. Mit einer Taschenlampe leuchtete er ins Innere und meinte lapidar—es helfe nichts, das Wasser müsse raus. Das stand aber halbe Höhe Bullauge und wenn ich das jetzt öffnen würde—wie viel Wasser kommt mir dann entgegen? Vorsichtshalber holte ich schon einmal Eimer, Putzlumpen und alle Handtücher, aus dem Schrank und sogar zwei Biberbetttücher—Wasser marsch.
Es war viel Wasser in der Maschine. In einer kleinen Wanne wurde die tropfnasse Wäsche untergebracht. Mein Nachbar meinte, man müsse den Heizstab rausnehmen, vielleicht würde da ja etwas klemmen, und sich die Trommel deshalb nicht mehr drehen kann, das wäre dann eine Kleinigkeit. Ich schaute ihn vertrauensvoll an und nickte mit dem Kopf—einverstanden.
Er holte das Ding mit einiger Mühe, unterhalb der Trommel heraus, hielt es hoch und meinte. Dass es nichts helfen würde, ich bräuchte denn doch einmal eine neue Maschine, denn da wäre soviel Kalk schon allein am Heizstab, da wolle er nicht wissen was sonst noch so angesammelt hätte. Er griff mit der rechten Hand hinein und beförderte—schau an—die blaue Socke ans Licht. Ein paar BH Bügel waren auch dabei und zum Schluss noch eine Socke, deren Farbe nicht mehr auszumachen war.
Er bastelte alles wieder zusammen, drehte das Wasser wieder an, steckte den Stecker in die Steckdose, drehte am Schalter der Maschine und—nichts. Ich musste mich damit abfinden, das Ding hatte seinen Geist aufgegeben.
Heute habe ich eine neue Maschine, eine die von oben zu befüllen ist. Seit dem ist auch keine Socke mehr abtrünnig geworden.
Ich glaube, die Socken haben sich gefreut, wieder beieinander zu sein. Jetzt habe ich ein Netz, da kommen die Socken rein und erst dann in die Waschmaschine.
Ende
Autor:Renate Becker aus Emmerich am Rhein |
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