Schwanenrittersage Teil I.: "Der Ritter mit dem Schwan"
Die Schwanenrittersage ist eng verbunden mit der Stadt Kleve und mit der Klever Schwanenburg auf dessen Turmspitze noch heute ein Schwan thront. In den vergangenen Jahrhunderten sind durch eine Vielzahl von Geschichtsschreibern und Dichtern mehrere Varianten der Schwanenrittersage entstanden. So wundert es auch nicht, dass in den Sagen und Gedichten nicht nur Kleve am Rhein, sondern auch andere Orte genannt werden. Neben Kleve wird auch Nymegen, Antwerpen und Valenciennes an der Schelde, Megen an der Maas und Lillefort (bei Brüssel) genannt. In den meisten Sagen ist auch nicht zu erfahren woher der Schwanenritter, meist Helias Grail genannt, stammt oder wohin er verschwand. Der Schwanenritter, und dies haben alle Sagen gemeinsam, stellte zur Bedingung das seine Gemahlin, meist Beatrix genannt, nicht nach seiner Herkunft und Stand fragt, ansonsten müsse er sie verlassen. Und Beatrix fragte doch – der Schwanenritter ward nicht mehr gesehen. Einige Sagen geben dann doch die Herkunft und den Stand des Schwanenritters preis. So ist er der Sohn Parcifals (Lohengrin) zu Montsalvatsch beim Gral, oder ist ein Prinz aus dem Königreich Lillefort, ja sogar Troja wird genannt.
In mehreren Teilen möchte ich hier einige Schwanenrittersagen veröffentlichen.
Ich wünsche viel Spaß beim Lesen.
"Der Ritter mit dem Schwan"
Zu Flandern war vor Alters ein Königreich Lillefort, da wo jetzt die Städte Ryßel und Doway liegen; in demselben herrschte Pyrion mit Matabruna seiner Gemahlin. Sie zeugten einen Sohn; Namens Oriant. Dieser jagte eines Tages im Walde einen Hirsch, der Hirsch entsprang ihm aber in ein Wasser, und Oriant setzte sich müde an einen schönen Brunnen, um dabei auszuruhen. Als er so allein saß,kam eine edle Jungfrau gegangen, die seine Hunde sah und ihn fragte: mit wessen Erlaub er in ihrem wald jage? Diese Jungfrau hieß Beatrix, und Oriant wurde von ihrer wunderbaren Schönheit so getroffen, daß er ihr die Liebe erklärte und seine Hand auf der Stelle bot. Beatrix willigte ein, und der junge König nahm sie mit aus dem Wald nach Lillefort, um eine fröhliche Hochzeit zu feiern. Matabrun seine Mutter ging ihm aber entgegen, und war der jungen Braut gram; darum, daß er sie nackt und bloß heimgeführt hatte, und niemand wußte, woher sie stammte.
Nach einiger Zeit nun wurde die Königin schwanger; während dessen geschah´s, daß sie von ungefähr am Fenster stand, und zwei Kindlein, die eine Frau auf ein Mal geboren hatte, zur Taufe tragen sah. Da rief sie heimlich ihren Gemahl und sprach: wie das möglich wäre, daß eine Frau zwei Kinder gebäre, ohne zwei Männer zu haben? Oriant antwortete: mit Gottes Gnaden kann eine Frau sieben Kinder auf ein Mal von ihrem Manne empfangen.
Bald danach mußte der König in einen Krieg ziehen; da sich nun seine Gemahlin schwanger befand, emfahl er sie seiner Mutter zu sorgfältiger Obhut, und nahm Abschied. Matabrunna hingegen dachte auf nichts als Böses, und beredete sich mit der Wehmutter: daß sie der Königin, wenn sie gebären würde, statt der Kinder junge Hunde unterschieben, die Kinder selbst hätten, und Beatrix einer strafbaren Gemeinschaft mit Hunden anklagen wollten.
