Junge Journalisten – hier ein Beitrag von David Quante: LKW gegen Güterzug – ein unfairer Wettbewerb?

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Vorwort: David Quante aus Lippstadt, 16 Jahre alt, reiste im September 2024 nach Berlin, um am 197. Jugend Presse Kongress der young leaders GmbH (https://young-leaders.net/veranstaltungen/jugend-presse-kongress) teilzunehmen. Dort trafen sich 100 jugendliche Multiplikatoren, um basierend auf Expertenvorträgen aus den Bereichen Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft journalistische Beiträge zu erstellen. Inspiriert durch den Vortrag und ein persönliches Interview mit Dr. Sigrid Evelyn Nikutta, Vorstandsvorsitzende der Deutsche Bahn Cargo AG, schrieb er einen Artikel über die Rolle des Schienengüterverkehrs in Deutschland und unserer Region. Dieses Thema ist hochaktuell, da der Verkehrsbereich seine Klimaziele seit Jahren verfehlt und der Gütertransport per Schiene maßgeblich zur CO₂-Reduktion beiträgt. Sein Artikel thematisiert die ökologischen Vorteile des Schienengüterverkehrs gegenüber dem Straßengüterverkehr sowie die wirtschaftlichen und politischen Herausforderungen der DB Cargo AG. Darüber hinaus wird der Artikel durch seine eigenen Erfahrungen mit Güterzügen in unserer Region und die Erlebnisse beim Jugend Presse Kongress abgerundet.

LKW gegen Güterzug – ein unfairer Wettbewerb? von David Quante

Die Räder rattern laut, die Bremsen quietschen. Als sich der Zug einem Bahnübergang nähert, wird gehupt. An der vielbefahrenen Bundesstraße 1 in Erwitte ist es ohnehin schon laut- und dann kommen mehrmals am Tag auch noch die laut rumpelnden Güterzüge dazu. Warum eigentlich?

Tag für Tag fahre ich auf dem Weg zur Schule mit meinem Motorroller an einem Bahngleis entlang. Häufig werde ich dabei von roten Zügen überholt, die scheinbar unzählige Container hinter sich herziehen. Ich begann, mich zu fragen, was es mit diesen Zügen auf sich hat. Besonders wunderte mich jedoch, warum man im großen Stil Güter über die Schiene transportiert, statt das gut ausgebaute Straßennetz und die zahlreichen LKWs zu nutzen.

Um Antworten auf meine Fragen zu finden, machte ich mich im September 2024 auf nach Berlin. Über Instagram war ich auf den Jugend Presse Kongress der Young Leaders GmbH aufmerksam geworden. Dort treffen sich 100 jugendliche Multiplikatoren, um auf der Grundlage von Expertenvorträgen journalistische Beiträge zu erstellen.

Ein Vortrag, knackig referiert in 15 Minuten, fesselte mich dabei besonders: Er stammte von Dr. Sigrid Evelyn Nikutta, Vorstandschefin der Deutsche Bahn Cargo AG. Die studierte Psychologin ist nach diversen beruflichen Stationen bei der deutschen und polnischen Bahn seit 2020 das charismatische Gesicht der Güterverkehrssparte der Deutschen Bahn.

„Güter gehören auf die Schiene!“, so lautet das Motto der DB Cargo. Als umsatzstärkstes Logistikunternehmen auf der Schiene in Europa haben es sich die rund 30.000 Mitarbeitenden unter ihrer Vorstandsvorsitzenden Nikutta zur Aufgabe gemacht, den Güterverkehr von der Straße auf die Schiene zu verlagern.

„Klimaschutz ist nichts Akademisches, wir alle spüren die Auswirkungen.“ – Sigrid Nikutta

Durch die voranschreitende Globalisierung ist die Welt vernetzter denn je, wodurch Waren immer häufiger weite Distanzen zurücklegen, bevor sie zu den Konsumenten gelangen. Aufgrund des stark steigenden Konsumverhaltens sind heutzutage rund 1,3 Millionen LKWs täglich auf Deutschlands Straßen unterwegs – das entspricht fast einem Drittel der gesamten Transportkapazität des Landes. Klar ist jedoch auch, dass die dieselbetriebenen LKWs die Umwelt belasten. Rund 10 Prozent der globalen CO₂-Emissionen sind allein auf den Güterverkehr zurückzuführen, doch davon entfällt nur der verschwindend geringe Anteil von einem Zwanzigstel auf den Schienenverkehr. Hier setzt das Geschäftskonzept der DB Cargo an.

Die hohen Emissionen, welche durch den Güterverkehr entstehen, sieht das Unternehmen als Chance, um ebendiese einzusparen. Erfolgt der Gütertransport anstelle eines LKWs mit der Bahn, werden 80 bis 100 Prozent CO₂ eingespart. Da die Züge mit Ökostrom und Bio-Diesel angetrieben werden, konnten so im letzten Jahr rund 7 Millionen Tonnen CO₂ vermieden werden. Ein Güterzug kann dabei bis zu 52 LKWs ersetzen, was wiederum bedeutet, dass man statt 52 LKW-Fahrern nur einen Zugführer braucht und somit in Zeiten des Fachkräftemangels handlungsfähig bleibt.

