Ich denke oft an Karl…

Ich denke oft an Karl, wenn ich an seinem alten Haus vorbeifahre. Ich tat das früher schon, als er gerade verstorben war und das Haus vom neuen Besitzer renoviert wurde. Heute tue ich es mit noch tieferen Gefühlen, da es nach einem Besitzerwechsel völlig verwahrlost ist. Der Balkon, von woraus er über die herrliche Natur schaute, und wo er die Vögel fütterte, ist überwuchert mit Blauregen. Der Garten verwildert. Früher gingen wir zusammen mit unseren Hunden laufen und ich brachte ihm „die Stadt Gottes“, die Zeitung der Steyler Missionare, ins Haus. Unvergesslich sind seine Erzählungen über den Krieg in Russland, wo er als Funker tätig war. Geliebt hat er die russischen Menschen auf dem Land, die trotz Entbehrungen auch den frierenden Feind durchgefüttert haben. In amerikanischer Gefangenschaft gelangte er nach Rom, wo es den katholischen Häftlingen erlaubt wurde beim Papst eine Audienz zu bekommen. Pius XII habe, so erzählte Karl, alle Gefangene persönlich gesprochen, gefragt wo sie denn herkamen und sie gesegnet. Als Karl dann selber an die Reihe kam, erwiderte er auf die Frage der Herkunft „aus Xanten“, was nicht der Wahrheit entsprach, da er aus Uedemerbruch kam. Aber, so Karl, wer kennt schon Uedemerbruch? Xanten, ja, war dem Papst bekannt. Er bekam ein Buch aus der deutschen Bibliothek des Vatikans, das er mir einmal auslieh, mit der Geschichte die dazu gehörte. Stolz zeigte er mir den Stempel der Bibliothek, ich habe es dann auch mit Ehrfurcht gelesen.

Die Vögel flogen einst zu ihm / gefüttert von dem Herrn
Wisterias dezenter Duft / er roch ihn doch so gern
Sind zugewuchert Haus und Hof / kein Mensch geht ein und aus
Es scheint darüber lange schon / ein unglücklicher Stern

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Autor:

Jan Kellendonk aus Bedburg-Hau

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