Als nun ihre Zeit heranrückte, ward Beatrix von sechs Söhnen und einer Tochter entbunden, und jedem Kindlein lag um seinen Hals eine silberne Kette. Matabruna schaffte sogleich die Kinder weg, und legte sieben Wölpe hin; die Wehfrau aber rief: ach Königin, was ist euch geschehen! Ihr habt sieben scheußliche Wölpe geboren, thut sie weg und laßt sie unter die Erde graben, daß dem König seine Ehre bewahrt bleibe. Beatrix weinte und rang die Hände, daß es einen erbarmen mußte; die alte Königin aber hub an, sie heftig zu schelten und des schändlichsten Ehebruchs zu zeihen. Daruf ging Matabruna weg, rief einen vertrauten Diener, dem sie die sieben Kindlein übergab und sprach: die silbernen Ketten an dieser Brut bedeuten, daß sie dereinst Räuber und Mörder werden; darum muß man eilen, sie aus der Welt zu schaffen. Der Knecht nahm sie in seinen Mantel, ritt in den Wald und wollte sie tödten; als sie ihn aber anlachten, wurde er mitleidig, legte sie hin und empfahl sie der Barmherzigkeit Gottes. Darauf kehrte er an den Hof zurück und sagte der Alten, daß er ihren Befehl ausgerichtet, wofür sie ihm großen Lohn versprach. Die sieben Kinder schrien unterdessen vor Hunger im Walde; daß hörte ein Einsiedler; Helias mit Namen, der fand sie und trug sie in seinem Gewande mit sich in die Klause. Der alte Mann wußte aber nicht, wie er sie ernähren sollte; siehe, da kam eine weiße Geis gelaufen, bot den Kindern ihre Mammen, und sie sogen begierig daran. Diese Geiß stellte sich nun von Tag zu Tag ein, bis daß die Kinder wuchsen und größer wurden. Der Einsiedel machte ihnen dann kleine Röcklein von Blättern, sie gingen spielen im Gesträuch und suchten sich wilde Beeren, die sie aßen, und wurden auferzogen in Gottes Furcht und Gnade.
Der König, nachdem er den Feind besiegt hatte, kehrte heim und wurde mit Klagen empfangen: sein Gemahl von einem schändlichen Hunde Wölpe geboren hätte, welche man weggeschafft. Befiel ihn tiefer Schmerz; er versammelte seinen und fragte, was zu thun wäre? Und einige riethen, die Königin zu verbrennen, andere aber, sie nur gefangen einzuschließen. Dieses Letztere gefiel dem Könige besser, weil er sie noch immer liegte. Also blieb die unschuldige Beatrix eingeschlossen, bis zu Zeit, daß sie wieder erlöst werden sollte.
Der Einsiedel hatte unterdessen die sieben Kinder getauft, und eines, daß er besonders liebte. Helias nach seinem Namen geheißen. Die Kinder aber in ihren Blätterröcklein, barfuß und barhaupt, liefen stets mit einander im Wald herum. Es geschah, daß ein Jäger der alten Königin daselbst jagte, und die Kindlein alle sieben, mit ihren Silberketten um den Hals, unter einem Baum sitzen sah, von dem sie die wilden Aepfel abrupften und aßen. Der Jäger grüßte sie, da flohen die Kinder zu der Klause, und der Einsiedler bat, daß der Jäger ihnen kein Leid thun möchte. Als dieser Jäger wieder nach Lillefort kam, erzählte er der Matabrunen alles, was er gesehen hatte; sie wunderte sich und rieth wohl, daß es Oriants sieben Kinder wären, welche Gott beschirmt hatte. Da sprach sie auf der Stelle: o guter Gesell, nehmt von euren Leuten und kehret mir eilend zum Wald, daß ihr die sieben Kinder tödtet, und bringt mir die sieben Ketten zum Wahrzeichen mit! Thut ihr da nicht, so ists um euer eigen Leben geschehen, sonst aber sollt ihr großen Lohn haben. Der Jäger sagte: euer Wille soll befolgt werden, nahm sieben Männer, und machten sich auf den Weg nach dem Walde. Unterwegs mußten sie durch ein Dorf, wo ein großer Haufen Menschen versammelt war. Der Jäger fragte nach der Ursache, und erhielt zur Antwort: es soll eine Frau hingerichtet werden; weil sie ihr Kind ermordet hat. Ach – dachte der Jäger – diese Frau wird verbrennt, weil sie ein Kind getödtet hat; und ich gehe darauf aus, sieben Kinder zu morden; verflucht sey die Hand, die dergleichen vollbringt! Da sprachen alle Jäger: wir wollen den Kindern kein Leid thun, sondern ihnen die Ketten ablösen, und sie der Königin bringen, zum Verweise, daß sie todt seyen. Hierauf kamen sie in den wald, und der Einsiedler war gerade ausgegangen, auf dem Dorfe Brod zu betteln, und