KALKAR, ANNO ATOMINI 1981
Heute vor 30 Jahren - das AUS für den schnellen Brüter
Es wird sicherlich zum 30igsten Jahrestag, als Forschungsminister Heinz Riesenhuber das AUS für den Schnellen Brüter Kalkar verkündete, viel geschrieben werden und zu sehen sein. Ich möchte 40 Jahre zurückschauen, mitten drin in die Konfrontationen, manche nanntes es sogar Krieg, zwischen den Gegnern und Befürwortern des Brüters. Krieg? Ja manchmal konnte man diesen Eindruck gewinnen. Natodraht, Straßensperren, Schlagknüppel, Festnahmen, Hubschrauberattacken, Wasserwerfer, Tränengas – Tränengaskartuschen gezielt auf Demonstranten abgeschossen (eine hätte mich 1982 fast am Kopf getroffen). Und denk ich an 1977, die Soldaten der Kalkarer Kaserne hatten Ausgangsperre und sollten die Kaserne schützen.1
Kalkar Juli ´81 „KALKAR, ANNO ATOMINI 1981“
So der Titel eines Heftes das von den Aktivisten damals herausgegeben wurde. Ein glücklicher Umstand führte dazu, dass ich einen damaligen Aktivisten vor drei Wochen kennenlernte und er besaß dieses Heft noch. Jörg Rimböck stellte mir das Heft zur Verfügung, so dass ich einiges hier im Lokalkompass veröffentlichen kann. Jörg hatte sich bei mir gemeldet, weil er in einem meiner Berichte zu den Demos in Kalkar, sich auf einem Bild, sitzend oben auf dem Melkstall, erkannt hatte, s. letztes Bild. Über Jörg kam ich auch an Bilder von Mitdemonstrant Helge J. Diese Bilder zeigen u. a. wie Jörg auf der Reeser Rheinbrücke von der Polizei gefilzt wurde.
KALKAR, ANNO ATOMINI 1981
Der Melkstall von Bauer Maas, ein Informationszentrum und Freundschaftshaus, wurde nach der Großdemo 1977 vom damaligen Oberkreisdirektor geschlossen. Doch bereits Ende 1980 wurde der Melkstall wieder in Besitz genommen, als „Aktionscamp“. Es sollte ein Hüttendorf, ein Anti-Atom-Dorf entstehen. Ziel war im Juli ein Freundschaftsfest zu veranstalten. Das Dorf sollte auch ein Windrad erhalten und dafür waren bereits 14.000 DM als Spende eingegangen. Und ja, das Freundschaftshaus wurde wieder mit Infomaterial bestückt und die Windanlagenbauer fingen an. Immer wieder Einschüchterungsversuche durch die Behörden und Bauer Maas wurde ein Bußgeld von 50.000 DM angedroht und auch die Stop-Kalkar-Initiative mit einem Bußgeld von 1.000 DM.
Das Infomaterial wurde aus dem Freundschaftshaus entfernt, doch das reichte nicht, nun hatte es der Oberkreisdirektor auf den Weiterbau des Windrades abgesehen. Es folgte eine Zwangsandrohung von 8.000 DM mit Steigerung auf 50.000 DM.
Das Freundschaftshaus wurde nun besetzt. Die Polizei sperrte die Zufahrtswege, so dass kein Baumaterial für das Dorf durchkam. Zelte wurden aufgebaut. Mitternachts wurden einige Zelte von der Polizei entfernt. Die Aktivisten setzten sich zwischen den Zelten und leisteten passiven Widerstand. Polizeigewalt machte sich breit. Fußtritte, an den Haaren ziehen, Einsatz von Hunden und der chemischen Keule. Erfolg, die meisten Zelte blieben stehen, doch am Morgen wurden durch die Polizei die restlichen Zelte rd. 40 von der Polizei geräumt und entfernt. Nun gingen die Schikanen richtig los. Blockade der Zufahrtswege, Materialien für das Freundschaftsfest kamen nicht mehr durch … nicht mehr, doch zu fuß wurde über Wiesen und Äckern alles notwendige zum Festplatz geschafft. Doch wieder Ärger. Einige Polizeimannschaftswagen fuhren auf den Festplatz und die Mannschaften saßen ab. Zum Glück, ein WDR-Team war vor Ort. Ein verlegenes Drucksen des Einsatzleiters in die Kameralinse … es sei ein „Irrtum“ gewesen und dann „Kehrt Marsch“. Das Fest konnte beginnen. Am Abend spielten Checkpoint Charl, Raufaser, Terra, und Nijmegse Blues Kollektiv.
Am nächsten Tag kam es wieder zu einem Polizeieinsatz. Die in der Nacht aufgestellten Hütten wurden von Hundertschaften abgerissen. Zwei Aktivisten wurden von Hunden gebissen. Dann wurde das Freundschaftshaus gestürmt. Türe eingetreten, alles durchsucht und wieder ein Verletzter durch Hundebiss.
Das Freundschaftshaus blieb und 1982 war es wieder Mittelpunk einer Großdemo.
Die damalige Anti-Atombewegung trug wesentlich dazu bei, dass der fertiggestellte Brüter nicht in Betrieb ging. Durch den Widerstand gab es während des Baus immer wieder Verzögerungen, Sicherheitsrelevante Bauteile mussten nachgearbeitet werden. Letztendlich schlug sich auch das Land NRW gegen die Bundesregierung auf die Seite der Anti-Atombewegung.
1 An der Demo am 24. September 1977, einem Samstag, konnte ich leider nicht teilnehmen. Ich war damals bei der Bundeswehr, 7. FM Rgt. 11 in der Kaserne Kalkar. Es gab eine Ausgangsperre, weil man befürchtete, dass die Kaserne ein Angriffsziel sein könnte. Ob die Bundeswehr auch außerhalb eingreifen sollte entzieht sich meiner Kenntnis, wir erfuhren nichts, auch nicht wie wir die Kaserne schützen sollten. Ich war damals Fernmelder und saß im Vermittlungsraum wo Schaltbefehle per Fernschreiber (noch mit Lochstreifen) und fernmündlich ein- und ausgingen. Am Demotag hatte ich dort auch Dienst. Da ich wissen wollte was draußen vorging, hörte ich auf meinem dazu extra mitgebrachten Radio den Polizeifunk auf mehreren Kanälen ab. Irgendwie hatte das der Kompaniechef mitbekommen und ich durfte dort mit Radio antanzen. Ohje, rechnete mit dem Schlimmsten. Dienstvergehen und Polizeifunk abhören war auch strafbar. Im Chefzimmer waren auch der Kompaniefeldwebel und einige Offiziere anwesend. Zu meinem Erstaunen wurde ich gebeten den Polizeifunk mit ihnen zusammen weiter abzuhören. Auch sie hattenbis dahin keine Ahnung was draußen vorging.
Mehr Bilder:
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Letzte Groß-Demo in Kalkar schw./weiß Bilder hier
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Autor:Günter van Meegen aus Bedburg-Hau |
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