auf dem Amazonas-Rückweg

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Samstagabend, am 20. Oktober 2012, lief die MS Amadea wieder aus.
Wir hatten den Tag mit Gammeln im Schatten verbracht. Die allgegenwärtige brasilianische Sauna lief wie immer auf Hochtouren.
Adeus, Manaus! Wir machten uns wieder auf den Rückweg.

Bei den Mahlzeiten fühlten wir uns ohne unsere Girls fast wie verlassene Waisenkinder. Wehe, wenn da irgendwelche unkompatiblen Neuen versuchen würden, sie zu ersetzen.
Ein lauter Angeber mit seiner verhuschten Frau wurde gnadenlos von uns ignoriert. Die nicht.
Die nächste, eine sehr schüchterne Schweizerin, wie sie sich selber einstufte, quatschte uns mit ihrem Endlosmonolog sofort Risse ins Nervenkostüm. Die auch nicht. Die schon gar nicht. Wie sich sehr schnell herausstellte, eine gute Entscheidung. Auch, wenn sie es immer wieder versuchte. NO. NICHT BEI UNS!
Doch dann kamen sie. Zwei Ehepaare. Und wir waren wieder komplett! Wir verstanden uns auf Anhieb, hatten denselben Humor. Das passte! Wir hatten Spaß ohne Ende und vergaßen vor lauter Lachen oft das Essen.

Unser Halt am nächsten Tag mittags in Parintins reizte uns nicht. War ja auch eher für die Neuen gedacht, die es noch nicht kannten. Wir blieben an Bord und machten es uns auf dem Pooldeck gemütlich.
Abends sahen wir zum ersten Mal unsere schüchterne Schweizerin in Aktion. Sobald sie Musik hörte, fing sie an zu zucken, zu tänzeln, und nach spätestens dreißig Sekunden schoss sie los wie ein aufgedrehter Irrwisch auf Schlittschuhen. Mit weit ausholenden Schritten und wehenden Armen. Immer. Drei Wochen lang. Zum Spaß der anderen Passagiere. Spätestens nach zwei Tagen war sie als Hupfdohle auf dem ganzen Pott bekannt wie ein bunter Hund.
Und sie wollte immer noch zu uns an den Tisch. Sie versuchte es immer wieder. Obwohl sie gesehen haben musste, dass wir zu sechst waren, blockierte sie oft einen Platz an unserem Sechsertisch. Sie bestand auf ihrem Recht auf freie Tischwahl. Die schüchterne Frau.

Nachts mussten wir unsere Uhren wieder vorstellen. Inzwischen lagen wir fünf Stunden hinter unserer normalen MEZ zurück.

Montagmorgens, am 22.10.2012, ankerten wir vor Alter Do Chao am Rio Tapajos, einem der größten Nebenflüsse des Amazonas. Ein wunderbarer Naturstrand lud mit weißem Sand und knallwarmem Wasser zum Baden ein. Aber nicht nur das! Es gab ein Picknick! Schon abends vorher hatten die Männer von der Crew emsig Tische und Bänke durchs Schiff geschleppt, die morgens mit dem ersten Tender samt Grill, Geschirr, Getränken und Grillgut an Land gekarrt wurden. Und als wir rüber kamen, brutzelten bereits Würstchen, Koteletts, Mais und andere Leckereien auf dem großen Gasgrill.

Wir suchten uns ein schattiges Plätzchen unter den hohen Bäumen, die im Rücken der Bucht wuchsen. Oberhalb schien der Ort zu sein. Wir blieben aber unten und ließen uns in der hellgrünen Badewanne namens Rio Tapajos treiben. Keine Abkühlung, aber schön, schön, schön. Meine morschen Knochen, die kein kaltes Wasser vertragen, stöhnten vor lauter Glückseligkeit.
Und dann die Muscheln! Riesig groß und bizarr geformt! Wie gerne hätte ich sie mitgenommen! Aber- verboten! Alles, was mal gelebt hat, darf nicht ausgeführt werden. Und so ehrlich und harmlos, wie wir aussehen, hätten sie uns bei der Ausreisekontrolle mit absoluter Sicherheit aus der Reihe gefischt: Öffnen Sie doch mal ihre Koffer….
Ich kenne uns ja. Und unser Travel-Chaos auch.

Dieser Strand von Alter Do Chao ist das Wochenendparadies der Einwohner von Santarém. Nur rund dreißig Kilometer von der Stadt entfernt bietet es Erholung und Entspannung. Die Karibik im Amazonas- Gebiet.