hatte eines der Kinder mitgenommen, daß ihm tragen helfen mußte. Die sechs anderen schrien vor Furcht, wie sie die fremden Männer sahen. Fürchtet euch nicht, srach der Jäger. Da nahmen sie die Kinder und thaten ihnen die Ketten vom Hals; in demselben Augenblick, wo dies geschah, wurden sie zu weißen Schwänen, und flogen in die Luft. Die Jäger aber erschraken sehr, und zuletzt gingen sie nach Haus, und brachten der alten Königin die sechs Ketten unter dem Vorgeben: die siebente Kette hätten sie verloren. Darüber war Matabruna sehr bös, und entbot einem Goldschmied, aus den sechsen einen Napf zu schmieden. Der Goldschmied nahm eine der Ketten, und wollte sie im Feuer prüfen, od das Silber gut wäre. Da wurde die Kette so schwer, daß sie allein mehr wog, als vorher die sechse zusammen. Der Schmied war verwundert, gab die fünfe seiner Frau, sie aufzuheben: und aus der sechsten, die geschmolzen war, wirkte er zwei Näpfe, jeden so groß, als ihn Matabrun begehrt hatte. Den einen Napf behielt er auch noch zu den Ketten, und den anderen trug er der Königin hin, die sehr zufrieden mit seiner Schwere und Größe war.
Als nun die Kinder in weiße Schwäne verwandelt worden waren, kam der Einsiedler mit dem jungen Helias auch wieder heim, und er war erschrocken, daß die anderen fehlten. Und sie suchten nach ihnen den lieben langen Tag, bis zum Abend, und fanden nichts, und waren sehr traurig. Morgens frühe begann der kleine Helias wieder nach seinen Geschwistern zu suchen, bis er zu einem Weiher kam, worauf sechs Schwäne schwommen, die zu ihm hin flossen, und sich mit Brod füttern ließen. Von nun an ging er alle Tage zum Wasser, und brachte den Schwänen Brod; es verstrich eine geraume Zeit.
Während Beatrix gefangen saß, dachte Matabrun auf nichts anderes, als sie durch den Tod wegzuräumen. Sie stifftete daher einen falschen Zeugen an, welcher aussagte: den Hund gekannt zu haben, mit dem die Königin Umgang gepflogen hätte. Oriant wurde dadurch von meuem erbittert; und als der Zeuge sich erbot, seine Aussage gegen jedermann im Gotteskampf zu bewähren, schwur der König: daß Beatrix sterben solle, wenn kein Kämpfer für sie aufträte. In dieser Not betete sie zu Gott; der ihr Flehen hörte, und einen Engel zum Einsiedler sandte. Dieser erfuhr nunmehr den ganzen Verlauf: wer die Schwäne waren, und in welcher Gefahr ihre arme Mutter schwebte. Helias, der Jüngling, war erfreut über diese Nachricht; und machte sich barfuß, barhaupt, und in seinem Blätterkleid auf, an den Hof des Königs, seines Vaters, zu gehen. Das Gericht war gerade versammelt, und der Verräther stand zum Kampfe bereit. Helias erschien, seine einzige Waffe war eine hölzerne Keule. Hierauf überwand der Jüngling seinen Gegner, und that die Unschuld der geliebten Mutter dar, die sogleich befreit, und in ihre vorigen Rechte eingesetzt wurde. Als sich nun die ganze Verrätherei enthüllt hatte, wurde sogleich der Goldschmied gesandt, der die Schwanketten verschmieden sollte. Er kam, und brachte fünf Ketten und den Napf, der ihm von der sechsten übergeschossen war. Helias nahm nun diese Ketten, und war begierig, seine Geschwister wieder zu erlösen; plötzlich sah man sechs Schwäne zu dem Schloßweiher geflogen kommen. Da gingen Vater und Mutter mit ihm hinaus, und das Volk stand um das Ufer und wollte dem Wunder zusehen. Sobald die Schwäne Helias erblickten, schwommen sie hinzu, und er strich ihre Federn und wies ihnen die Ketten. Hierauf legte er einem nach dem anderen die Kette um den Hals, augenblicklich standen sie in menschlicher Gestalt vor ihm, vier Söhne und eine Tochter; und die Ältern liefen hinzu, ihre Kinder zu halsen und küssen. Als aber der sechste Schwan sah, daß er allein übrig blieb, und kein Mensch wurde, war er tief betrübt, und zog sich im Schmerz die federn aus; Helias weinte und ermahnte ihn tröstend zur Geduld. Der Schwan neigte mit dem Hals, als ob er ihn dankte, und jedermann bemitleidete ihn. Die fünf anderen Kinder wurden darauf zur Kirche geführt und getauft; die Tochter empfing den Namen Rose, die vier Brüder wurden hernachmals fromme und tapfere Helden.