„Der Gütertransport per Bahn ist ein starker Hebel zur CO₂-Reduktion.“ – Sigrid Nikutta

Das größte Hindernis für den Erfolg der DB Cargo stellt Deutschlands marodes Schienennetz dar. „Der desaströse Zustand des Schienennetzes mindert die Produktivität meines Unternehmens um 20 bis 30 Prozent“, bemängelte Nikutta in ihrem Vortrag. Sie forderte konstante Investitionen in die Infrastruktur der Bahn und betonte, dass die Sanierung des Schienennetzes nicht von heute auf morgen gehe: „Wenn man lange nicht investiert, überaltert alles und wird empfindlich. In dieser Situation sind wir gerade.“

Um diese Investitionen zu realisieren, treffen sich die Vorstandsmitglieder der DB Cargo fast täglich mit Politikern aller im Bundestag vertretenen Parteien – außer der AfD. „Die AfD ist keine Alternative, sondern eine Bedrohung für unsere Demokratie“, begründet Nikutta. Druck auf die Politik üben hierbei auch die Gerichte aus, welche festgestellt haben, dass die aktuelle Umweltpolitik nicht rechtskonform, sondern ungenügend ist. So zum Beispiel zuletzt das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg in seinem Urteil vom Dezember 2023, in dem es der Bundesregierung auferlegt hat, ein Sofortprogramm für den Verkehrs- und Gebäudesektor vorlegen zu müssen, da der Verkehr der einzige Sektor ist, dessen Emissionen seit Jahrzehnten auf einem konstant hohen Niveau verharren: Während es der Industrie gelang, ihre Emissionen von 1990 bis 2019 um 34 Prozent zu senken, konnte der Verkehrssektor im gleichen Zeitraum trotz technologischen Fortschritts lediglich eine Minderung von einem Prozent verzeichnen. Grund dafür ist, dass immer mehr PKW und LKW auf Deutschlands Straßen unterwegs sind: Allein das Volumen des Güterverkehrs stieg im besagten Zeitraum in Deutschland um 75 Prozent. Auch der aktuelle Koalitionsvertrag sieht die Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene vor: Bis 2030 sollen 25 Prozent der Güter per Schiene transportiert werden. Da im Jahr 2023 rund 19 Prozent der Güter per Schiene transportiert wurden, erscheint dieses Ziel herausfordernd, aber machbar.

Gegenüber der Politik erhebt die DB Cargo daher noch eine weitere Forderung: Um einen fairen Wettbewerb zu schaffen, der Klimaschutz belohnt, müssten die Preise für den CO₂-Ausstoß erhöht werden. „Nur so kann der Erfolg des Schienengüterverkehrs gewährleistet werden“, betont Sigrid Nikutta.

Dass der Transport über die Schiene nicht nur klimaschonend, sondern vor allem ab Distanzen über 200 Kilometer effektiv und kostengünstig ist, haben auch Unternehmen wie der Paketdienstleister DHL erkannt, der nun im großen Stil mit der DB Cargo kooperiert. Im Rahmen dieser Zusammenarbeit werden wöchentlich rund drei Millionen DHL-Pakete über Deutschlands Schienen transportiert. Neben Paketen, Metallen, Chemikalien und Fahrzeugbestandteilen transportiert die DB Cargo seit dem Krieg in der Ukraine auch zunehmend militärische Ausrüstung.

Trotz dieser Vorteile stellt der Transport über die Straße für die meisten Unternehmen immer noch die lukrativere Variante dar, was aus Sicht der Bahn auf eine niedrige CO₂-Bepreisung, geringe LKW-Maut und hohe Trassenpreise zurückzuführen ist: Die DB Cargo verliert jährlich rund eine halbe Milliarde Euro. Durch hohe Investitionen in die Infrastruktur und die Förderung umweltfreundlicher Verkehrsmittel durch die Bundesregierung setzt sich das Unternehmen das Ziel, ab 2026 profitabel zu sein. „Wir werden mit unserem Masterplan bis 2030 insgesamt 48 Milliarden Euro in die Schiene investieren“, betont Nikutta. Während der Masterplan durch die Deutsche Bahn AG finanziert wird, verbietet die EU der Deutschen Bahn ab 2025, die Verluste ihrer Cargo-Tochter auszugleichen, um eine Wettbewerbsverzerrung zu unterbinden.

Als Reaktion veröffentlichte die DB Cargo Anfang Oktober 2024 einen Sanierungsplan, der zur wirtschaftlichen Stabilisierung des Unternehmens beitragen soll: Es werden 2300 Stellen abgebaut, vier neue Geschäftsbereiche erschlossen und die Preise erhöht. Ob der Kurswechsel auch angesichts Deutschlands schwächelnder Wirtschaft und einem damit einhergehenden geringeren Transportvolumen gelingt, bleibt fraglich.

In unserer Region transportiert neben der DB Cargo vor allem die Westfälische Landes-Eisenbahn GmbH (WLE) einen großen Teil der Güter. Über ein Streckennetz, das sich über 119 km erstreckt und vom Sauerland bis nach Münster reicht, versorgt die WLE die lokale Industrie. Wichtige Güter sind unter anderem Holz, landwirtschaftliche Produkte und Baustoffe wie der Kalkstein aus dem Steinbruch Warstein. In Lippstadt betreibt das Unternehmen eine Werkstatt zur Instandhaltung von Lokomotiven und Waggons. „Die WLE ist ein wertvoller Partner der regionalen Wirtschaft und wichtiger Teil des Eisenbahnnetzes in Westfalen“, hebt das Eisenbahnunternehmen auf seiner Webseite hervor.

Jedes Mal, wenn ich nun von einem Güterzug überholt werde, sehe ich nicht nur die schiere Masse an Containern, sondern auch eine Zukunft, in welcher der Transport auf der Schiene zu einer nachhaltigen und effizienten Lösung für den Klimaschutz wird. Ich hoffe, dass bald nicht nur meine Pakete, sondern auch viele andere Waren vermehrt über die Schiene und nicht die Straße zu uns gelangen.

Autor:

Günter van Meegen aus Bedburg-Hau

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