Kraft von Nähe und Distanz in der forensischen Psychiatrie bietet Chancen und Risiken
In der LVR-Klinik Bedburg-Hau hat heute die 19. Forensische Fachtagung „Sex & Drugs & Rock'n'Roll" mit dem Thema „Come together – Nähe, Distanz und deren Folgen für die Behandlung" begonnen. Drei Tage lang widmen sich ausgewiesene Expertinnen und Experten einem noch immer tabuisierten Themenbereich: Der emotionalen Beziehungsstruktur in der forensischen Psychiatrie. Über 20 Arbeitsgruppen mit 34 Referentinnen und Referenten fokussieren die Beziehungspole Nähe und Distanz, um das therapeutische Hilfs-, aber auch das Zerstörungspotenzial zu beleuchten. Mit rund 370 Teilnehmenden ist die Fachtagung eine der führenden forensischen Veranstaltungen in Deutschland, die sich besonders durch unmittelbare Praxisrelevanz auszeichnet.
Dr. Jack Kreutz, Fachbereichsleiter Forensik der LVR-Klinik Bedburg-Hau, skizzierte die Tragweite des Themenbereiches der diesjährigen Fachtagung: „In der forensischen Psychiatrie ist das Pendeln zwischen Nähe und Distanz ein hochkomplexer Risikobereich und beinhaltet ein ähnlich hohes, wenn auch unterschiedliches Zerstörungspotenzial. Verbotene Liebe zwischen den in der Forensik untergebrachten Menschen und den Klinikbeschäftigten ist dabei nur eines von vielen Beispielen". Die Vorträge und Workshops beschäftigen sich daher mit einem sehr breit angelegten Spektrum, in dem jedoch nicht nur problematische Auswirkungen von emotionalen Grenzüberschreitungen auf beiden Seiten näher betrachtet werden. Auch die therapeutischen Erfolge durch Distanz, die beispielsweise in der Dramatherapie die Annäherung an die eigene Person ermöglichen soll, stehen im Mittelpunkt.
Den Auftakt der Fachtagung bilden am ersten Tag die renommierten Wissenschaftler Prof. Dr. Klaus Hoffmann aus Konstanz, Prof. Dr. Christian Pfeiffer aus Hannover und Prof. Dr. Ulrich Schultz-Venrath aus Bergisch Gladbach. Sie bieten in ihren Vorträgen Einblick in die Bedeutung der Psychoanalyse zur forensischen Psychiatrie, in das Ausmaß und die Folgen der Benachteiligung von Jungen in der Kindererziehung sowie in das Modell der Mentalisierung in der Forensik. Das Angebot von über 20 Arbeitsgruppen am folgenden Tag verbindet Theorie und Praxis, um den Teilnehmenden konkrete Ergebnisse und Erfahrungen zu ermöglichen. Hierbei spielen beispielsweise Alltagssituationen eine wesentliche Rolle: Wie kann es zu emotional „verbotenen" Beziehungen zwischen Angestellten und Patienten kommen? Welche Konstellationen bergen besondere Risiken? Wie kontrolliert Angst die Beziehungsstruktur? Wie sind die neuen Medien und technischen Geräte im Maßregelvollzug einsetzbar?
Ein Praxisbericht der besonderen Art bietet die LVR-Klinik Bedburg-Hau mit der Arbeitsgruppe „Hund hinter Gittern". Hier wird die Bedeutung des Hundes in der Therapie als „Freund des Menschen" betrachtet, der aufgrund seiner positiven und beruhigenden Wirkung eingesetzt wird. Suchtmittelabhängige sowie psychisch kranke Menschen erleben im Kontakt zu den Tieren häufig zum ersten Mal die von den Mitmenschen vermisste bedingungslose Akzeptanz, sowie ehrliche und direkte Rückmeldung. Dies kann einen erfolgreichen Therapieprozess unterstützen. Den Abschluss der Fachtagung bilden am dritten Tag Vorträge, die sich mit der Dramatherapie, Macht und Gewalt in der Forensik sowie den Aufgaben der Strafvollstreckungskammer im System des Maßregelvollzugs beschäftigen.
Die LVR-Klinik Bedburg-Hau stellt in Nordrhein-Westfalen eine der größten Einrichtung zur Behandlung, Betreuung und Pflege psychisch und neurologisch erkrankter Menschen dar. Die forensischen Abteilungen der psychiatrischen Fachklinik sind von überregionaler Bedeutung. Mit der bereits 19. Auflage der Forensischen Fachtagung „Sex & Drugs & Rock'n'Roll" erfährt die LVR-Klinik Bedburg-Hau auch internationales Interesse.
Autor:Lokalkompass Kleve aus Kleve |
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