Mississippi … direkt vor der Haustüre
Es gibt schon seltsame Hof- und Flurbezeichnungen, so wie die Hofstelle „Mississippi“ an der Triftstraße in Hau, das Flurstück „Pennsylvania“ auf Salmoort (Kleve), „Slavanien“ (Goch) und um noch einige aufzuzählen, das Flurstück „Hexe Tull“, „Fusselshütt“ hier klicken, „Beauchoisie“ …
Das animiert geradezu mal nachzuforschen wie man auf diese Namen gekommen ist.
Schaut man sich alte Karten, alte Kataster an, kommt man schon zum Ergebnis, dass diese Bezeichnungen alle im 17./18. Jh. zum ersten Mal auftauchen und meist im Zusammenhang mit Neuerwerb/Neuerschließung von Land oder Anlagen von „Lustgärten“, die man z. B. dem Wald, Wasser oder Brachen abgerungen hatte. Einige dieser neuen Ländereien nannte man ganz schlicht auch „Neuland/Neuländer“.
Der Hof „Mississippi“
Der Hof liegt an der Triftstraße, südlich der Querallee und dem Dicken Mönch hier klicken auf dem Gebiet der Gemeinde Bedburg-Hau. Die heutigen Besitzer des Hofes konnten mir leider nur mitteilen, dass sie vermuten, dass der Name etwas mit einer Schweine- Kuhle oder Suhle zu tun haben könnte. Meine Suche in dieser Richtung war jedoch vergeblich, denn es gibt linguistisch keinen Zusammenhang. Bei meiner weiteren Suche stieß ich auf eine alte Flurbezeichnung auf Salmoort, Nähe Schenkenschanz, beim Wiligenpas „Pennsylvania“. Pfälzer Kolonisten wollten 1740 nach Amerika, vorrangig nach Pennsylvania auswandern und wurden von den Holländern bei Schenkenschanz (Salmoort) nicht ins Land gelassen, da sie keine Dokumente besaßen die eine Weiterreise von Rotterdam aus gewährleistete. Die Pfälzer blieben und siedelten sich auf der Gocher Heide an. Einige Pfälzer blieben jedoch auf Schenkenschanz und auch heute gibt es dort noch Nachkommen. Wenn also ein Pfälzer sich in Pennsylvania ansiedeln wollte, dies nicht konnte, ist es einleuchtend, dass er einem Stückchen Land den Namen Pennsylvania gab. Vor 1740, um 1700 wurde die Flur "Pennsylvania" auf einer Katasterkarte noch als "Dat Neue Landt" bezeichnet.
Sicherlich gab es auch Pfälzer die nach Mississippi auswandern wollten, dachte ich, doch da befand ich mich auf einer falschen Fährte, denn bereits auf einer Klevischen Katasterkarte aus dem Jahr 1723, also bevor die Pfälzer hier eintrafen, gab es bereits den Hofnamen „Mississippi“.
Gegenüber dem Hof „Mississippi“ liegt der „Elberfelderhof“. Elberfeld? Ein Peter de Weerth aus Elberfeld, kurfürstlich pfälzischer Kommerzienrat, Kaufmann und Großgrundbesitzer, kaufte Anfang des 18ten Jh. zahlreiche Höfe und Ländereien in Hau auf der sog. clevischen Rodung. Josef Jörissen1 berichtet das de Weerth eine 500 Morgen große Fläche zwischen der Triftstraße (ehem. Asperdener Straße) und Querallee kaufte. Genau auf dieser Fläche befindet sich auch der Hof „Mississippi“. Im Besitz von de Weerth sind die Höfe Elberfelderhof, Brüggerwaldhof, Beyerhof, Dammershof, Klein-Hüfgen und Groß-Hüfgen und der Dechantshof u. a. aufgelistet. De Weerth kaufte praktisch die ganze Gegend. Um 1811 kaufte de Weerth von den Erben Johann Otto Ludwig Küchmeister von Sternberg auch Beauchoisie, dazu später. In der Aufzählung fehlt „Mississippi“. Der Dammershof, der Beyerhof, und auch der Dechantshof wurden jedoch nicht von de Weerth gebaut, denn sie sind auch bereits auf der Katasterkarte von 1723 aufgeführt und auch den Brüggerwaldhof gab es schon vor 1820. Lediglich die Höfe Elberfelderhof, Klein-Hüfgen und Groß-Hüfgen wurden von ihm gebaut. Da der Hof „Mississippi“ auch auf der zuvor erwähnten Karte bereits eingezeichnet ist, erübrigt sich eine weitere Nachforschung in diese Richtung.
