Vor 65 Jahren...

Vor 65 Jahren lernte ich meine erste Worte Französisch. Im Mei 1958 kam meine Großmutter von einer Wallfahrt aus Lourdes zurück, es war, so laut Unterschrift des Erinnerungsfotos das dort vor der Kirche aufgenommen wurde, die „49. Montfoortse im Jubeljahr“ gewesen. Sie nahm mich auf ihren Schoß und lehrte mich das „Ave Maria“ auf Französisch. Eine geheimnisvolle Sprache, so schien sie mir, gesprochen von einer frommen Frau, die sich und mich in dem Moment vor die Gottesmutter brachte.
So einzigartig und perfekt, dass ich gestehen muss, nie mehr einen solchen erhabenen und reinen Moment erlebt zu haben. Jetzt bin ich um mehr als 10 Jahre älter als meine Großmutter es damals war, die Zeiten haben sich unglaublich verändert.
François Villon meditierte in dem Gedicht „Ballade der Frauen von einst“ über die großen Frauen der Vergangenheit und bedauerte dass es sie nicht mehr gibt. Der Kehrvers lautet: „Doch wo ist der Schnee vom letzten Jahr?“. „Schnee von gestern“ bedeutet heute eine Sache worüber man sich nicht mehr kümmern muss, oder gar soll. Bei Villon ist es auch eine Anspielung auf Reinheit die verloren gegangen ist. So wie der reine Schnee verschwand, so verschwanden auch die reinen Frauen. An Villon dachte ich und schrieb:
Der Frühling bunt wie eh und je / ein Sommer farbenreich
Dann Blätter überall getönt / Was kommt dem Herbst denn gleich?
Der jungfräulich sanft niederkommt / ein Schnee der unberührt
Ich sah ihn ewig lange nicht / ist jenseits von Vergleich

Autor:

Jan Kellendonk aus Bedburg-Hau

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