König Oriant nach diesen wunderbaren Begebenheiten gab nun die Regierung des Reiches in seinen Sohnes Helias Händen. Der junge König aber beschloß, vor allem das Recht walten zu lassen, eroberte die feste Burg, wohin Matabrun geflohen war, und überlieferte sie dem gericht, welches die Übelthäterin zum Tode des Feuers verdammte. Diese Urtheil wurde sodann vollstreckt. Helias regierte nun eine Weile zu Lillefort, eines Tages aber, da er den Schwan, seinen Bruder, auf dem Schloßweiher einen Nachen ziehen sah, hatte er keine längere Ruhe: sondern hielt dies für ein Zeichen des Himmels, daß er dem Schwan folgen, und irgendwo Ruhm und Ehre erwerben solle. Er versammelte daher Ältern und Geschwister, entdeckte ihnen sein Vorhaben, und küßte sie zum Abschied. Dann ließ er sich Harnisch und Schild bringen. Oriant, sein Vater, schenkte ihm ein Horn und sprach: dieses Horn bewahre wohl! Denn alle, die es blasen hören, denen mag kein Leid geschehen. Der Schwan schrie drei oder vier Mal ganz mit seltsamer Stimme; da ging Helias zum Gestade hinab; sogleich schlug der Vogel die Flügel, als ob er ihn fröhlich bewillkommte, und neigte seinen Hals. Helias betrat den Nachen, und der Schwan stellte sich vornen hin und schwamm voraus; schnell flossen sie davon, von Fluß in Fluß, von Strom in Strom, bis sie zu der Stelle gelangten, hohin sie nach Gottes Willen beschieden waren.
Zu diesen Zeiten herrschte Otto der erste, Kaiser von Deutschland, und unter ihm standen das Ardennerland, Lüttich und Namur. Dieser hielt gerade seinen Reichstag zu Nimmegen, und wer über ein Unrecht zu klagen hatte, der kam dahin und brachte seine Worte an. Es begab sich nun, daß auch der Graf von Frankenburg vor den Kaiser trat, und die Herzogin von Billon, Namens Clarissa, beschuldigte, ihren Gemahl vergiftet, und während seiner dreijährigen Meerfahrt eine unrechte Tochter erzeugt zu haben; darum sey das Land nunmehr an ihn, den Bruder des Herzogs verfallen. Die Herzogin verantwortete sich, so gut sie konnte; aber das Gericht sprach einen Gotteskampf aus und daß sie sich einen Streiter gegen den Grafen von Frankenburg stellen müsse, der ihre Unschuld darthun wolle. Die Herzogin sah sich aber vergebens nach einem Retter um, indem hörten alle ein Horn blasen. Da schaute der Kaiser zu Fenster, und man erblickte auf dem Wasser den Nachen fahren, von dem Schwan geleitet, in welchem Helias gewappnet stand. Kaiser Otto verwunderte sich, und als das Fahrzeug anhielt und der Held landete, hieß er ihn sogleich vor sich führen. Die Herzogin sah ihn auch kommen, und erzählte iher Tochter einen Traum, den sie die letzte Nacht gehabt hatte: es träumte mir, daß ich vor Gericht mit dem Grafen dingte, und ward verurtheilt, verbrennt zu werden. Und wie ich schon an den Flammen stand, flog über mein Haupt ein Schwan, und brachte Wasser zum Löschen des Feuers; aus dem Wasser stieg ein Fisch, vor dem fürchteten sich alle, so daß sie bebten; darum hoffe ich, daß unser dieser Ritter vom Tode erlösen wird. Helias grüßte den Kaiser und sprach: ich bin ein armer