Bai Juyi, Lied vom Hinterzimmer

Replika eines alten Weihrauchbrenners

Die Seidentüchlein nassgeweint
ist ausgeträumt der Traum
Zur tiefen Nachtzeit dringt zu ihr
ein Lied vom Vorderraum
So rosig ihr Gesicht, nicht alt
die Gunst behielt sie nicht
Zum Weihrauchbrenner hingeneigt
sitzt sie bis Tageslicht

Gebildet nach der Vorlage des Andrew Wong stelle ich euch heute wieder ein Gedicht von Bai Juyi vor. Der T’ang-Dichter schrieb in einer einfachen Sprache, las seine Verse einer Frau aus dem Volke vor und änderte was sie nicht verstand. Auf Reisen durch China traf er seine Gedichte überall an, geschrieben auf Pfosten von Herbergen und gesungen durch Sängerinnen die sich auf der Laute begleiteten. In kurzen Versen und langen Balladen rührte er an sozialen Missständen wie Korruption und, wie in diesem Gedicht, ließ die weibliche Seele sprechen. Ähnliches dürfen diejenigen die alt genug sind aus den Liedern der sechziger Jahre gehört haben: Sänger und Sängerinnen die mit einfachen Worten und mit einfachen Melodien aus der Seele von Millionen gesprochen haben. Zum Gedicht: auch ein kleiner Weihrauchbrenner gibt Wärme ab und auch der duftende Rauch wird der Frau ein wenig Trost gespendet haben die für eine Jüngere verlassen wurde.

Autor:

Jan Kellendonk aus Bedburg-Hau

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