hinter Manaus in den Wasserfällen
Eine Stunde verging, zwei Stunden- und wir waren immer noch nicht am Ziel. Wir hielten in einem riesigen Naturschutzgebiet mit einem Doppelwasserfall. Wanderwege durch grandiose Natur über Holzstege und Naturpfade. Und alles mitten im Urwald. Aber Tiere haben wir nicht entdecken können.
Irgendwo im Niemandsland war in einer kleinen Stadt der Mittagstisch für uns gedeckt in einem an allen Seiten offenen Lokal. Sehr einfach und urig. Wir saßen mit Einheimischen an langen Holztischen auf wackligen Stühlen. Sie hatten ein Buffet aufgebaut, das uns ebenfalls sehr fremd anmutete. Aber - der Fisch war absolut göttlich!!!
Nach einer weiteren halben Stunde erreichten wir endlich unser Ziel: die Urubui Stromschnellen. Der Bus spuckte uns aus, und wir mussten laufen. Über Stock und Stein, immer schön mit Blick auf den Boden. Ein Hans-Guck-In-Die-Luft kommt hier nicht mit heilen Knochen heraus. Es ist schließlich richtiger Dschungel, das darf man nicht vergessen.
Unser Guide zeigte uns ein riesiges Ameisennest, das an einem Baumstamm klebte. Auch so was kriegt man hier in unseren Wäldern nicht zu sehen. Schließlich ging der Weg über in Holzstege, die sich vor den Felsen zu einem Nadelöhr verengten. Die Öffnung im Fels war so schmal, dass ich meine Tasche vor den Bauch nehmen musste, sonst hätte ich nicht mehr durch gepasst. Und gleichzeitig ging es auch noch wahnsinnig steil abwärts über grob behauene, unregelmäßige Stufen. Ich glaube, ich habe die Luft angehalten, bis ich unten wieder in Sicherheit war. Phhh…
Riesige, vorsintflutliche Felshöhlen zeugten von endloser Zeit. Wie alt mochten sie sein? Fledermäuse hingen schlafend unter den Decken, Liebespaare hatten ihre Initialen in das rötliche Gestein geritzt. Ich fand die Höhlen einfach nur grauslich, bedrohlich irgendwie. Sie verursachten mir Gänsehaut im Nacken.
Durch das Laub der Bäume konnten wir unten schon den Wasserfall sehen, das seichte, ablaufende Wasser, das sich braun-schäumend über Felsplatten zu einem See vereinte. Wir waren nicht die Einzigen, die hier baden wollten. Etliche andere, Einheimische, plantschten bereits im Wasser.
Das schäumende Wasser lockte mit seinem Getose, es hörte sich kühl und erfrischend an. Und das war genau, was wir nach den Stunden im Bus brauchten. Etwas Klares, Sauberes.
Rasch hatten wir unsere versifften Kleider über Büsche und Felsen gehängt und strebten dem Wasserfall entgegen. Der Weg dahin durchs Wasser war schon sehr, sehr gefährlich. Überall unterschiedliche Felsplatten, Brocken, von denen man leicht abglitschte. Ständig stolperte ich von einem Stein über den nächsten, jedes Abrutschen stauchte mir den Rücken zusammen. Ich hielt durch, bis ich ins tiefere Wasser kam und vielleicht hätte schwimmen können. Aber auch hier stieß ich mich ständig an den Felsen. Und wann immer ich mich eben hinstellen und jaulen wollte, hatte ich keinen Grund mehr. Und das mir!
Eben noch mit den Beinen über die Steine geschrabbt, dann fast abgesoffen. Tiefe Spalten wie Höhlen klafften unsichtbar im Wasser.
Mein lieber Mann hatte es irgendwie geschafft, locker wie ein Fisch einfach so über all diese heimtückischen Fallen hinweg zu schwimmen. Er hatte den Wasserfall bereits erreicht und riss triumphierend die Arme hoch. Bähhh! Angeber!!!
Mir war mein Leben lieb, und ich zog die Reißleine. Weg hier, nix wie raus aus diesem Gewässer! Sollte mein Mann sich ruhig überströmen lassen von dem Wasserfall und es genießen. Ich würde ihn auch gerne fotografieren. Von weitem. Wir hatten ja eine Kamera mit einem guten Zoom.
Aber ich selber…? Nein danke.
Ich hockte mich in sicherer Entfernung auf einen Felsblock und sah dem Treiben zu. Da saß doch wirklich ein junges Paar samt ihrem Baby jenseits des bösartigen Gewässers am Rande der strömenden Wassermassen. Ich konnte es nicht fassen.
Unser brasilianischer Guide kniete mit einem anderen Einheimischen am Rand des tieferen Wassers, schaute, mit der Nase fast im Wasser, gestikulierte, diskutierte und nickte schließlich immer wieder zustimmend mit dem Kopf.
Ich bin ja nicht neugierig.
Also hockte ich mich dazu. „Was gibt’s? Irgendwas Besonderes?“
„Si“ Es gab hier offenbar diese ganz besonderen Fische, die sonst eigentlich nur im Amazonas zu finden sind und erst lebendig werden, wenn ein Mann reinpinkelt. Unser Guide war sich sicher, sie entdeckt zu haben. Wie er uns ernsthaft zeigte, gibt es diese urinhochspringenden Ungeheuer in allen möglichen Größen.
Ich packte meinen Mann, der mittlerweile auch neugierig dazu gekommen war: „ Du hast doch wohl nicht…???“
Gefahr gebannt.
Nach zweieinhalb Stunden Rückfahrt erreichten wir unser Schiff zusammen mit all den Bleichgesichtern, die gerade vom Flughafen neu angekommen waren.
NEUE! Was mochten das für welche sein? Wer mochte zu uns an unseren Tisch kommen? Wir hatten fest vor, ihn zu verteidigen gegen alle, die nicht zu uns passten.
Abends gab es auf dem Sonnendeck um 21Uhr zur Entschädigung für die „Alten“, die schon ewig und noch immer an Bord waren, Caipirinhas. Wollten sie uns einlullen? Waren mehr Neue gekommen als Alte gegangen? Wurde es eng? Was stand uns bevor?
Fortsetzung folgt
Autor:Christel Wismans aus Emmerich am Rhein |
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