Ritten, der durch Abentheuer hierher kommt, um euch zu dienen. Der Kaiser antwortete: Abentheuer habt ihr hier gefunden! Hier steht eine auf den Tod verklagte herzogin; wollt ihr für sie kämpfen, so könnt ihr sie retten, wenn ihre Sache gut ist. Helias sah die Herzogin an, die ihm sehr ehrbar zu seyn schien, und ihre Tochter war von wunderbarer Schönheit, daß sie ihm herzlich wohlgefiel. Sie aber schwur ihm mit Thränen, daß sie unschuldig wäre; und Helias gelobte, ihr Kämpfer zu weden. Das Gefecht wurde hierauf anberaumt, und nach einem gefährlichen Streite schlug der Ritter mit dem Schwan dem Grafen Otto das Haupt vom Halse, und der Herzogin Unschuld wurde offenbar. Der Kaiser begrüßte den Sieger; die Herzogin aber begab sich des Landes zu Gunsten ihrer Tochter Clarissa, und vermählte sie mit dem Helden, der sie befreit hatte. Die Hochzeit wurde prächtig zu Nimmegen gefeiert; hernach zog sie in ihr Land Billon, wo sie mit Freuden empfangen wurde. Nach neun Monaten gebar die Herzogin eine Tochter, welche den Namen Ida empfing, und später die Mutter berühmter Helden ward. Eines Tages nun fragte die Herzogin ihren Gemahl im Gespräch nach seinen Freunden und Magen, und aus welchem Land er gekommen wäre? Helias aber antwortete nichts, sondern verbot ihr diese Frage; sonst müsse er von ihr scheiden. Sie fragte ihn also nicht mehr, und sechs Jahre lebten sie in Ruhe und Frieden zusammen.
Was man den Frauen verbietet, daß thun sie zumeist; und die Herzogin, als sie einer nacht bei ihrem Gemahl zu bette lag, sprach dennoch: o mein Herr! Ich möchte gerne wissen, von wannen ihr seyd. Als dies Helias hörte, wurde er betrübt und antwortete: ihr wißt, daß ihr das nicht wissen sollt: ich gelobe euch nun, Morgen von Lande zu scheiden. Und wie viel sie und die Tochter klagten und weinten, stand der Herzog Morgens auf, berief seine Mannen, und gebot ihnen: Frau und Tochter nach Nimmegen zu geleiten, damit er sie dort dem Kaiser empfehlen könne; denn er kehre nimmermehr wieder. Unter diesen Reden hörte man schon den Schwan schreien, der sich über seines Bruders Wiederkunft freute, und Helias trat in den Nachen. Die Herzogin reiste mit ihrer Tochter zu Lande nach Nimmegen, dahin kam bald der Schwan geschwommen. Helias blies ins Horn, trat vor den Kaisen; dem er sagte: da er nothgedrungen sein Land verlassen müsse und dringend seine Tochter Ida empfahl. Otto sagte es ihm zu, und Helias, nachdem er Abschied genommen, Weib und Kind zärtlich geküßt hatte, fuhr in dem Nachen davon.
Der Schwan aber geleitete ihn wieder nach Lillefort, wo ihn alle, und zumal Beatrix, seine Mutter, fröhlich bewillkommten. Helias dachte vor allen Dingen, wie er seinen Bruder Schwan wieder lösen möchte. Er ließ daher den Goldschmied rufen, und händigte ihm die beiden Näpfe ein, mit dem Befehl: daraus eine Kette zu schmieden, wie sie gewesen war, die er einstens geschmolzen hatte. Der Schmied that es, und brachte die Kette; Helias hängte sie dem Schwan um, der ward alsobald ein schöner Jüngling, wurde getauft, und Eßner nach anderen Emrich genannt.
