Moralisches Denken und Handeln, Vorlesung an der Rhein-Waal Hochschule
Der kleine Hörsaal der Hochschule Rhein-Waal wurde bald zu klein für die vielen Zuhörer die für die erste Vorlesung des Jahres gekommen waren und ein Umzug zum großen Saal war nötig. Das Thema der Professorin, Angela Heine, war "Zwischen Verstand und Gefühl: Von der klassischen Psychologie moralischen Verhaltens zu aktuellen Ergebnissen der Hirnforschung".
Flott ging es durch die Geschichte der Meinungen und Forschungsergebnisse in Bezug auf moralische Entwicklung des Menschen. Nur kurz verweilte sie bei dem Schweizer Psychologen Jean Piaget dessen Entdeckungen auf dem Gebiet der kognitiven Entwicklung bei Kindern bahnbrechend waren. Er zeigte, dass Schritt für Schritt ein Begreifen von Quantität oder Menge heranreift. Kleine Kinder machen dies fest an nur einem Aspekt, zum Beispiel an Höhe oder Größe. Erst später versteht das Kind, dass es mehrere Dimensionen gibt die alle berücksichtigt werden müssen um richtige Entscheidungen über Quantität zu treffen.
Die Idee einer stufenweisen Reifung wendet Lawrence Kohlberg für die moralische Entwicklung an. Seine Schätzung ist, dass nur 5% der Menschen überhaupt zu Reife gelangen und mehrere Dimensionen eines moralischen Problems erfassen können. Angela Heine fügte hieran die Bemerkung, dass dies uns wohl zu denken geben sollte. Sie gönnte uns aber dafür keine Zeit. Es folgte ein Abriss der Hirnforschung in Bezug auf moralische Entscheidungen. Ein faszinierendes Gebiet, das sie mit großen Lichtbildern gekonnt überschaubar machte.
Der rote Faden durch die Vorlesung waren einige Dilemmas moralischer Art. Bekannt ist die Frage ob man Medizin stehlen darf um eine Krankheit zu heilen. Oder die Frage ob man einen Menschen opfern darf um mehreren Menschen das Leben zu retten. Dies sind schwierige Probleme an deren Verarbeitung nachweislich verschiedene Hirnzentren beteiligt sind, oder eben nicht beteiligt sind wie bei manchen psychischen Störungen.
Hier verlasse ich die Berichterstattung einer Vorlesung die einzigartig war und die auch wichtige Fragen bei den Zuhörern hervorrief, und füge eine persönliche Note hinzu. Moral hat auch eine objektive Seite, jenseits von den Empfindungen und Meinungen einzelner Menschen. Alle Religionen und auch der Humanismus versuchen eine gewisse Logik und Systematik anzubringen. Durch Einübung wird das Denken so zu sagen in den Bauch verlegt und erlaubt ein schnelles Handeln. Manche Entscheidungen fordern aber eine lange Zeit des Abwägens. Ein sehr reines Beispiel solcher Entscheidungen liefert Rabbi Akiva Tatz. Es geht bei ihm um die Frage wie nach der jüdischen Rechtsprechung zu handeln ist bei Siamesischen Zwillingen die nur ein Herz haben, das aber zu schwach ist zwei Körper zu versorgen. Sollen beide sterben, oder soll einer gerettet werden, aber welcher? Zur eigenen Reifung gehört immer der Umgang mit Menschen die eine Begabung haben große Fragen der Menschheit, wie die über Leben und Tod, zu behandeln und eine für unsere Zeit im Rahmen eines Kulturkreises gültige Antwort zu erringen. Heute bietet das Internet uns die Möglichkeit solchen Menschen nahe zu sein, in Bestätigung oder eben auch im Widerspruch.
Zum Beitrag von Rabbi Tatz M.D. (englisch)
Autor:Jan Kellendonk aus Bedburg-Hau |
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