Auch die Pfälzer am Niederrhein waren Flüchtlinge
Das Thema Flüchtlinge ist in aller Munde – ein Anlass für die Schüler des Jan-Joest-Gymnasiums (JJG) in Kalkar im Rahmen der Projekttage „Fair Future“ einen Workshop durchzuführen, um verschiedene Flüchtlingsströme zu vergleichen. Prominentes Beispiel für Flüchtlingsbewegungen sind die Pfälzer am Niederrhein in den Dörfern Pfalzdorf, Louisendorf und Neulouisendorf. Die Besiedelung der Gocher Heide durch diese Siedler jährt sich 2016 zum 275. Mal. Ab 1741 beginnend kamen diese zunächst aus dem heutigen Hunsrück auf Ihrem Weg nach Amerika an den Niederrhein, weil sie am damaligen niederländischen Grenzkontor Schenkenschanz wegen eines Seekrieges zwischen Spanien und England und damit wegen fehlendem Schiffstransport keine Überfahrt nach Amerika nachweisen konnten.
Auskunft über die Geschichte der Pfälzer Siedler konnte der Pfälzerbund am Niederrhein geben. Und so traf sich die Projektgruppe des JJG mit dem Pfälzerbund im Jakob-Imig-Archiv in Louisendorf, um die Geschichte der Pfälzer zu ergründen und sie anschließend mit der aktuellen Flüchtlingsbewegung vergleichen zu können. Zu Beginn der Untersuchungen stand eine Busfahrt „Auf den Spuren der Pfälzer am Niederrhein“ und ein Vortrag des Vorstandsmitgliedes Marcella Weber auf dem Programm. Unter Leitung der Lehrerinnen Maaßen und Roder-Lieven verglichen die 18 Schüler aus allen Jahrgangsstufen die Flüchtlingsgeschichten aus unterschiedlichen Blickwinkeln. Am letzten Tag der Projektwoche präsentierten die Schülerinnen und Schüler ihre Ergebnisse in der Schule. Neben Plakatpräsentationen wurden dabei auch Vorträge gehalten.
Die Pfälzer Siedler waren aufgrund der Auswirkungen verschiedener Kriege, also aus wirtschaftlichen Gründen und aufgrund von Verfolgung wegen ihres evangelischen Glaubens geflüchtet. Gründe, die durchaus mit denen der heutigen Flüchtlingsbewegung vergleichbar sind. Die Möglichkeit, am Niederrhein zu siedeln, schufen die damaligen preußischen Könige mit ihrer Kolonisationspolitik. Eine vergleichbare Basis ist in diesem Sinne heute nicht vorhanden. Vielmehr ist es die Gesetzgebung, die die humanitäre Unterstützung regelt. Beiden gemein ist, dass sie einen hohen (auch finanziellen) Aufwand betreiben mussten, um ihr geographisches Ziel zu erreichen.
Einer besonderen Frage ging eine Gruppe Schüler um Malte Aaron Schäfer und Carl Paessens nach: Sie untersuchten die Frage nach der Integration der Pfälzer am Niederrhein. Die Ergebnisse präsentierte Malte Aaron Schäfer unter dem Titel „Die Pfälzer am Niederrhein. Von der Segregation über die Integration zur Assimilation?“ zur Jahreshauptversammlung der Pfälzer am Niederrhein. Dabei betrachtete er unterschiedliche Indikatoren. Haben die Flüchtlinge keinen Kontakt mit der Bevölkerung, erhalten sie ihre eigene Kultur und heiraten nur untereinander, spricht man von Segregation. Integration ist geprägt vom gegenseitigen Tolerieren und akzeptieren der Kulturen, der Kontakt zu Einheimischen wird gepflegt, es gibt „Mischehen“, Bilingualität ist vorhanden. Das völlige Aufgeben der eigenen Identität bezeichnet man als Assimilation. Malte Aaron Schäfer konnte aufzeigen, wie der Prozess von der Segregation zur Integration der Pfälzer verlief. Die Pfälzer heirateten noch um 1800 zu über 90 % untereinander, 1920 immerhin noch zu 54 %. Spätestens die kommunale Neugliederung 1969 führte mit dem Wegfall der Dorfschulen zur weitest gehenden Integration der Pfälzer am Niederrhein. Das ist auch mit Blick auf die aktuelle Flüchtlingsthematik von Interesse: Immerhin wird heute mit vielen staatlich gestützten Programmen versucht, die Flüchtlinge zu integrieren und einer Segregation vorzubeugen. Ein Phänomen, dass es im Zusammenhang mit menschlichem Zusammenleben unabhängig von der Herkunft wohl zu allen Zeiten gab, fanden die Schüler in der Bürgerstammrolle zu Kalkar aus dem 19. Jahrhundert: „Als die Brautleute zur Civiltrauung kamen, fehlte der Proclamtionsschein des Bürgermeisters zu Till; unter dem Vorwand den zu holen, machte der Bräutigam sich weg.“
Autor:Lokalkompass Kleve aus Kleve |
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