Einige Zeit darauf erzählte Helias seinen Verwandten die Begebenheit, die er im Lande Billon erfahren hatte; begab sich darauf der Welt, und ging in ein Kloster, um da geistlich zu leben, bis an sein Ende. Aber zum Andenken ließ er ein Schloß bauen, ganz wie das in Ardennen, und nannte es auch mit denselben Namen, Billon.
Als nun Ida, Helias Tochter, vierzehn Jahre alt geworden war, vermählte sie der Kaiser Otto mit Eustachias, einem Grafen von Bonn. Ida lag auf eine Zeit im Traum, da däuchte ihr: als wenn drei Kinder an ihrer Brust lagen, jedes mit einer Krone auf dem Haupt; aber den dritten zerbrach die Kone, und sie hörte eine Stimme, die sprach: sie würde drei Söhne gebären, von denen der Christenheit viel Frommen erwachsen solle; nur müsse sie verhüten, daß sie keine andere Milch sögen, als ihre eigene. Innerhalb drei Jahren brachte die Gräfin drei Söhne zur Welt; der älteste hieß Gottfried, der zweite Baldewin, der dritte Eustachias; alle aber zog sie sorgfältig mit ihrer Milch groß. Da begab sich, daß auf einem Pfingsttag die Gräfin in der Kirche war, und etwas lange von ihrem Säugling Eustachias blieb; da weinte das Kind so, daß eine andere Frau ihm zu säugen gab. Als die Gräfin zurückkehrte, und ihren Sohn an der Frauen Brust fand, sprach sie: ach Frau, was habt ihr gethan? Nun wird mein Kind seine Würdigkeit verlieren. Die frau fragte: ich meinte wohl zu thun, wen es so weinte, und dachte es zu stillen. Die Gräfin aber war betrübt, aß und trank den ganzen Tag nicht, und grüßte die Leute nicht, die ihr vorgestellt wurden.
Die Herzogin, ihre Mutter, hätte unterdessen gar zu gerne Kundschaft von ihrem Gemahl gehabt, wohin er gekommen wäre; und sie sandte Pilger aus, die ihn suchen sollten in allen Landen. Nun kam endlich einer dieser Pilger vor ein Schloß, nach dessen Namen er fragte, und hörte mit Erstaunen, daß es Billon hieße: da er doch wohl wußte, Billon liege noch viel weiter. Die Landleute erzählten ihm aber, warum Helias diesen Ban gestifftet und so benannt habe; und berichteten den Plgrim der ganzen Geschichte. Der Pilgrim dankte Gott, daß er endlich gefunden hatte, was er so lange suchte; ließ sich bei dem König Oriant und seinen Söhnen melden, und erzählte, wie es um die Herzogin in Billon und ihrer Tochter stünde. Eßmer brachte dem Helias die frohe Bothschaft in sein Kloster, Helias gab dem Pilgrim seinen Trauring zum Wahrzeichen mit; auch sandten die anderen viele Kostbarkeiten ihren Freunden zu Billon. Der Pilgrim fuhr damit in seine Heimat, und bald zogen die Herzogin und die Gräfin hin zu ihrem Gemahl und Vater in sein Kloster. Helias empfing sie fröhlich, starb aber nicht lange danach; die Herzogin folgte ihm aus Betrübniß. Die Gräfin aber, als ihre Ältern begraben waren, zog wieder heim in ihr Land, und unterwies ihre Söhne in aller Tugend und Gottesfurcht. Diese Sohne gewannen, hernachmals den Unglaubigen das heilige Land ab, und Gottfried und Baldewin wurden zu Jerusalem als Könige gekrönt.
Quellennachweis:
Flämländ. Volksbuch
Altdeutsch in einem Mspt. der Paulinerbibl. zu Leipzig
Deutsche Sagen von den Gebrüdern Grimm, Berlin, in der Nicolaischen Buchhandlung, 1818.
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Autor:Günter van Meegen aus Bedburg-Hau |
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