Adeus, Amazonas! - und weiter geht's

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Bevor wir uns endgültig vom Amazonas verabschiedeten, hatte ich mir noch schnell ein Souvenir eingefangen: eine dicke Erkältung mit Fieber und allem, was zu einem anständigen Infekt dazugehört. Notgedrungen verkroch ich mich in mein Bett und zog mir zähneklappernd die Decke über die Ohren.

Freitags, am 26.10.2012, steuerte die MS Amadea aus dem rund 200 Kilometer breiten Amazonas-Delta auf die Teufelsinsel/ Französisch-Guayana, zu. Oh, Mann, wie hatte ich mich gerade darauf gefreut! Die berühmt-berüchtigte Teufelsinsel, die vor allem durch den Roman Papillon von Henri Charrière und den gleichnamigen Film bekannt geworden ist. Angeblich war die Insel ein absolut sicheres Gefängnis, aus dem niemand fliehen konnte. Rundum eine gefährliche Strömung und die See voller gefräßiger Haie…

Aber ich lag platt. Mein lieber Mann brachte mir das Essen auf die Kabine, denn leider gehörte Appetitlosigkeit nicht zu den Symptomen, die mich quälten.
Unser Kabinensteward Ronel zeigte sich sehr besorgt: Madame immer noch krank? Nicht saubermachen? Nur Bad?
Dann klopfte es und Rodel erschien, unser lieber Kellner. Er hatte mitgekriegt, dass mein Mann mir ein Tablett fertigmachen wollte und ließ es sich nicht nehmen, es mir selber auf die Kabine zu bringen.

Samstag früh um sieben Uhr gingen wir vor Anker. Irgendwo hatte ich gelesen, dass in Französisch-Guayana mit Malariamücken zu rechnen sei. Daher öffnete ich kurz die Augen, als mein Mann sich bereit machte und bestand darauf, dass er trotz der Hitze lange Hose und langärmeliges Hemd anzog und sich komplett einsprühte. Wahrscheinlich würde er im glühenden Tender damit zerfließen, aber das war jetzt nicht wichtig. Man muss Prioritäten setzen.
Irgendwann erschien Rodel wieder mit einer Zusatzkanne voller Tee. Und irgendwann kam auch mein Mann von der Insel zurück.
Ich sah ihn an und brach in Tränen aus.
Lachtränen. Ich lachte, dass mir der dröhnende Schädel fast wegplatzte. Seine helle Hose bestand nur noch aus großen, pitschenassen Flecken. Er sah aus wie ein gefleckter Gepard auf zwei Beinen. Dazu das triefende Hemd, der ganze Mann sah zum Auswringen aus. Fast rechnete ich damit, dass er beim Laufen Pfützen hinterließ. Vor lauter Lachen und Neugier vergaß ich, wieder einzuschlafen.
Das war der Wendepunkt. Es stimmt, was man sagt: Lachen ist gesund. Nachdem mir Rodel mittags auch noch eine doppelte Portion Eis mit auf die Kabine gegeben hatte, beschloss ich nachmittags, wieder gesund zu sein. Ich duschte und erschien als neuer Mensch. Na, ja. Als fast neuer.

Mittags ging es weiter Richtung Curiopa/ Venezuela. Mein Mann erzählte von der Papillon-Insel, den verfallenen Gebäuden, in denen damals die Gefangenen gehalten wurden. Von den Schönheiten der Vegetation. Dass es dort im Meer doch keine Haie gibt. Auch keine (!) Malariamücken.
An Land allerdings, rund 13 Kilometer entfernt, da soll es welche geben.
Dort herrscht zur Zeit auch Anarchie. Brasilianische Banden und Plünderer sollen das Regiment übernommen haben. Das Militär scheint hilflos.

Sonntag, 28. Oktober 2012, Seetag. Wir waren langsam unterwegs zum Orinoko-Delta.
So ganz war ich immer noch nicht auf dem Damm. Ich wackelte auf Puddingbeinen wie ein Schluck Wasser in der Kurve, wenn der eklige Husten mich bis in die Grundfesten erschütterte. Außerdem hatte ich Rücken vom Liegen. Aber das war im Moment nicht so schlimm, weil wir ja nur auf See waren und ich mich oft hinlegen konnte.

Montag, am 29. 10.2012, hatten wir das Orinoko-Delta erreicht. Wegen der Unruhen wurden die ursprünglichen Pläne auf und am Orinoko gecancelt. Wir mussten an Bord bleiben und kreuzten lediglich im Delta.

Der Orinoko ist schön.
Schöner als der unendliche Amazonas. Fanden wir jedenfalls. Irgendwie ähnlich sind sich die beiden Ströme natürlich schon. Aber hier ist alles kleiner, normaler. Von der Strömung abgerissene, braune Ufer auch hier, kleine Dörfchen mit kleinen Kirchen, Urwald. Aber halt alles näher. Wirklicher.
An der Lotsenstation Curiopa kamen Offizielle samt Taucher an Bord. Die Uniformierten machten es sich bequem für die nächsten Stunden, fragten nach Getränken und Speisekarte, während die Taucher von unten her das Schiff absuchten.
Wonach? Keine Ahnung. Drogen vielleicht? Immerhin ist Venezuela Drogenhochburg. Aber was auch immer sie gesucht haben, sie kamen mit leeren Händen wieder zurück.

Inzwischen hatten die Dorfbewohner aus der Gegend mitgekriegt, dass wieder ein Kreuzfahrtschiff im Strom lag. Flugs hatten sie ihre ganzen Familien in die Boote gepackt. „Los, Kinder, dalli, ab in die Kanus! Vergesst die Oma nicht!“
Und schon paddelten acht, neun, zehn oder mehr Kanus rund um die Amadea. Braune Mamas schützen ihre Babys mit Mullwindeln gegen die gleißende Sonne. Kleine Kinder krabbelten auf allen Vieren durch die schmalen Kanus, größere turnten auf der allerletzten Kante im Bug herum, winkten, schrien, lachten…
Trauben von Passagieren hingen über der Reling, winkten ebenfalls, warfen Kusshände und Phoenix-Taschen, Klamotten und Obst. Zwischen all den Kindern entbrannte ein Wettstreit, wer es schaffte, sich eine der Trophäen zu ergattern. Aber keiner missgönnte dem anderen Irgendetwas. Hatte ich jedenfalls den Eindruck. Es schien eher ein sportlicher Wettbewerb:
Feiertag, Kirmes und Olympia zugleich.
Ein paar schnittige, kleine Boote mit jungen Leuten an Bord kreuzten ebenfalls, allerdings in weiterem Abstand zu unserem Schiff. Die waren nicht auf Almosen aus, sie hatten alle Fotohandys, i-pads, oder -pods in der Hand und schicke Klamotten an.

Abends in der Lounge gab es eins der eher seltenen Highlights auf dem Show-Parkett: die Crazy Show. Wir lachten uns halb schlapp. (Lachen macht gesund!)
Unsere Tischnachbarn trugen auch ein Gutteil bei zu meiner Genesung. Barbara und Roland aus der Oberpfalz und Hedwig mit ihrem Theo aus der Kölner Ecke. Bei jeder Mahlzeit kamen wir irgendwann zwischen Vorspeise und Nachtisch an den Punkt, dass wir lachten, bis uns die Tränen herunter kullerten.

Wir waren unterwegs in die Karibik.

Fortsetzung folgt

Autor:

Christel Wismans aus Emmerich am Rhein

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