Auf der Senhemschen Karte2 von 1650 fehlt der Hof Mississippi, ebenso die Höfe Beyerhof, Dammershof und Brüggewaldhof. Damit dürfe feststehen, dass diese Höfe nach 1650 und vor ca. 1720 erbaut wurden. Der oder die Erbauer dieser Höfe müssten dann auch den Hof „Mississippi“ erbaut haben.
Der Beyerhof hat nichts mit dem Zeichner Jan de Beyer (de Beijer 1703-1780) zu tun, sondern mit Johann de Beyer 1630-1693 Justizdirektor in Kleve3. Das passt auch zeitlich. Johann de Beyer war Besitzer des Hofes „op den Camp“, auch „Beauchoisie“ genannt, in Hau. Beauchoisie = „schön gewählt“ hatte nachfolgende Besitzer4:
1. Besitzer Johann de Beyer 1630-1693 Justizdirektor
2. Danach sein gleichnamiger Sohn Johann de Beyer
3. Vererbte an seine Schwester, sie war verheiratet mit Baron von Friedeborn
4. 1735 Die Erben von Friedeborn verkauften an Albrecht Wilhelm von Durham, Kriegs- und Domänenrat, stammt aus Stargrad (Pommern), wurde 1739 Bürgermeister von Kleve.
5. 1771 erbte Henriette Bernhardine Johanna Durham, verh. 1. Ehe mit Major Baron von Dalichoux, 2. Ehe Johann Otto Ludwig Küchmeister von Sternberg
6. 1811 Nach seinem Tod verkauft an Peter de Werth Textilfabrikant aus Elberfeld und Wülfing, mehrere Güter, Capitalien und Renten.
7. Ab ca. 1900 übernahm der Pächter Theodor Verfürth den Besitz und 1913 von seiner Witwe große Teile an die Stadt Kleve verkauft, rd. 20 ha wurden für einen Exerzierplatz benötigt (heute Berufskolleg).
8. 1953 entstand die Siedlung Weißes Tor.
9. 2000 wurde der restliche Besitz durch Verfürth verkauft.
Die größte Ausdehnung des Anwesens Beauchoisie betrug 51 Morgen, 252 Ruten. Zur Zeit von Henriette Bernhardine Johanna Durham fertigte der Feldmesser Herrmann van Heys 1783 eine Karte von dem Anwesen Beauchoisie an. Auf dieser Karte sind noch einige Parzellen auf den Namen „Madame de Beyer gehörig“ verzeichnet. Madame bzw. ihre Vorfahren besaßen neben Beauchoisie noch eine Reihe von anderen Ländereien, sogar weit ab, wie z. B. nördlich von Hasselt der Romwinckelshof, Kataster 1723 „Romwinkels Hoff Frau de Beyer zu Cleve“.
Der Beyerhof liegt von Beauchoisie keine 2 Kilometer entfernt und beim Mississippi Hof sind es gerade mal 1.000 Meter.
Ich wage zu behaupten: Johann de Beyer oder sein gleichnamiger Sohn erbaute im späten 17ten Jh. den Hof Mississippi. Der Beyerhof wurde von ihm gekauft und auf seinen Namen umbenannt. Auf einer alten Rodungskarte findet man anstelle des Beyerhofes den Nijklosterhof, der jedoch nicht vor 1650 erbaut wurde, da er auf der Senhemschen Karte von 1650 noch nicht verzeichnet ist.
Eine weitere falsche Fährte dürfte diese sein: : Missi...? Missi Dominici? Missi regii? Missus? Hilft das weiter?
Frühmittelalterliche Begriffe für Königsboten, Sendgrafen, Bevollmächtigte die die Provinzen durchzogen und die Verwaltung der Gaugrafen kontrollierten. Später dann die Freigerichte, Freigrafen woraus sich dann im 14. Und 15 Jh. Fehmgerichte entwickelten. Nachfolgende Freigrafen/Freischöffen aus Kleve sind mir bekannt:
1418 Gerd Binking oder Bynking Freigraf, Stuhlherr Herzog von Cleve, 1447 Diderick Levelink Freigraf des Junkers Johann Sohne von Cleve, 1449 Johann de Kruse, 1454 Johann Fryemann Freischöffe des Herzogs Johann I. von Kleve1459 Joh. Hachenburger Stuhlherr Herzog von Cleve, 1470 Diet. Dittmarsheim Stuhlherr Herzog von Cleve.
