damals in Emmerich - Emmericher Maschinenfabrik - PROBAT-WERKE

das Cover des kleinen Bildbands aus 1955
10Bilder

letztens fiel mir ein altes Schätzchen in die Hand, das meinen Eltern gehört hat:
Ein Bildbericht von 1955 über die Emmericher Maschinenfabrik von Gimborn & Co.K.-G. Emmerich, der mit schwarz-weiß-Fotos über die Geschichte der vielleicht ältesten Emmericher Firma erzählt.

Heute, fast sechzig Jahre später im 21. Jahrhundert, ist diese damalige Emmericher Maschinenfabrik noch immer existent. Und nicht nur das. Wie Phoenix aus der Asche ist sie empor gestiegen aus den Trümmern des zweiten Weltkriegs. Die heutigen Probat-Werke sind einer der größten, wenn nicht dergrößte Arbeitgeber in Emmerich. Weltweit vertreiben sie ihre Röstmaschinen an alle, die irgendetwas heiß zu rösten haben, egal ob Kaffee, Kakao, Nüsse oder Saaten. Neben den Röstmaschinen werden auch Mühlen, Waagen, Siloanlagen und Transportsysteme hergestellt.

Aus der Geschichte:
1868: Gründung der Emmericher Maschinenfabrik und Eisengießerei van Gülpen, Lensing & von Gimborn
1877 und 1884 : Vergabe von Patenten
1889: Bau des ersten patentierten Gasschnellrösters
1909: Gründung des österreichischen Zweigwerks
1921: Gründung des niederländischen Zweigwerks
1938: Umwandlung in die KG Emmericher Maschinenfabrik von Gimborn & Co.,K.G
1944: Vollständige Vernichtung von Emmerich
1945: Verlust der Betriebe in Österreich und Holland
1946: Behelfsmäßige Wiederaufnahme der Fabrikation
1948: Beginn des Wiederaufbaus nach der Währungsreform
1955: Gesamter Fabrikationsbetrieb incl. Verwaltungsgebäude neuzeitlich wieder aufgebaut
Und von da an ging es stetig weiter steil bergauf.

..........

Nach Entlassung aus englischer Kriegsgefangenschaft kam mein Vater der Liebe wegen nach Emmerich. Weit weg von seiner Heimat an der Saale. Emmerich lag völlig in Trümmern nach dem verheerenden Bombenangriff vom 7.10.1944. Nur Trümmerwüste, Armut, Schutt und Asche.
Aber unser Siedlungshaus, damals weit draußen vor der Stadt, hatte den Angriff überlebt, und es gab eine Bleibe mit einem Dach überm Kopf. Jetzt fehlte nur noch eine Arbeit.
Mein Vater war gelernter Dreher, bevor er als Funker zur Marine eingezogen worden war.
Und hier war Probat, die Emmericher Maschinenfabrik! Und sie brauchten händeringend Fachkräfte. Frauen gab's ja genug, aber Männer? Männer vom Fach? Viele, viele waren im Krieg geblieben, oder noch in Gefangenschaft. Also konnte mein Vater bereits im April 1947 in der Maschinenfabrik anfangen.

Frieden, Freiheit, den Krieg überlebt, nur halb krank zurück aus der Gefangenschaft, die Liebe, ein Dach überm Kopf, Arbeit, Hochzeit, Kind.
Ich.
Ich erinnere mich: Anfang der Fünfziger lief ich an der Hand meiner Mutter als kleines Mädchen jeden Mittag von zuhause aus Richtung Stadt zur Maschinenfabrik, um meinem Vater das spärliche Mittagessen zu bringen. Überall nur Schuttberge, Mondlandschaften, Ruinen.
Die heutige Reeserstraße zog sich endlos für meine kurzen Beine. Irgendwo dort rechts, so etwa in Höhe von heute McDonalds war die Gasoline. Ich habe nur schemenhaft einen kaputten Bauklotz in Erinnerung und eben diesen Namen. Vielleicht hieß der Bau auch anders und meine Erinnerung täuscht mich.
Ist schon so lange her.
Und dann, irgendwann, kamen wir bei dem großen Eisentor der Maschinenfabrik an. Dort, wo heute in der Mennonitenstraße der Durchgang zwischen den beiden Arztpraxen zum Willekensoord ist.
Wir warteten geduldig, bis mein Vater in seinem ölverschmierten Arbeitsanzug durch den schmalen Gang neben dem großen Tor herauskam und wir ihm seinen Henkelmann geben konnten...

Mein Vater blieb seinem Betrieb treu bis zur Rente.
Er zog mit um zur Reeser Straße in die neuen Gebäude und feierte 1968 mit seinen Kollegen und ganz Emmerich ein grandioses 100-Jahre-Jubiläum.
Nach einem schweren Herzinfarkt war dann notgedrungen endgültig Schluss mit Drehbank und Akkordarbeit. Nichts ging mehr. Aber PROBAT ließ ihn nicht fallen. Mein Vater bekam einen neuen Arbeitsplatz in der Arbeitsvorbereitung, dort, wo er auf seiner Fensterbank jahrelang den alten Ableger der "Königin der Nacht", den er noch von seinem Vater in Sachsen bekommen hatte, in einem Wasserglas stehen hatte.
Viel später erbten wir ihn.
Es ist der Kaktus, der uns seitdem Jahr für Jahr mit rund hundert fantastischen Blüten erfreut. Ein alter "PROBAT"- Kaktus also mit Wurzeln in Weißenfels und Altersruhesitz in Emmerich-Leegmeer.

.........................

Seit Kriegsende hatte die Maschinenfabrik schon mächtig expandiert. Von der Einmündung Mennonitenstraße bis hin zum Bahnübergang Löwentor erstreckten sich parallel zur B8 die Lager-und Werkshallen. Sie exportierten ihre PROBAT-Kaffeeröstmaschinen und Rösterei-Einrichtungen bereits zu dieser Zeit in über 80 Länder der Erde, wie es in dem Büchlein beschrieben steht.
Schon damals ein Weltunternehmen. Einer der ältesten Kaffeeröster der Welt, wenn nicht sogar der älteste.
Und der Betrieb wuchs immer weiter. Seit 1959 unter dem endgültigen Namen: PROBAT-WERKE von Gimborn GmbH & Co.KG. Längst ist der Betrieb an den Stadtrand ausgelagert worden.
An der Reeser Straße befindet sich heute das riesige Areal mit all seinen unterschiedlichen Gebäuden. Das letzte, das erst vor kurzer Zeit eingeweiht worden ist, beherbergt ein neues Technologie-Zentrum.

Die alten Fotos sind teilweise dem Bildband "PROBAT 1955 - Ein Bildbericht-
EMMERICHER MASCHINENFABRIK von Gimborn & Co.,K.G. EMMERICH"
entnommen.
Das alte Doppelfoto ist privat, es zeigt meinen Vater an seiner Drehbank, die beiden Dokumente gehören dazu. Sie waren sein Beschäftigungspass und Arbeitsausweis.

Autor:

Christel Wismans aus Emmerich am Rhein

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