Hinter den Kulissen des Emmericher Amtsgerichts
Vom Gerichtssaal in die Zelle

Die Richterin Dr. Christiane Schmitz zeigt ihren Arbeitsplatz im Gerichtssaal. | Foto: Dirk Kleinwegen
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Dank zahlreicher Film- und TV-Formate wie Liebling Kreuzberg, Edel & Starck, Richter Alexander Hold oder Barbara Salesch weiß heute jeder, wie es in den Gerichten abläuft. Ob die kompliziertesten Strafverfahren wirklich in einer Stunde abgewickelt werden können, ob der Staatsanwalt wirklich so emotionale und bühnenreife Plädoyers hält oder der Verteidiger ständig „Einspruch“ ruft, dass wollten wir vom Stadtanzeiger einmal beim Emmericher Amtsgericht in Erfahrung bringen.

VON DIRK KLEINWEGEN

EMMERICH. Wir haben uns daher mit der Richterin Dr. Christiane Schmitz auf einen Kaffee getroffen. Christiane Schmitz ist eine von fünf Richtern am Emmericher Amtsgericht. Dazu gibt es fünf Rechtspfleger, sie übernehmen alle Aufgaben, die nicht per Gesetz den Richtern zugewiesen sind. 13 Mitarbeiter sind in den Serviceeinheiten tätig, drei Wachtmeister und zusätzlich gibt es noch drei Gerichtsvollzieher.
Tätig sind alle in einem historischen Gebäude an der Seufzerallee in Emmerich. Das über 100 Jahre alte Gebäude steht unter Denkmalschutz. „Das Gebäude ist alt, es hat Charakter und ich finde es strahlt auch etwas aus“, Schmitz mag das Gebäude, „es ist aber dabei nicht unpraktisch. Wir haben einen barrierefreien Zugang und einen Aufzug.“
Das Wichtigste sind dort die beiden Sitzungssäle mit Platz für rund 20 Zuschauer sowie ein kleiner Saal für die Familiensachen. Da diese unter Ausschluss der Öffentlichkeit verhandelt werden, gibt es dort keinen Zuschauerbereich. Im Erdgeschoss geht jeder Besucher erst einmal durch den Metalldetektor in der bewachten Eingangsschleuse. Dort kann auch das Gepäck durchleuchtet werden und es werden die Personalien kontrolliert. Auch die Gerichtskasse, das Grundbuchamt und weitere Büros sind im Erdgeschoss zu finden. Im Keller ist eine kleine Bibliothek eingerichtet. Diese wird dank der fortschreitenden Digitalisierung immer weniger benötigt. Öfter frequentiert ist die Zelle im Keller. Die spartanisch eingerichtete Zelle wird für Angeklagte benötigt, die aus der Justizvollzugsanstalt vorgeführt werden müssen. Die können dann in dem Raum mit Holzbett und integrierter Toilettenanlage auf ihre Verhandlung warten.
Ansonsten handelt sich um ein ehrwürdiges Gebäude mit verzierten Säulen und Stuckdecken. Das Gebäude ist dekoriert mit Blumen und Bildern an den Wänden. Großformatige Akustikbilder sorgen in den Gerichtssälen nicht nur für Gemütlichkeit, sondern für einen besseren Raumklang.
Viele Menschen, die den Gerichtssaal nicht freiwillig aufsuchen, werden sich dafür aber wenig interessieren. Das Emmericher Amtsgericht ist für alle zivilrechtlichen Streitigkeiten (z.B. Kaufvertrag und Werkvertrag) bis zu einem Streitwert von 5000 Euro, sowie für alle Wohnungsmietsachen zuständig. Dazu kommen Jugend- und Erwachsenenstrafsachen, Familiensachen (z.B. Scheidungen, Sorgerecht, Umgangsrecht, Adoptionen) sowie das Betreuungsrecht (gesetzlicher Betreuer wegen Krankheit oder Behinderung). „Die Strafrichter verhandeln am Emmericher Amtsgericht als Einzelrichter und haben eine Strafgewalt bis zu Freiheitsstrafen von zwei Jahren“, erklärt Schmitz, „und die werden auch schon mal verhängt.“ Ansonsten können Angeklagte zu Geldstrafen verurteilt werden, diese werden nach Tagessätzen verhängt, deren Höhe sich nach den wirtschaftlichen Verhältnissen richtet. Eine weitere Strafe ist die Auflage Sozialstunden zu leisten.