Diesmal, wo wir von der anderen Seite her kamen, ging das Anlegen in Santarem weniger umständlich als vor ein paar Tagen.
Wir freuten uns auf den Nachmittag. Auf die Fahrt auf dem Maicasee. Anscheinend gab es jetzt etwas mehr Wasser als vor ein paar Tagen, sodass der Ausflug diesmal stattfinden konnte. Wir stiegen um auf eines dieser typischen Amazonasboote.

Wir waren gespannt. Wir hatten soviel gehört über die verschiedenen Flüsse mit ihren unterschiedlichen Farben, die sich nicht miteinander vermischen. Jetzt würden wir es selber endlich sehen. Wir steuerten auf die Stelle zu, wo sich der Weißwasserfluss Amazonas (auch, wenn er schlammig braun ist) mit dem Klarwasserfluss Rio Tapajós trifft. Wegen der unterschiedlichen Sedimente und Temperaturen vertragen sie sich nicht und fließen viele Kilometer verschiedenfarbig nebeneinander her, ohne sich zu vermischen.

Durch einen Seitenarm des Amazonas gelangten wir zum Maicasee. Fischer in kleinen Kanus angelten dicke Fische, zeigten uns stolz ihre Beute.
Die Ufer waren abgerissen von dem Wasser, das zurzeit nicht vorhanden war. Ab und an kleine, offene Hütten auf Stelzen, Hühner, magere Kühe und einmal sogar Pferde. Kleine Kinder, die am Ufer spielten, flatternde Wäsche.
An der Einmündung in den See tummeln sich jede Menge Amazonas-Delphine. Aber die waren offensichtlich nicht neugierig auf uns.

Die Delphine sind aber nicht die Einzigen, die hier in diesen Gewässern zuhause sind. Wie der Guide uns erzählte, wimmelt es hier auch von Piranhas und bis zu zehn Meter langen Anakondas. Unwillkürlich schnappten wir nach Luft und zogen das neugierige Gesicht hastig wieder ins Boot zurück.
Die Piranhas, so erzählte er weiter, sind gar nicht so schlimm. Eigentlich leben sie ganz friedlich so vor sich hin. Bis irgendwer Krach macht oder blutet. Und die kleinen Kinder, die hier am Rande oft baden, sind laut. Kinder eben. Kinder können nicht leise. Dann wird es gefährlich. Und was die Schlangen betrifft…
Es braucht nicht viel Fantasie, um in dem Moment eine dicke Gänsehaut zu kriegen.
Wir schipperten gerade sorglos in einem ollen, wackligen Amazonas-Boot über zehn Meter lange, dicke, gefräßige Schlangen und nervöse Piranhas hinweg. Bei extremem Niedrigwasser!
Aber die Menschen, die hier an und mit und auf diesem See leben, haben offensichtlich keine große Angst vor ihnen. Respekt ja, mit Sicherheit sogar, aber Angst wohl nicht. Sie leben seit Urzeiten miteinander.

Am nächsten Morgen ging es weiter nach Almerim. Alle ursprünglichen Pläne waren platt, alles hing vom Wasserstand ab. Die Reiseleitung improvisierte von Tag zu Tag neu.
Nachmittags wollten wir nach Gurupa, aber selbst der Tender konnte nicht anlegen. Also weiter.
Donnerstagvormittag, am 25.10.2012, wollten wir in Macapá / Santana anlegen. Aber hier dasselbe. Der Hafenmeister verweigerte uns die Einfahrt. Es sei denn, wir würden mit der Tide reinkommen und bis zum Freitag bleiben, weil erst dann am Vormittag wieder Hochwasser sein würde. Das würde aber die Pläne mit der Teufelsinsel auf Französisch Guayana über den Haufen werfen. Das Hickhack ging über Stunden zwischen Hafenmeister und Kapitän. Irgendwann hörten wir, dass sich draußen der Minister und das Fernsehen eingeschaltet hätten. Hat aber alles nichts genützt. Der Hafenmeister, ein neuer übrigens, hätte sein Gesicht verloren. Er bleib stur bei seinem nao .
Keiner durfte von Bord. Zum Trost gab es eine Stunde lang Freibier und dann hieß es wieder:
Leinen los!

Fortsetzung folgt

Autor:

Christel Wismans aus Emmerich am Rhein

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