Der Name „Mississippi“ soll aus den Wörtern „messe“ für groß und „seppe“ für Wasser aus der Sprache der Algonkin-Indianer abgeleitet worden sein.
Im Alt/Niederhochdeutschen gibt es ähnliches. Könnte es sich um eine Zusammenfügung dieser Alt- und Niederhochdeutschen Worte handeln?
Bei „Missi“ handelt es sich um eine Vorsilbe und bedeutet im allgemeinen „Schlecht“, z. B. Missihellida = Missklang, Uneinigkeit; aber auch Missisitigi = Verschiedenheit der Sitte. Es gibt sehr sehr viele Wortbedeutungen und es würde zu weit führen diese alle hier aufzuführen.
Bei „Sippi“ handelt es sich um die Sippe, um sog. Blutsverwandte. Versucht man jetzt aus Missi- und Sippi-Wortbedeutungen etwas zusammenzuführen, ergibt das alles keinen Sinn. Wenn man allerdings den Missi, den Bevollmächtigten des Königs, der auch der Bevollmächtigte eines Herzogs oder Grafen sein konnte, mit Sippi zusammenfügt, dann ergibt es durchaus einen Sinn. Mississippi könnte also der Hof einer Sippe, einer Familie sein, die im Auftrag ihres Königs, Herzogs oder Grafen handelt. § 85 Die königlichen Missi5
War de Beyer oder waren die de Beyers Bevollmächtigte, also Missi´s?
Johann de Beyer war u. a. brandenburgischer Bevollmächtigter Bevollmächtigter = Missi) unter Friedrich Wilhelm von Brandenburg (Markgraf von Brandenburg, Erzkämmerer und Kurfürst des Heiligen Römischen Reiches und Herzog in Preußen) auch der Große Kurfürst genannt. De Beyer war z. B. Bevollmächtigter bei der Konferenz der Rheinbundmitglieder (französischen Einfall in die spanischen Niederlanden)1667/68.
1659 kurfürstlicher Rat und Richter der Stadt Wesel.
1663 Ernennung zum klevischen Hofgerichts- und Justizrat und er gründete „Die Union der Vertrauensmänner“ deren Aufgabe es war die Verteidigung der landesherrlichen Rechte gegen die partikularistischen Bestrebungen der Stände durchzusetzen. Damit auch wieder Bevollmächtigter von Friedrich Wilhelm.
1666 Diplomat und Bevollmächtigter bei den bremisch-schwedischen Verträgen zur Schlichtung von Streitigkeiten.
1675 klevischer Geheimer Regierungsrat
1685 Vizekanzler.
Johann de Beyer war verheiratet mit Anna de Bourghele de la Vacquerie de Sommerpont; sein Vater war Dr. der Justiz in Wesel; sein Bruder Gerhard de Beyer war kurfürstlicher brandenburgischer Rat.
Sein Sohn war verh. in 2. Ehe mit Anna Margaretha Romswinckel (daher Romwinkels Hoff nördl. Hasselt). Er war Justizrat Herzogtum Kleve und Grafschaft Mark, Richter bei der Stadt Kleve.
Den Stammbaum der de Beyers kann man bis ins 11te Jh. zurückverfolgen und auch daraus kann man Rückschlüsse ziehen, dass sie Missi´s, Bevollmächtigte waren. Sie sollen abstammen von fränkischen Königsfreien. Schon damals hatten die de Beyers belangreiche Funktionen in den Landesverwaltungen. Im 13ten Jh. unterstützten sie den Grafen von Geldern mit Geld und erhielten dafür Posten in der gelderschen Administratur.6
Ergibt das alles einen Sinn? Man könnte es vermuten, doch es gibt keinen schriftlichen Beleg, dass de Beyer den Hof „Mississippi“ erbaute bzw. ihm den Namen gab. Aufgrund der Stellung de Beyers wäre dies mit Sicherheit vermerkt worden. So bleibt die Namensgebung weiter im Verborgenen.
Quellennachweis:
1) Jofef Jörissen
2) Franz von Senhem, Clevischer Landmesser, Senhemsche Karte 1650
3) Johann de Beyer, Neue Deutsche Biografie 2, 1955, S. 205
4) Beauchoisie, Kalender Klever Land 2002, Seite 59
5) Heinrich Brunner, Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892, S. 189
6) Stammbaum de Beyer, Genealogie NL
Autor:Günter van Meegen aus Bedburg-Hau |
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