An besonders spektakuläre oder lustige Fälle kann sich die Richterin spontan nicht erinnern: „Wir haben durchaus Vorführungen aus der JVA hier. Wenn dann die Angeklagten mit Handschellen oder sogar zusätzlich mit Fußfesseln kommen, dann ist das schon ein größerer Aufwand.“ Die zu bewachenden Personen werden mit einem Gefangenentransport nach Emmerich gebracht und von den Wachtmeistern entgegengenommen und in die Zelle gebracht. Teilweise stehen die Personen auch während der Verhandlung unter permanenter Überwachung. Im Gegensatz zum Klever Gericht auf der Schwanenburg ist in Emmerich noch kein Bewachter abhandengekommen.
Auch wenn es nicht so spektakulär zugeht wie viele denken, gerade bei den Familien wird es manchmal äußerst emotional. „Es ist auch manchmal einfach nur traurig. Es sind schon Schicksale, speziell wenn es um Kinder geht“, sagt Schmitz.
Außer den Gerichtsverhandlungen deckt das Amtsgericht noch viele weitere Aufgaben ab, wie das Grundbuch für Emmerich und Rees, sowie weitere Tätigkeiten, die keiner Verhandlung bedürfen wie Nachlass-Angelegenheiten, Erbscheine, Testamentseröffnungen oder Kirchenaustritte.
Das was in Filmen und Serien über Gerichte zu sehen ist, hat nur wenig mit der Wirklichkeit zu tun. „Die Aufklärung erfolgt nicht aus dem Publikum, es ist auch nicht so, dass Staatsanwalt und Verteidiger bei ihren Plädoyers durch den Saal schreiten. Es ist in der Regel auch nicht so, dass vollkommen überraschende Beweise in der Hauptverhandlung noch präsentiert werden“, erläutert Richterin Schmitz. Den Richterhammer oder Geschworene sucht man bei deutschen Gerichten vergebens
Durch Corona hat sich im Emmericher Amtsgericht so einiges verändert. Wo möglich werden Sitzungen digital durchgeführt. Doch dazu eignen sich viele Verfahrensarten nicht. Dann wird versucht die Termine zu entzerren, so dass nicht zu viele Personen aufeinandertreffen. Ansonsten sollen beispielsweise Spuckschutzwände oder Abstände in den Büros und Sitzungssälen helfen. Schmitz vermutet, das die digitalen Sitzungen auch nach Bewältigung der Coronakrise erhalten bleiben. Wie auch die Elektronische Akte, die im Sommer für Zivilsachen eingeführt wird, ist das ein Schritt in die Zukunft. Das ist sicher eine wichtige Tatsache für junge Menschen, die sich eine Ausbildung bei Gericht vorstellen können.
Das Amtsgericht in Emmerich bietet wie auch die anderen Gerichte eine Vielzahl an Ausbildungsplätzen an: Richter(in), Justizfachwirt(in), Diplom-Rechtspfleger(in), Justizfachangestellte(r), Justizhelfer(in), Beamtin/Beamter im Justizwachtmeisterdienst oder Gerichtsvollzieher. Die Einstellungen laufen zentral über das Oberlandesgericht Düsseldorf. Einstellungstermin ist der 1. August bzw. 1. September eines jeden Jahres. Die Bewerbung ist grundsätzlich nur online möglich, immer ab dem 1. Juli für das Folgejahr. Weitere Information sind unter www.justiz.nrw/karriere erhältlich.

Dirk Kleinwegen / Stadtanzeiger Emmerich-Rees-Isselburg

Autor:

Dirk Kleinwegen aus Rees

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